Ernst Herbsts gesammelte Regesten, Urkunden, Texte, Vorträge und Erzählungen zur
Geschichte Atzendorfs


Samuel Benedikt Carsted:

Atzendorfer Chronik (S. 89 - 132)

Zweiter Abschnitt:
Von den Einwohnern, ihrer Lebensart,
ihren Gewohnheiten und besonderen Gebräuchen und Verrichtungen.



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Inhalt, Register Chronik Teil II , Karten Inhalt Inhalt
§§ 1 - 50 Ort und Gebäude Abschnitt 1 Abschnitt 1/
§§ 51 - 87 Einwohner und Gebräuche Abschnitt 2 Abschnitt 2
§§ 88 - 407 Pastoren. Ereignisse.
Schlesische Kriege
Abschnitt 3 Abschnitt 3
Grundstücke und Besitzer, Dorfrichter Anhang Anhang
Sigel, Quellen, Literatur Literatur Literatur


Verfasser der Fußnoten /Anmerkungen: *) Eduard Stegmann / **) Ernst Herbst


§ 51. Von den Bauern oder Ackerleuten.
- Von den Halbspännern.
§ 52. Von den Kossaten.
§ 53. Von den Handwerkern.
§ 54. Von den Arbeitsleuten oder Dreschern.
§ 55. Von den jährlichen Ausgaben insgesamt.
§ 56. Vom Richter und den Geschworenen.
§ 57. Vom Gehalt der Geschworenen.
§ 58. Von der Kleidung der Männer.
§ 59. Von der Tracht der Mannspersonen am Sonntag und auf Reisen. Fortsetzung.
§ 60. Von der Tracht der Schulknaben.
§ 61. Von der Tracht der Mädchen, die zur Schule gehen.
§ 62. Von der Alltags- und der Sonntagstracht der Töchter, die aus der Schule sind, und der Dienstmädchen.
§ 63. Von der Kleidung. Fortsetzung.
§ 64. Von der Kleidung einer Braut.
§ 65. Anmerkung zur Kleidung und ihrer Veränderung.
§ 66. Betrachtung über die neuen Moden.
§ 67. Von den Moden. 1. Fortsetzung.
§ 68. Von den Moden. 2. Fortsetzung.
§ 69. Bei wem man auf dem Lande vor allem mit der Verbesserung der Sitten anfangen müsste.
§ 70. Von der Verbesserung der Sitten. Fortsetzung.
§ 71. Von den Gewohnheiten bei Besuchen.
§ 72. Von den Gewohnheiten bei Besuchen. Fortsetzung.
§ 73. Von den Gewohnheiten beim Gottesdienst und beim Abendmahl.
§ 74. Von den Gewohnheiten bei Kindtaufen.
§ 75. Vom Kindtaufenessen.
§ 76. Vom Kirchgang der Wöchnerinnen.
§ 77. Von Patensemmeln an den Festtagen, den Patengeschenken bei Hochzeiten und der Patenkrone.
§ 78. Von den Hochzeiten.
§ 79. Vom Aufmachen des Brautbetts.
§ 80. Vom zweiten Tag der Hochzeit.
§ 81. Vom dritten und vierten Tag der Hochzeit.
§ 82. Von einer Hirtenhochzeit.
§ 83. Anmerkung über die Hochzeiten.
§ 84. Von den Gewohnheiten bei Todesfällen.
§ 85. Vom Umsingen der Kinder zu Neujahr.
§ 86. Vom Martinsfest.
§ 87. Von der Visitation der Feuerstellen und Küchen.


Zweiter Abschnitt.
Von den Einwohnern, ihrer Lebensart, ihren Gewohnheiten
und besonderen Gebräuchen und Verrichtungen.

§ 51.
Von den Bauern oder Ackerleuten.

