Ernst Herbsts gesammelte Regesten, Urkunden, Texte, Vorträge und Erzählungen zur
Geschichte der Deutschordensritter in ihrer Ballei Sachsen

Otto von Blanckenburg (1535-1605)
Landsknecht, Ordensritter und Junker


Nachruhm und Nachlass

Vor mehr als vier Jahrhunderten - genau am 03.09.1605 - hat sich in der kleinen, damals erst 25 Jahre alten Kirche in Hildebrandshagen alles versammelt, was in der Uckermark Rang und Namen hat, und vor der Kirche drängen sich Bauern, Kossaten und Leibeigene aus Hildebrandshagen und Schlepkow, den Dörfern Ottos von Blanckenburg, dessen Leichnam der im offenen Sarge vor dem Altar liegt.

Die Blanckenburgs gehören zu den ältesten und angesehensten Familien der Uckermark, sie sind versippt und verschwägert mit allen anderen adligen Familien: den Falckenberg und den Holtzendorff, den Ramin und den Arnim, den Behr, den Kühlen, den Klützow und wie sie alle heißen.
Von den sieben Brüdern des Verstorbenen ist keiner unter den Trauergästen, vermutlich aber die Schwester mit ihrem Mann, dem Adam von Holtzendorff zu Holzendorf. Otto war der Jüngste einer ganzen Kinderschar gewesen, die anderen sind schon tot. Aber seine fünf Kinder stehen am Sarg, und seine junge Witwe Ursula mit ihren beiden Brüdern Joachim und Liborius v. Klützow, erbgesessen auf Dedelow . Auch Vetter Jürgen aus Wolfenhagen ist zum Begräbnis erschienen sein - ob freilich mit ehrlicher Trauer oder um das Gesicht zu wahren, können wir nicht wissen. Möglich, dass die alte Feindschaft zwischen den Wolfshägern und den Hildebrandshägern eingeschlafen ist - aber das ist unwahrscheinlich, denn unter Adligen und Bauern pflegt man seine Feindschaften und vererbt sie an nachfolgende Generationen.

Pastor Peter Clement aus Fürstenwerder hat die Leichpredigt gut vorbereitet. Er erinnert die Trauergemeinde an den gefahrvollen und kurvenreichen Lebensweg des Verstorbenen. Er vergisst nicht, die sieben Brüder des Ritters Otto zu nennen. Nicht allen Trauergästen sind die Namen bekannt, mit Ausnahme von Joachim und Jacob. Die beiden berühmten Krieger sind erst vor wenigen Jahren daheim im Bett gestorben - der Rittmeister Joachim war noch vor wenigen Jahren mit seinem Bruder Otto gemeinsam Herr auf Hildebrandshagen und Schlepkow, und der kursächsische Hauptmann Jacob war bei festlichen Anlässen wie der Beisetzung seines Neffen Henning und seines Bruders Joachim in Hildebrandshagen und zur Hochzeit des Bruders Ottos in Dedelow unter den Gästen gewesen. Busso, der älteste Bruder, einer alten Sitte bei Adel und Bauern gemäß benannt nach seinem Großvater, und die Brüder Christoffer, Andreas, Hans und Kersten waren auch alle älter als Otto gewesen und vor ihm - vermutlich mit Ausnahme Busso -in einem der vielen Kriege des vergangenen 16. Jahrhunderts gestorben, verdorben und vergessen. In der Leichpredigt wird noch einmal an sie erinnert - sie alle standen schon bei verschiedenen Herren in Kriegsdiensten, als Otto noch ein Kind war.

Der Prediger zeichnet das Vorbild für ein bewegtes Leben und den erfüllten Lebensabend eines würdigen Greises, eines gütigen und treusorgenden Vaters seiner Kinder und seiner "Leute", mildtätig, fromm und bußfertig. Für solch ein Bild hatte der Pastor drei gute Gründe:
1. De mortuis nil nisi bene - über die Toten nichts, wenn nicht Gutes.
2. Der Verstorbene hatte seinen Seelsorger mit dem Leiblichen treulich und dankbar versorget / wie ein rechter Pflegevater gespeiset und genähret und ihm und all den Seinen guten Willen und günstige Beförderung gezeiget - aus Clements Worten spricht Dankbarkeit, verbunden mit dem Wunsche auf fernerweite gehörige Beköstigung.
3. Der Pfarrer war auf die Erzählungen des alten Herrn angewiesen, und Sünden, von denen er erfahren hatte, fielen unter das Beichtgeheimnis.
Pfarrer Clement wird bald nach den Leichenfeierlichkeiten mit dem überarbeiteten Manuskript der Leichpredigt nach Alt Stettin reisen und dem Joachim Rethe einen Druckauftrag erteilen.3 So wird sie zu einem Teil des Nachlasses des Ritters Otto und erinnert seit mehr als vier Jahrhunderten an den Mann, sein Leben, seine Verwandtschaft, an den Prediger und an den Drucker.

