Ernst Herbsts gesammelte Regesten, Urkunden, Texte, Vorträge und Erzählungen zur
Geschichte der Deutschordensritter in ihrer Ballei Sachsen

Otto von Blanckenburg (1535-1605)
Landsknecht, Ordensritter und Junker


2. Ritterbruder und Komtur des Deutschen Ordens

2.6. Ehrenvoller Abschied vom Orden

Als Otto von Blanckenburg sich vom Orden verabschiedete, konnte er eine Erfolgsbilanz vorweisen.
Unter seiner Leitung hatte sich die Kommende Langeln als Wirtschaftsstandort kräftig entwickelt, wenn man die Anzahl der Beschäftigten in Ermangelung eines anderen Maßstabs zugrunde legt. (Heutzutage gilt freilich der Abbau von Arbeitsplätzen als Merkmal einer boomenden Wirtschaft.)
Als die Ballei im Jahre 1574 visitiert wurde, gaben die sächsischen Ritterbrüder an, sie brauchten zahlreiches Gesinde für den Ackerbau, weil sie kein Recht auf Inanspruchnahme von Frondiensten hätten - sie mussten den Personalbestand offensichtlich vor der Ordensspitze ebenso rechtfertigen wie das heutzutage Betriebsleitungen vor ihrem Aufsichtsrat tun müssen.

1574 wurden für Langeln 23 Beschäftigte als "Gesinde" angegeben (Lucklum 28, Weddingen 23, Bergen 19, Aken 16-17, Dahnsdorf 8; die Angaben zu Buro und Dommitzsch fehlen, weil die Komture Ernst v. Lattorff und Kardick in Dommitzsch der Visitation ferngeblieben waren).
1591 , siebzehn Jahre später, zwei Jahre nach dem Friedensvertrag von Wernigerode, beschäftigte und ernährte die Kommende Langeln 32 Personen als "Gesinde", in Buro war eine Person mehr, in Lucklum eine Person weniger beschäftigt als 1574, in Weddingen zählte man 20, in Aken 15, in Dahnsdorf 10 Personen.
Vermutlich war die Personalstärke in Bergen am höchsten - Lossow, der inzwischen Bergen zu seinem Hauptsitz als Landkomtur erwählt hatte, machte keine Angabe mit der Begründung,

    weil der herr landkomtur jährlich viel bauet, ist ihm sein gesinde nit aufgeschrieben worden.

Im Orden und bei seinem Landkomtur stand Blanckenburg trotz oder gerade wegen der Querelen mit den Grafen v. Stolberg in hohem Ansehen.

Selbstverständlich nahm er an den Aufschwörungen neu aufgenommener Ritterbrüder der Ballei teil.

Er war als Komtur zu Langeln in der Ballei der zweite Mann und der Stellvertreter des Landkomturs, ohne dass dies schriftlich fixiert werden musste. In einem Schreiben In einem Schreiben an den Grafen Heinrich Georg v. Stolberg nennt Lossow den Komtur zu Langeln seinen mitherrn und bruder.

1574 und 1591 wird in den Visitationsprotokollen bei der Aufzählung der Ordenspersonen der Komtur von Langeln unmittelbar nach dem Landkomtur genannt, und die Reihenfolge bedeutete in solchem Dokument durchaus eine Rangfolge.

1571 reisten Lossow und Blanckenburg zum Deutschmeister nach Mergentheim und erreichten, dass der Graf v. Barby die Aussicht auf die Statthalterschaft in der Ballei Sachsen verlor.

1572 hat der Landkomtur gemeinsam mit Blanckenburg den Komtur Ernst v. Lattorff in das Ordenshaus Buro eingewiesen.

1574 reisten beide erneut zum Deutschmeister. Im Juni 1575 ging in der Ballei Sachsen die Bestallungsurkunde ein, in der den Ritterbrüdern mitgeteilt wird, Johann von Lossow sei zum Balleistatthalter ernannt worden. Aus dem Schreiben geht hervor, dass Blanckenburg dem Deutschmeister die Bitte des Balleikapitels vorgetragen hatte:

    auf das hiervorige ersuchen und bitten, welches herr von Blanckenburg in seinem und euer aller namen wiederholt eräfert und die verordnung und bestätigung des von Lossaw zum statthalter uns forther allerdings anheimgestellt.
Die Bitte wurde gewährt.