Die Einwohner des Dorfes werden in Bauern, Halbspänner, Kossaten, Handwerker und Arbeitsleuten eingeteilt. Unter einem Bauern versteht man hier einen Ackermann, und der muss fünf bis sechs Hufen bei seinem Hofe haben. Wer unter vier Hufen hat, der heißt nur ein Halbspänner. Doch kann er (der Bauer) mehr als sechs Hufen haben, wie es denn hier einige gibt, die sieben bis acht Hufen haben, und nur einen, der vier Hufen besitzt; die meisten haben sechs.
Der Name eines Bauern ist hier ein Ehrenname, man gestattet weder dem Halbspänner noch dem Kossaten, daß sie sich denselben öffentlich beilegen. Die Frau eines Bauern spricht, wenn sie von ihrem Manne redet und sagen will, daß er nicht zu Hause ist: "Mein Mann, der Bauer, ist nicht zu Hause, ich will's dem Bauern sagen, wenn er kommt." Das Gesinde in einem Bauernhof nennt seine Herrschaft "Bauer" und "Frau". Der Richter allein wird hier "Herr" genannt.
Der Bauer tut den ganzen Tag nichts, als dass er bloß nach dem Seinigen sieht und täglich die Schenke besucht. In der Saatzeit sät er selbst sein Korn und in der Ernte banst1 er dasselbe in die Scheune. Alle übrige Arbeit verrichten seine Leute. Sogar wenn er ausfährt, setzt er sich auf den Wagen, und sein Knecht muss fahren.
Bei Vorspann2 und Kriegsfuhren muss er mit vier Pferden fahren, aber es stehen immer zwei Bauern zusammen; jeder gibt zwei Pferde und den Wagen wechselweise, damit doch ein jeder noch zu Hause durch den Enken3 oder Knecht kann pflügen lassen. Denn auch zu Vorspann- und Kriegsfuhren gibt er bloß seine Leute her, er selbst bleibt zu Hause.
Für sein Korn hält er sich einen Hauptdrescher, der jahraus, jahrein mit seiner Frau auf einer Diele4 drischt, und einen Neben- oder Beidrescher, der mit seiner Frau bis Weihnachten, höchstens bis Fasten auf einer anderen Diele gebraucht wird.
An Kontribution5 gibt der Bauer, je nachdem er viel oder wenig Hufen hat, monatlich á 6 Taler.
Was jetzt Kontribution heißt, war vorher Fourage7- oder Reitergeld8, auch noch zu den Zeiten, als die Reiter auf den Dörfern einquartiert wurden. Sie wird alle Monate gegeben. Der Einnehmer, der jährlich gewählt wird, nimmt sie an und liefert sie monatlich zur gesetzten Zeit an die Kammer, für welche Mühe er hier ein gewisses Geld genießt. Statt zwölf Monaten gibt der Bauer hier 13, denn im Dezember wird doppelte Kontribution gegeben. Der 13. heißt der Kreditmonat.
In den jetzigen langen Kriegszeiten sind zwar keine besonderen Gaben gefordert worden, aber die Kreditmonate sind seit ein paar Jahren vermehrt worden, so dass die Bauern oft drei bis vier haben geben müssen. Sie hoffen, dass ihnen dieses in Friedenszeiten vergütet werde.
An Dienstgeld9 gibt der Bauer jährlich 30 bis 40 Taler, dafür ist er von allen Hofdiensten10 frei. Dieses Geld wird quartalsweise oder alle Quatember11 zusammengebracht. Das Amt Egeln bekommt es, es gehört zu seinen baren Gefällen12. Der Richter nimmt es ein und bekommt jährlich zwölf Taler für seine Mühe.
Außer diesem hat der Bauer Erbzins13 und verschiedene Kornpächte in Natura zu geben. Diese Pachte werden um Martini [11.11.] in der Schenke zusammengebracht. Das Domkapitel zu Magdeburg, das Kloster Unser Lieben Frauen daselbst und das Amt Peseckendorf bekommen davon das meiste. Ein jeder muss sie hier abholen, außer einigen kleinen Pachten, die bestimmte Höfe selbst an ihre Pächter bringen müssen.