Einen gewichtigeren Nachlass bildet Otto v. Blanckenburgs Leichstein in der Kirche von Hildebrandshagen.
Wir wissen nicht, ob der kunstvoll behauene Stein an jenem 3. September 1605 neben dem Sarg in der Kirche stand. Johann v. Lossow, der langjähriger Freund und Chef Ottos v. Blanckenburg, hatte den eigenen "Sarg" zwei Jahre vor seinem Tod anfertigen und in seiner Kirche in Bergen in der Magdeburger Börde aufstellen lassen, um stets an das nahe Ende erinnert zu werden - vielleicht auch an die Zeit, als er noch rüstig und in der Lage war, die schwere Rüstung zu tragen. Beide Denkmale weisen eine überraschende Ähnlichkeit auf - nur die Köpfe der beiden Ritter unterscheiden sich, und natürlich die Umschriften. Die Vermutung liegt nahe, dass beide Steine aus der Werkstatt des seinerzeit berühmten Bildhauers Sebastian Ertle stammten, der aus Überlingen nach Magdeburg gekommen war und vor allem für die Domherren in Magdeburg und Halberstadt und den erzstiftischen Adel arbeitete.4
An beiden Steinen fällt besonders der erhobene Streithammer auf. In Hildebrandshagen rankt sich um ihn eine freundliche Sage - es ist der Zauberhammer, der dem Besitzer zu Wohlstand verhilft.5 Tatsächlich war der Streithammer eine gefürchtete Waffe im Nahkampf der gepanzerten Ritter. Mit einem gut gezielten Schlag konnte das Armgelenk der Rüstung des Gegners so beschädigt werden, dass der praktisch unbeweglich wurde - auch so konnte der Hammer den Wohlstand seines Besitzers mehren, wenn der besiegte Feind Beute und Lösegeld zu bieten hatte. Auf Gemälden und Denkmälern war der Hammer das Zeichen eines Reiterführers - Kurfürst Moritz v. Sachsen ließ sich mehrfach mit einem Streithammer darstellen.
Auch der Grabstein eines anderen Ritters hat zur Legenden- und Sagenbildung angeregt. In Buro bei Dessau befand sich seit 1205 ein Hof des Deutschen Ordens7, und auf dem Leichstein des Komturs Hans von Lattorff, gestorben 1571, ist eine Kordel oder die Umkleidung des Brustharnischs zu sehen. Im Nachbardorf Klieken erzählt man noch heute, dass der Ritter eigentlich an dem Strick aufgehängt werden sollte, weil er sein Keuschheitsgelübde gebrochen und Ordensgut veruntreut hatte. Tatsächlich trifft der Vorwurf nicht den steinernen Komtur, sondern seinen liederlichen Neffen und Nachfolger Ernst v. Lattorff , der vom Ordenshof und aus dem Orden verjagt wurde und keinen Grabstein erhielt.