Am 18.07.1575 vertraten der Landkomtur und Blanckenburg in Braunschweig die Sache des Ordens in einer Auseinandersetzung mit dem Herzog von Braunschweig über Beschwerden des Ordenshofes in Goslar.

    Letztlich aber ist soviel erhalten, dass zu verhör solcher gebrechen der achtzehnte monats tag Juli nächst verschienen, beraumet und angesetzt. Es hat auch der herr statthalter [Lossow] neben herrn Otten von Blanckenburg und sonsten noch zwei stattlichen von adel und des ordens syndikus [Valentin Krüger] solchen tag besucht, und des ordens beschwerungen vorgetragen, und der fürstliche großvogt und amtmann ihm entschuldigung und warum die schafe genommen wurden, einreden lassen.

1576 ließ sich der Landkomtur auf dem Generalkapitel zu Neckarsulm durch seine Komture Blanckenburg und Peckatell vertreten. Sie brachten von ihrer Winterreise in den Süden die Bestallung Lossows zum Landkomtur mit.


1590 bestätigte der Hoch- und Deutschmeister Maximilian den Vergleich
unserer ballei und komturei land- und komturen, den würdigen und ehrsamen unsern lieben andächtigen Johann von Lossaw und Otten v. Blanckenburg.

So beweisen zahlreiche Belege, dass Blanckenburg nach dem Landkomtur der zweite Mann in der Ordensprovinz war und die besten Aussichten hatte, nach Lossows Ableben Landkomtur zu werden.
Darauf wurde er wohl schon zu Beginn seiner Ordenslaufbahn vorbereitet, als er Hauskomtur in der Kommende Lucklum wurde, dem Sitz des Landkomturs.
Dann wurde er Komtur in Langeln - es war eine vermutlich ungeschriebene Regel, dass die Kommende Langeln om 16. Jh. das sicherste Sprungbrett für die Wahl zum Landkomtur war.

Für den 70 Jahre alten Lossow bedeutete der Austritt Blanckenburgs aus dem Orden eine schwere Enttäuschung.
Die ist nicht zu übersehen in einem Brief an den Ordensoberen vom 09.09.1593 :

    Heut dato ist mir euer ehrwürden und gunsten schreiben, herrn Otten v. Blanckenburg, komtur zu Langlem [Langeln] eides erlassung belangend, wohl zu händen kommen, will mich in dem ganzen werke (ob Gott will) dermaßen verhalten, dass es dem orden unverweislich und unschädlich sein solle.

Der offizielle und öffentliche Grund für Blanckenburgs Abschied vom Orden lag weit im Norden, in der Uckermark.
Sein junger Neffe Henning war gestorben, der letzte männliche Sproß am Hildebrandshäger Ast des Stammbaums. Wir hatten weiter oben schon aus dem Copialbuch der Kommende Langeln zitiert:
1594 .
    Otto von Blanckenburg wird zum ehestand gelassen...

Wir erfahren weder aus den Archivalien des Ordens, noch aus der Leichpredigt des Pfarrers Clement, warum Otto v. Blanckenburg auf eine Karriere im Orden verzichtete und zu den Wurzeln seiner Herkunft zurückkehrte.
War er der Streitereien mit den Grafen v. Stolberg müde? Gefielen ihm die Veränderungen im Orden nicht, weil aus dem Ritterorden eine Versorgungsinstut für den hohen statt für den niederen Adel geworden war? Hatte er Probleme mit der neuen Generation von Ritterbrüdern, mit ihrem Bildungsstand und ihren diplomatischen Fähigkeiten?
Oder lockte ihn nur der sexuelle Notstand ins Ehebett? Denn bei aller Toleranz forderte Landkomtur noch 1594 in seinem Testament Lossow von seinem Nachfolger die strikte Einhaltung des Keuschheitsgelübdes.