Der Bauer hat fünf Pferde, dient und fährt aber nur mit vieren, wenn er Vorspann, Bau- oder Kriegsfuhren tun muss, wovon er durch sein Dienstgeld nicht befreit ist. Vorspann und Kriegsfuhren werden ihm von der Kammer taxmäßig zu 3 Groschen die Meile von der Kontribution abgezogen.
Er hat Knecht und Enke sowie zwei oder auch drei Mägde.
Der Knecht, der 20 bis 22 Taler Lohn bekommt, tut weiter nichts, als dass er eine bestimmte Zeit tagsüber pflügt, Häcksel14 für seine Pferde schneidet und während der Ernte die beladenen Wagen bei Mist- und Kornfuhren fährt und das Getreide in Garben lädt und absticht15. Wenn er außer der Ernte seine Arbeit im Pflügen getan hat, ruht er aus. Er hat es also besser als der Bauer in der Mark116, der selbst mit dreschen muss.
Die große Magd17 bekommt 5 Taler Lohn, zwei Paar Schuhe, 15 Ellen Heden18-, 15 Ellen Flachsleinwand, einen Jahrmarkt19 und ein Weihnachtsgeschenk. Sie versieht die Kühe, muss buttern und abscheuern, holt auf Wagen mit dem Knecht das Wickfutter20, schrüpt21 mit der Kleinmagd den Weizen und bladet mit ihr den Kohl22, den sie hernach, wenn er Köpfe hat, entweder allein oder mit der Kleinmagd stampft, solange etwas da ist. In der Ernte harkt sie mit den anderen die Gerste und den Hafer und trudelt23 das Raufutter, brackt [bricht] den Flachs24 mit der Kleinmagd und spinnt im Winter entweder wechselweise Zahl oder täglich ihre Elle. Die Schafe pflegt der Bauer im Winter zu seiner Lust selbst zu füttern, aber wo er es nicht tut, versorgt sie die Melkschafe.
Die Kleinmagd bekommt 3 bis 4 Taler Lohn, zwei Paar Schuhe, zehn Ellen Heden-, 10 Ellen Flachsleinwand, Weihnachten und den Jahrmarkt. Sie füttert die Schweine und das Federvieh, hilft der Großmagd zur Schrüppezeit, beim Kohlfutter und beim Ausmisten, harkt in der Ernte beim Einfahrten der Gerste und des Hafers nach und fährt jedesmal zum Aufladen mit hinaus. Im Winter besorgt sie die Jährlinge25 und güsten Schafe26, wenn es der Bauer nicht tut, brackt27, schlägt28 und spinnt mit den andern.
Wenn kleine Kinder vorhanden sind, hat der Bauer noch ein besonderes Kindermädchen, das sich nur mit den Kindern beschäftigt.
Der Bauer schlachtet jährlich einen Ochsen, der er sich kauft und mit Kohl und Haferschrot fett macht. Aber oft binden einige nur eine alte Kuh vor und mästen diese. Außerdem zwei Speck- und drei Schrotschweine29; für jedes Schrotschwein bestimmt er einen Sack Gerste, für jedes Speckschwein aber einen Wispel30. Allein die Bauersfrau lässt es nicht dabei sein, oft wendet sie noch einmal so viel auf dieses Schweinemästen. Die Schrotschweine werden um Martini [11.11.] und die Speckschweine mit dem Ochsen um Weihnachten geschlachtet. Um Martini schlachtet sie auch ihre Gänse, nachdem sie diese vorher mit Hafer fett gemacht hat, und das, soviel sie groß bekommen hat. Vor der Ernte schlachtet er noch ein Schwein, das er etwas fett gemacht hat, und nach der Ernte alte Schafe, wenn sie fett sind, oder wohl auch einen Hammel31. Alle Kälber von Erstlingen32 verzehrt er selbst, Enten, Hühner und Tauben jährlich in ziemlicher Menge.
Kurz, der Bauer lebt hier wie ein Edelmann, der Knecht wie ein Bauer, und der Enke wie ein Knecht. In Lebensart und Aufwand ist hier zwischen dem Bauer und dem Halbspänner kein Unterschied.