In jeder Ecke des Steins in Hildebrandshagen sehen wir ein Wappen. Es ist der Nachweis der acht adligen Vorfahren des Ritters. Vier Wappen für acht Vorfahren? Wir werden sehen.
Rechts oben - in der Heraldik rechts vom Stein bzw. Wappen aus - erkennt man im Schild einen Widderkopf und über dem Helm einen Pelikan.
In einem alten Buch ist zu lesen
Die Familie v. Blanckenburg führte im Wappen einen silbernen Widderkopf mit schwarzen gekrümmten Hörnern nebst dem Halse und einer roten Öffnung im blauen Felde; auf dem von silbernen und blauen Decken umgebenen Helm erscheint ein goldenes Nest, worin ein silberner Pelikan, welcher seine Brust durchhackt und mit dem daraus rinnenden Blut die darunter befindlichen Jungen ernährt.
Dieses Wappen steht für drei adlige Vorfahren Ottos: Vater Henning, Großvater Busso (in der Literatur auch Hasso ) und dessen Vater - vermutlich Reimar v. Blanckenburg.
Das Wappen links oben hat neun Felder und steht für zwei adlige - männliche! - Vorfahren: den Vater der Mutter, Claus v. Falckenberg , und dessen Vater.
Rechts unten ist im Schild ein - heraldisch - nach rechts laufender Bär mit einem Halsband, über ihm zwei ebenfalls rechts gewendete Schwäne (Köpfe und die Hälse mit dem Brustansatz) zu erkennen. Die beiden Schwäne über dem Helm wenden sich voneinander ab nach rechts und links (ihre Körper scheinen verwachsen zu sein wie bei siamesischen Zwillingen): es ist das Wappen des Vaters der Großmutter väterlicherseits aus der Familie von Behr.
Als Otto v. Blanckenburg 1535 geboren wurde, hatte er schon sieben Brüder, ob und wieviel Schwestern er hatte, ist nicht bekannt. Da ist seine Mutter, die v. Falckenberg, nicht mehr die jüngste gewesen. Ihr Geburtsjahr dürfte um das Jahr 1500 gelegen haben. Ihre Mutter, eine v. Behr, wurde vermutlich um das Jahr 1475 geboren, und sie könnte eine Tochter jenes Heinrich v. Behr gewesen sein, von dem Genealogen sagen, er sei der Stammvater der älteren Linie v. Behr in Deutschland. Die v. Behr wohnten wie die v. Mandelsloh im Braunschweigischen. 1476 hatte Heinrich Streit mit dem Ritter Dietrich von Mandelsloh wegen eines Hofes zu Brase, der erst 1509 durch ein Urteil des Herzogs Heinrich. a> von Braunschweig-Wolfenbüttel zugunsten derer v. Behr entschieden.
Links unten sind im Schild und über dem Helm je zwei gekreuzte Streitkolben dargestellt - das Wappen des Vaters der Großmutter mütterlicherseits, Joachim v. Kühlen. Wer mitgezählt hat, hat die acht adligen Vorfahren beisammen.

Die Angaben der Umschrift und auf der Platte stimmen mit denen der Leichpredigt überein.
Ano 1605 den 13. augusti ist der edle
gestrenge vnd ehrenveste Otto von Blanckhenburg erbgesesen
[zcu oder in] Hildebr[andshagen un]d Schlepgow
gott selich entschlafe der verleihe ime ein
fröliche auferstehung
aetatis suæ 70 iahre

Ritter Otto war am 13. August 1605 in Hildebrandshagen eingeschlafen und den 3. September herrnach daselbst in seiner Vorfahren Grab christlich und ehrlich beigesetzt worden. Wie hat man den Leichnam so lange konserviert? In einem Eiskeller? Oder hat man die Eingeweide entfernt, in ein besonderes Behältnis getan und den Körper einbalsamiert? Diese Kunst wurde dazumal vermutlich von allen Ärzten beherrscht. Die Leiche des Kurfürsten Moritz wurde nach seinem Tod bei Sievershausen so behandelt, um ihn im heißen Sommer nach Sachsen transportieren zu können.
In in den Statuten des Deutschen Ordens, 1606 überarbeitet, kann man nachlesen, wie mit der Leiche eines verstorbenen Landkomturs verfahren werden sollte:
Wenn ein landkomtur mit tod abgegangen [ist], ... soll der tote leichnam, nachdem er vierundzwantig stunden auf einem schwarzen wollenen tuch in seinem gewöhnlichen ordenskleid und [mit seinem] güldenen kreuz, auch mit dem vergüldeten schwert und sporen gelegen [hat], auf das stärkste balsamiert und in eine hölzerne bahre gelegt und bis zu der begräbnis in ein zimmer geordnet werden, darüber soll gedeckt sein ein bahrtuch von weißem wolltuch mit einem schwarzen kreuz, auf welches das vergüldete Schwert und Sporen geheftet sein sollen, wachskerzen, weihwasser und was sonsten in dergleichen fällen gebührt, soll auch dazu verordnet werden.

Die Hildebrandshäger Kirche gehört nicht zum Nachlass Ottos v. Blanckenburg. Der hatte mit dem Bau der " neuen" Kirche im Jahre 1580 und ihrer Bestuhlung 1583 kaum etwas zu schaffen. Er hatte mit seinen Pflichten als Komtur des Deutschen Ordens in Langeln bei Wernigerode vollauf zu tun. Auch am Altar aus dem Jahre 1588 hat er keinen Anteil gehabt. Erst die Kanzel aus dem Jahre 1597 dürfte ihm zu danken und unter seinen Nachlass zu zählen sein.