Blanckenburg nutzte eines der beiden Schlupflöcher, die es erlaubten, den Orden in Ehren zu verlassen.
Im 15. Kapitel der Statuten des Ordens ( Fassung von 1606 ) wurde bestimmt:
    Aus dem orden zu begehren kann vornehmlich zweier ursachen halber geschehen, die eine ist, da er sich aus diesem orden in einen strengeren geistlichen orden begeben wollte, die andere ursache ist, da einer der letzte seines stammes und namens wäre, also dass das ganze geschlecht allein auf seiner person stünde...

Wenn Blanckenburg den Orden verlassen wollte, war für ihn der frühe Tod seines Neffen Henning ein Geschenk des Himmels.
Freilich musste die Austrittsklausel schöpferisch interpretiert werden. Otto war nämlich nach dem Tode seines Neffen nicht wirklich der letzte seines stammes und namens. Seine Brüder Joachim und Jacob lebten noch.
Die Ordensobrigkeit hätte auch auf Wolfshagen verweisen könne, wo der Name Blanckenburg nicht vom Aussterben bedroht war.
Aber vielleicht war die neue Ordensobrigkeit ganz froh, den streitsüchtigen Komtur loszuwerden.
Dass Lossow über die Trennung nicht froh war, sahen wir schon. Er musste seine Nachfolge neu regeln und hatte die Wahl zwischen dem Teufel Hoyer v. Lauingen, der mit seiner Haushälterin fröhlich und fleißig Nachwuchs zeugte, und dem Beelzebub Henning v. Britzke, der bei einigen der sächsischen Ritterbrüder unbeliebt war und im Ruf stand, seinen persönlichen Vorteil über den des Ordens zu stellen.

Es gibt ein Indiz, dass Lossow und Blanckenburg einander nicht aus den Augen verloren: man darf kaum daran zweifeln, dass beide ihren Leichstein vom selben Magdeburger Künstler anfertigen ließen. Lossow gab einen Stein zwei Jahre vor seinem Ableben in Auftrag, und Blanckenburg vermulich auch schon vor seinem Tode.
Beide starben im selben Jahr 1605.
Dass Lossow im November 1594 sein Testament auch deshalb verfasste, weil er nach dem Weggang Blanckenburgs seinen potenziellen Nachfolgern im Orden nicht recht traute, kann man nur vermuten. Seinen ehemaligen Ritterbruder und Mitherrn Otto hat er im Testament nicht bedacht.

Nach Blanckenburgs Weggang waren durch seinen Nachfolger Lauingen offene Eigentumsfragen zu regeln, die durch Blanckenburgs Käufe und Verkäufe sowie Kreditnahme und -vergabe entstanden waren.
So schrieb am 04.04.1594 nach dem Ableben Margareta Winekens, der Domina des Klosters zu Drübeck, der Propst Michael Hahnemann an den Grafen zu Stolberg wegen der Einlösung einer Wiese zu Langeln, die die Nonnen dem Komtur Otto von Blanckenburg für 300 Gulden verpfändet hatten:

    Auch gnädiger herr kann euer gnaden ich untertänig nicht vorenthalten, dass itztkommende Wholporgen [Walburga] die zeit um, dass dem komtur Otte von Blangkenburgk [Blanckenburg] die 300 florin vor die versetzte wiesen soll wiedergegeben werden, oder würde brief und siegel andern übergeben.
Dem Eilsdorfischen Zehnten waren wir schon früher begegnet. Im Copialbuch der Deutschordens Commende Langeln Nr.2 wurde 1593 vermerkt:
    ... und weil Otto v. Blanckenburg den Eilstorfschen zehnten ex propriis pro [aus seinem Eigentum für] 2000 goldgulden eingelöset, ist derselbe ihm auf 19 jahre dafür verschrieben und verstattet worden, dass er solchen noch 4 Jahr nebst seinen leibeserben genießen sollte.

Als die vier Jahre vergangen waren, wurden die 2.000 Goldgulden an Blanckenburg zurückerstattet.
Die 2.000 Gulden waren ja eine Geldanlage, für die nicht Geldzinsen, wie in der modernen Wirtschaft, sondern der Naturalzehnt gezahlt wurde.
Möglicherweise legte Otto v. Blanckenburg das Geld in der Kirche zu Hildebrandshagen und für seinen Leichstein an.