Von den Halbspännern.
Ein Halbspänner heißt auch Spitzspänner, weil er, wenn er nur mit drei Pferden hantiert, das eine vorn an die Linie33 zu spannen pflegt.
Die jetzigen Halbspänner, ihrer Zahl nach neun, haben alle vier Pferde, und die von der Schnockschen Familie wohl wegen des freien Ackers fünf.
Der großen Morgenzahl34 wegen haben sie für vier Pferde Arbeit. Zum Vorspann geben sie nur ein Pferd, wenn die Bauer zwei geben muss, und so auch an Kontribution und Dienstgeld weniger. Dies macht, dass sie sich Halbspänner nennen, sobald etwas zu geben oder zu fahren ist, sonst hält der Halbspänner so viel Leute wie der Bauer und tut so wenig wie jener.

§ 52.
Von den Kossaten.
Ein Cothsasse [Kossat] hat ohne Zweifel seinen Nahmen von einer Kote, d.h. einem kleinen Hause, und es ist hier leichter zu bestimmen, woher der Name gekommen, als in der Mark, wo sie Koßäter genannt werden.
Diese Kossaten sind hier von verschiedener Gattung. Einige haben soviel Acker, daß sie zwei Pferde darauf halten können; andere halten nur eins, und die, welche auf der Breite wohnen und nur 1/2 Hufe oder 1/4 Hufe haben, lassen ihren Acker für Geld pflügen.
Die Kossaten, die Pferde haben, halten keinen Knecht, oft nicht einmal einen Jungen. Wenn sie Kinder haben, so müssen diese ihre Pferde im Frühjahr, bevor das Wickfutter zu gebrauchen ist, auf den Grasestrichen hüten, wobei sie aber anliegende Felder mitzunehmen pflegen. Sie halten auch selten Mägde, es sei denn, daß sie zur Wartung des Kindes eine Kindermagd nötig hätten.
Bei diesen Kossaten, besonders denen, die auf der Breite35 wohnen, mieten sich zugleich die Handwerksleute und Drescher ein.
Der Mietsmann bekommt eine eigene Kammer und geht im Winter mit in die Kossatenstube, die er wochenweise mit dem Wirt und übrigen Mietsleuten heizen muss. Auf den Hof setzt der Mietsmann seinen tragbaren Schweinekoben, im Hof legt er zugleich Platz für seine Gänse und über demselben einen Stall für ein paar Hühner an.
Der Kossaten sind hier36. Wenn sie alle dreschen und in der Ernte ihr Korn mähen würden, so wäre zwischen ihnen und einem märkischen Bauern kein Unterschied; aber sie halten Mäher, wenn sie zwei Pferde, und Drescher, wenn sie zwei Hufen Acker besitzen. Diejenigen, welche keine Pferde halten können, bringen ihr Korn selber ein und dreschen es auch. An Vieh haben diese eine oder zwei, jene drei bis vier Kühe und so auch nach Proportion Schafe und Schweine. Gänse halten sie soviel, als sie von einem Paar alte auskriegen.
Die kleinen Kossaten können zwar nicht wie die Bauern und Halbspänner die Schenke besuchen und des Tages müßig gehen, haben aber doch fast mehr Ruhe als die, welche mit ihren zwei Pferden als Knecht und Enke arbeiten.
Ihre Abgaben geben sie nach der Zahl ihrer Äcker. So können alle Kossaten, wenn sie nur nicht das Ihrige versäumen oder als Bauer leben wollen, gar wohl zurecht kommen und auch noch etwas übrig haben.

§ 53.
Von den Handwerkern.