Anmerkungen

Am 14. April 2007 hielt der Verfasser für den Förderverein Fachwerkkirche Hildebrandshagen einen Vortrag über den Ritter Otto v. Blanckenburg (1535-1605) in der Kirche von Hildebrandshagen. Der Vortrag wurde bearbeitet, erweitert und mit Anmerkungen versehen und hiermit vorgestellt.
  • 001 Zur Geschichte Fürstenwerders erschien im Sommer 2007 von Detlef Graf v. Schwerin und Ute Bleich: Fürstenwerder Mosaik. Fürstenwerder und das Dominium. Eine uckermärkische Mediatstadt (1648-1854). Berlin [Zurück]
  • 002 D-17291 Dedelow: 5 km von Hildebrandshagen entfernt, Stammsitz der Familie v. Klützow. Stammhalter Liborius (1567-1610; verheiratet mit Maria v. Greiffenberg a. d. H. Polsen), Joachim (geb. 1556) und Ursula (geb. 1571) waren drei der acht Kinder Ottos v. Klützow (1527-1597) auf Dedelow und anteilig auf Rackow, Kraatz, Falkenhagen, Güstow, Vorwerk Parmey, und seiner Frau Ursula v. Flans a. d. H. Wittbritzen (Heirat 1555) [Stammtafel Klützow] [Zurück]
  • 003 Clement 1605 [Zurück]
  • 004 Deneke 1911
    Wiehle 2001 S. 45
    Dehio 1974 S.146 (Halberstadt, Dom), S.188 (Hecklingen, Benediktinerinnen-Kloster), S.213 (Jerichow, Stadtkirche); S.255 (Löderburg im Salzlandkreis, ehem. Gutshof); S.277f. (Magdeburg, Dom) [Zurück]
  • 005 Schulz 1996 [Zurück]
  • 006 Cranach 1578. Er trägt einen hochmodernen Harnisch mit goldgeätzen, verzierten Bandstreifen und der roten Feldherrnbinde, wie ihn ganz ähnlich nur Karl V. und Ferdinand I. besaßen. Die in ihrer Farbsymbolik gleichen Harnische - Weiß (Silber) und Rot - spiegeln höchsten fürstlichen Anspruch wider. ... [Er] greift mit der Linken an den Knauf seines kostbaren spanischen (?) Degen und hält mit der Rechten seinen Streithammer, den Kommandostab des Reiterführers. [Marx/Kluth 2004 S.247] [Zurück]
  • 007 Hummel [Zurück]
  • 008 Hummel [Zurück]
  • 009 Gamm 1846 S.467 [Zurück]
  • 010 Die v. Blanckenburg zu Wolfshagen hatten in Groß Daberkow Besitz. 1516 Hasso v. Blanckenburg. [Krüger 1925 S.291] [Zurück]
  • 011 Krüger 1925, S.291 [Zurück]
  • 012 Schreibweise auch: Falkenberg [Zurück]
  • 013 Ahnenforschung [Zurück]
  • 014 Schreibweise auch mit dem niederdeutschen Dehnungs-E: Mandelsloe [Zurück]
  • 015 HEINRICH DER ÄLTERE (1463-1514) Herzog zu Braunschweig-Wolfenbüttel [Hannover [Zurück]
  • 016 ÆTAS, ATIS: die Lebenszeit, das Alter [Zurück]
  • 017 EHRLICH: 1) ansehnlich, vornehm, von leuten; 2) ansehnlich, von sachen: begrabe deine todten in unser ehrlichsten grebern [Grimm: DWB] [Zurück]
  • 018 Roth 1886 1887/ S.131 Sp.2-S.132 Sp.1. In moderne Schreibweise übertragen. [Zurück]

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    Deutscher Orden

    Ballei Sachsen im 16. Jh.

    Johann v. Lossow

    Otto v. Blanckenburg

    Nachruhm und Nachlass
    1. Kindheit, Jugend, erste Mannesjahre
    2. Ritterbruder und Komtur des Deutschen Ordens
    2.1. Ottos Aufstieg in der Ballei Sachsen
    2.2. Nachbarliche Irrungen
    2.3. Die Prozesse des Komturs
    2.4. Aus Irrungen wird eine Fehde
    2.5. Der Friedensvertrag von Wernigerode 1589
    2.6. Ehrenvoller Abschied vom Orden
    3. Erbgesessen auf Schlepkow und Hildebrandshagen

    Gegenständliche Quellen
    Archivalien
    Abkürzungen und Literaturquellen zum Text
    Alle Anmerkungen

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    Letzte Änderung 08.09.2007

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