Hoyer v. Lauingen, Nachfolger Blanckenburgs im Amt des Komturs von Langeln und - wie aus dem diesbezüglichen Dokument hervorgeht - consentierter provinciali comendatore, d.h. designierter Nachfolger Lossows im Amt des Landkomtur, nahm 1598 vom Halberstädter Stiftskanzler Bauermeister für den Zehnten, den er ihm für neun Jahre überließ, eine höhere Summe auf:
    Dieser Eilstorfsche zehnten wird von Hoyern von Lawingen consentiente provinciali comendatore an kanzler Bauermeistern auf 9 jahre für 2250 goldgulden dociert 1598

Anmerkungen

342 LHASA, MD, A51, II. Nr.24 S.32v-53v [Zurück]
343 LHASA, MD, A51, II. Nr.24 S.54r-82v [Zurück]
344 LHASA, MD, A51, II. Nr.46 S.70-73 [Zurück]
345 LHASA, MD, A51, II. Nr.24. S.37r; S.54r ff. [Zurück]
346 LHASA, MD, A51, II. Nr.50. S.04v-05r [Zurück]
347 ÄFERN: wiederholen. [Grimm: DWB] [Zurück]
348 Nds StA 30 A Urk 6 [Zurück]
349 LHASA, MD, A51, II. Nr.50. S.57r [Zurück]
350 Demel 2004 S.39 / DOZA-GK 717/7, fol.35r-36r, GK 702/1 fol.608; Nds StA 30 A Urk 7 [Zurück]
351 Jacobs 1882 S.84f. [Zurück]
352 LHASA, MD, A51, V. Nr.17. S.35r [Zurück]
353 LHASA, MD, H SB-WR HA B101 Fach 08. Nr.67 S.31r [Zurück]
354 Lossows Testament enthält eine Klausel, derzufolge jeder seiner Nachfolger vom Nießbrauch des Erbes ausgeschlossen werden, der ein unzüchtig leben führen, mit unzüchtigen weibern haus hielte, und unrechte kinder mit ihnen erzeugen oder ein eheweib wider des ordens gewohnheit nehmen würde.[LHASA, MD, E, von Lossow, Nr.1] [Zurück]
355 Roth 1886 S.47v [Zurück]
356 1590 wurde Maximilian I. "der Deutschmeister", Erzherzog von Österreich, als Nachfolger Heinrichs von Bobenhausen zum Hoch- und Deutschmeister gewählt. [Noflatscher 1987] [Zurück]
357 Testament Johann v. Lossows. Wernigeröder Fassung. LHASA, MD, E, v. Lossow, Nr. 1 (Wernigerode); LHASA, MD, a 3a XXXII, Nr. 25 Bl.02-16 (Magdeburg); Zahn 1904 (Aken) [Zurück]
358 Jacobs 1877 S.224 [Zurück]
359 LHASA, MD, H SB-WR HA B101 Fach 08. Teil 1. Nr.67. S.31r [Zurück]
360 LHASA, MD, H SB-WR HA B101 Fach 08. Nr.67 S.31r [Zurück]

Alle Rechte der - auch auszugsweisen - Vervielfältigung zum Zweck der kommerziellen Verbreitung beim Verfasser.

Deutscher Orden

Ballei Sachsen im 16. Jh.

Johann v. Lossow

Otto v. Blanckenburg

Nachruhm und Nachlass
1. Kindheit, Jugend, erste Mannesjahre
2. Ritterbruder und Komtur des Deutschen Ordens
2.1. Ottos Aufstieg in der Ballei Sachsen
2.2. Nachbarliche Irrungen
2.3. Die Prozesse des Komturs
2.4. Aus Irrungen wird eine Fehde
2.5. Der Friedensvertrag von Wernigerode 1589
2.6. Ehrenvoller Abschied vom Orden
3. Erbgesessen auf Schlepkow und Hildebrandshagen

Gegenständliche Quellen
Archivalien
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Letzte Änderung 08.09.2007

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