Die Handwerksleute sind ein Bader, Schuster, Schneider, Leineweber, Maurer, auch ein Stellmacher, ein Sattler, ein Borcker [Gerber]. Obgleich sie alle von ihrem Handwerk leben könnten, lassen sie doch vor der Ernte alles liegen und bringen bei den Bauern Roggen und Weizen gleich den Dreschern ein und verdienen sich dadurch das Brotkorn und das Stroh zum Heizen beinahe für das ganze Jahr. Sie bekommen wie andere die 10. Stiege36 von dem, was sie abbringen; sie pflegen auch zum Teil nach der Ernte wohl vier Wochen lang noch mitzudreschen und schaffen sich durch diesen Fleiß gute Tage im Winter.
Sie wohnen größtenteils zur Miete, schlachten sich Schweine und Gänse, auch wohl ein Rind oder einen Ochsen, die sie sich vom Zerbster oder Neustädter Markt aus Magdeburg zu holen pflegen.
Wenn sie dem Amt ihren Nahrungstaler gegeben und die Nachbarrechte37 in der Gemeinde mit verrichtet haben, so sind sie frei von allen anderen Abgaben und können wohl leben und zurechtkommen.
Es gibt hier auch verschiedene Schlächter, die das Schlachten ordentlich gelernt haben. Das sind aber meistenteils Kossaten oder solche, die schon als Leineweber oder Maurer ein Handwerk treiben. Um die Schlachtezeit von Martini [11.11.] bis Weihnachten lassen sie alles liegen und treiben das Schlachten, womit sie sich Geld und Würste zur Genüge verdienen können. Solchen Schlächter gibt es hier verschiedene, und keiner bereut, dass er das gelernt hat; gleichwohl entschließt sich keiner von ihnen, wieder einen Fleischscharren38 anzulegen, wie es doch vor alter Zeit hier gehalten worden ist.

§ 54. Von den Arbeitsleuten oder Dreschern.

Die Arbeitsleute sind hier die Drescher; jeder Bauer hat deren zwei, die großen Kossat en aber nur einen. Der Hauptdrescher wird dadurch angezeigt, wenn man ihm sagt, dass er die Dehle [Diele] oder Dreschdiele haben soll. Diese drischt er mit seiner Frau beständig fort. Der Beidrescher bekommt mit seiner Frau eine Nebendiele bis Weihnachten, dann hört er entweder auf oder beide Drescher verrichten ihre Arbeit auf einer Diele ohne Weiber und teilen sich in den 15. Scheffel, den sie bekommen.
Diese Arbeitsleute bringen in der Ernte den Roggen und Weizen für den zehnte Stieg ein und verdienen sich dadurch einen schönen Lohn. Dieser wird ihnen von den Bauern eingefahren; sie legen den Verdienst in besondere kleine Scheunen, wo sie als Scheunenzinsen entweder das Futter oder 2 Groschen für jedes Schock geben. Die Gerste und der Hafer und das Raufutter werden von den Mähern eingebracht, die aus Sachsen oder dem Harz kommen. Diese werden nach Mäherhufen, die Hufe zu 10 Morgen, bezahlt, und wenn sie diese verdient haben, kehren sie zurück und kommen doch noch mehr als acht Tage in ihrer Heimat an, bevor ihre eigene Ernte beginnt.
Der Beidrescher, wenn er nichts mehr zu dreschen hat, geht hin und fängt Hamster, deren Fett viele zu brennen anfangen, wenn es die andern des Gestanks wegen dulden wollen. Desto besser aber wird er seine Felle los. Wer glücklich beim Fang ist, kriegt oft 1/2 Schock [30 Stück] an einem Tag. Dies macht, dass sich nach der Ernte viele auf das Hamsterkorngraben und endlich auf den Fang legen und sehr ungern dreschen.
Der beste Hamsterfang, wo die Felle am meisten gelten, ist im Frühjahr nach dem Winter. Früher galt das Schock [60 Stück] 1 Taler39 12 Groschen, jetzt gilt es 4 bis 5 Taler. Die Felle werden häufig von den Kürschnern hier herum gesucht.
Die Drescher müssen zwar einen Eid schwören, dass sie alles, was sie fangen, töten wollen, aber sie kehren sich so wenig wie die Leute in den Städten an einen Eid, dessen Erfüllung ihnen Schaden bringt. Daher lassen sie besonders im Frühjahr alle Weiblein von den Hamstern leben, welche zu töten sie doch vor allem verpflichtet sind.
Die Arbeitsleute haben keine eigenen Häuser, sondern wohnen bei den kleinen Kossaten zur Miete. Ein jeder mietet ein und bezieht um Michaelis [29.09.] seine eigene Kammer; Stuben verlangen sie nicht besonders zu haben. Im Winter gehen alle Mietsleute in eine Stube; da hat jede Familie ihren Tisch, brennt ihre eigene Lampe und heizt im Winter wochenweise mit den andern mit dem Stroh, das sie in der Ernte verdient haben, oder mit Schütte, obwohl sie die Schütte (das sind die Stoppeln), die sie im Frühjahr vom Acker harken und in große Haufen zusammenlegen, lieber zum Eingruden40 als zum Heizen nutzen. Auch sammeln sie zur Feuerung die Kohlstrünke vom Kohlacker, drocken [trocknen] sie und kochen im Sommer damit.
Am Morgen geht der Mann zu seiner Dreschdiele, die Frau macht indessen das Bett, beschickt [versorgt] die Kinder und folgt dann ihrem Mann und bringt ihm das Morgenbrot [Frühstück], wie später auch das vierte Mahl41. Der Mann kommt um 11, isst, und um 12, spätestens halb eins geht er wieder zur Diele. Die Frau folgt sobald wie möglich und nimmt ihm das vierte Mahl mit. Gegen Abend geht sie zuerst von der Arbeit, beschickt [besorgt] das ihre und spinnt am Abend.
An Vieh halten die Drescher so viel Gänse wie sie auskriegen [ausgebrütet und großgezogen bekommen?]. Die jagen sie dann mit zum Gänsehirten. Dadurch bekommen sie Federn für Betten und Fleisch zum Essen im Winter. Vor allem aber sind sie besorgt, dass sie zu Martini [11.11.] bei ihrem Gänseschlachten auch ein paar Schrotschweine schlachten können. Um Weihnachten kaufen sie ein paar Ferkel; diese füttern sie sehr gut und erhalten durch diese gute Abwartung [Pflege] trefflich schöne Schrotschweine. Auf dem Hof hat er seinen Koben, so dass man aus der Anzahl transportabler Schweinekoben gleich sehen kann, wieviel Mietsleute in einem Hause wohnen. Im Winter kann man es an der Anzahl Lampen sehen, die des Abends in einer Stube brennen. Außer einigen Hühnern darf der Drescher kein Vieh halten.
Den Mist, den er in seinem Koben macht, sammelt er gesondert und verkauft ihn an seinen Wirt oder an seinen Bauern, bei dem er drischt. Wenn die ihn nicht wollen, wird er ihm gleich von andern abgekauft.
Dem Amt geben sie im Jahr einen Taler Nahrungsgeld, und im Winter müssen immer zwei Männer des nachts wachen und im Dorf herumgehen. Sie tun daneben auch Nachbardienste42, doch so, dass erst die kleinen Kossaten, die keine Pferde haben, zwei Mal herum dienen. Dass dritte Mal aber gehen alle Drescher und Handwerker nach ihrer Ordnung mit.
Es gibt unter diesen Dreschern ganz ordentliche Leute, die es zu etwas bringen, und ihres Fleißes und ihrer Ordnung wegen mehr besitzen als mancher kleine Kossat.
Alle Jahre gegen Pfingsten oder wohl schon um Ostern halten sie bei ihren Bauern wieder um die Diele und um das Abbringen des Korns an. Wenn sie der Bauer nicht behalten will, bemühen sie sich um eine andere Diele und der Bauer um einen andern Drescher, und sie trennen sich vor der Ernte.

§ 55.
Von den jährlichen Abgaben insgesamt.


Ohne diese Handwerker und Arbeitsleute besteht die Gemeinde aus 18 Bauern, 9 Halbspännern und 36 Kossaten. Diese geben dem König jetzt an Kontribution für 12 Monate und den Kreditmonat jährlich . . . . . Und Dienstgeld jährlich . . . . .43

§ 56.
Vom Richter und den Geschworenen.

Über die Gemeinde ist ein Richter gesetzt. Der hat zu seinem Beistand vier Schöppen unter sich. Das königliche Amt Egeln wählt die Schöppen und ernennt aus ihnen nach Belieben den Richter und beeidet sie sämtlich.
Alle Donnerstage muss einer von diesen fünf, die Geschworene heißen, bei dem Gerichtstag in Egeln sein, darunter der Richter selbst alle vierzehn Tage.
An ihn kommen die Befehle vom Amt und auch vom Landrat, die er vor der Schenke oder in der Schenke bekannt macht. Um Martini [11.11.] nimmt er dort auch das Pachtkorn in Empfang, schlägt dem Amte jährlich den Bauermeister, der die Gemeinderechnung zu führen hat, und auch den Einnehmer vor, der die Kontribution einnimmt und nach Magdeburg bringt.
Er besorgt am Gerichtstag das Essen, mietet und bestätigt die Hirten und den Dorfknecht und befiehlt, was gebaut und gebessert werden soll.
Er überlegt das alles zwar mit seinen vier Schöppen, hat aber die Macht, es auf sein Gewissen ohne ihre Zustimmung zu tun. Durch das viele Fragen wird die Sache nur verzögert, verwirrt und schwerer gemacht. Zuletzt tun sie doch, was er ihnen zuerst vorgeschlagen hat.
Er ist der einzige, dem der Landrat und die Obrigkeit den Namen "Herr" beilegt, und wird "er" genannt.

§ 57.
Vom Gehalt der Geschworenen.

Das Gehalt der Geschworenen ist gering und ihnen erst vor zehn Jahren [1751/52] bei der Schwachheit des alten Richters Hans Reusemacher44 bewilligt worden. Zuvor bekamen die Schöppen gar nichts. Sie zehrten bloß auf Kosten der Gemeinde, wenn sie zusammenkamen und etwas beschließen oder ausmachen sollten. Dies geschieht noch.
Dazu bekommt jeder Schöppe jährlich drei Taler.
Der Richter bekommt für das Einnehmen des Dienstgeldes 24 Taler. Die Mahlzeit am Gerichtstage wird ihm mit sechs Talern bezahlt. Sie kostet ihn aber jährlich gewiss das Doppelte. Er hat die Hälfte des Vorspanns frei, wenn er Bauer ist, und wenn er nur ein Halbspänner ist, so ist er hiervon ganz frei. Er streut den Hirtenstall und -hof am jenem45 Tore. Seine Reisen für die Gemeinde werden sowohl ihm als auch den Schöppen bezahlt.
Der Einnehmer hat jährlich 28 Taler, der Bauermeister aber nur einen Taler, denn der Kantor muss die Gemeinderechnung machen, und der Krüger hat den größten Teil der Ausgaben, die er als Bargeld in einer Rechnung oder einem Aufsatz vorlegt, wenn er seine Pacht46 geben muss. Beide, Einnehmer und Bauermeister, werden am Gerichtstage bewirtet.

§ 58.
Von der Kleidung der Männer
47.

Die Kleidung der Männer hat sich hier seit 50 Jahren sehr verändert48 sowohl in Ansehen der Farbe als auch der Form. Es gibt Leute, die mir noch jetzt versichern, daß sie sich noch sehr wohl besinnen könnten, daß ihre Vorfahren, besonders die damaligen Alten, durchgängig ein rotes kurzes Kamisol94 ohne Brusttuch und Latz täglich getragen hätten, das nur bis auf die Hosen gegangen sei, mit grünen Litzen besetzt gewesen wäre und grüne Knopflöcher gehabt habe. Der Richter Curt Schnock50 sei der erste gewesen, der seiner beiden großen Bauernhöfe wegen, die ihn hochmütig gemacht hätten, eine neue Tracht angelegt habe, der aber die anderen Bauern, um ihm nichts nachzustehen, gleich nachgefolgt seien.
Diese Tracht besteht nun aus einem weit über die Knie heruntergehenden braunen, von ihnen so genannten Futterhemd51 von feinem Tuch, ohne Falte, ohne Tasche und ohne Aufschläge. Wenn es nicht so sehr lang wäre, so hätte es fast die Form einer Weste. An den Ärmeln dieses Futterhemdes haben sie sechs Knöpfe in einer Reihe sitzen, die fast bis an den Ellenbogen heran gehen. Inwendig im Futter haben sie eine Tasche. Unter diesem Futterhemd haben sie ein Brusttuch52, welches sie Latz nennen, von allerlei Farben, ohne Ärmel und so kurz, daß er nur auf den Hosenquerl53 geht, und ohne Tasche. Was also das Futterhemd zu lang, das ist dieser Latz zu kurz.
Seit 20 Jahren haben sie mit der Farbe wieder eine Veränderung vorgenommen. In Förderstedt fing ein junger Bauer an, sich ein bläuliches Futterhemd machen zu lassen. Die jungen Burschen hier folgten ihnen sogleich, daher sieht man jetzt nur die alten mit braunen Futterhemden, die Jungen gehen aber schon nur noch in blauen. Dies ist ihre Alltagstracht. Sie knöpfen das Futterhemd etwas unter der Mitte mit ein paar Knöpfen zu und gehen so den ganzen Tag auf den Hof, in die Schenke und auf das Feld. Die Knechte gehen ebenso und sind deshalb von den jungen Bauern nicht zu unterscheiden. Selbst die Enken haben und tragen täglich ein Latz und ein blaues Futterhemd und wie alle andern Lederhosen und graue oder auch weiße Strümpfe.

§ 59.
Von der Tracht der Mannspersonen am Sonntag und auf Reisen.
Fortsetzung.

Des Sonntags ziehen die Mannspersonen über dies lange Futterhemd einen ebenso langen schwarzen oder schwarzgrauen Rock mit Aufschlägen, rot gefüttert und mit großen schwarzen gesponnenen oder knöchernen Knöpfen, und weil sie früher gewohnt gewesen sind, einen schwarzen Hut zu tragen, so haben sie nun einen aufgestutzten mit drei Krempen, aber ohne Knopf. Die breite Seite setzen sie nach vorn, damit die Hutschnalle zu sehen sei; sie binden ein halbseidenes gelbes Halstuch oder schwarzen Florum, knöpfen den schwarzen Rock von unter halb zu, ziehen gelbe Handschuhe mit gelben Stulpen an und gehen so in die Kirche, ohne etwas in der Hand zu haben. Ihre Bücher liegen schon in ihren Stühlen. Ihre Schuhe sind nach der Mode gemacht und alle zugeschnallt, und die Stiefel, die sie im Winter tragen, sind so schön, wie sie nur in der Stadt gemacht werden können.
In diesem Sonntagshabit verreisen sie auch, außer dass sie alsdann unter den Hut noch eine Pelzmütze54 setzen und einen Stock in die Hand nehmen. Jetzt fangen schon einige an, sich auf Reisen der Roqueleurs55 zu bedienen.
Die Knechte und 5Enken gehen mit dem schwarzen Rock nicht alle Sonntage zur Kirche, sondern nur an den Festtagen und wenn sie kommunizieren [am Abendmahl teilnehmen]; sonst bloß in einem blauen Futterhemd mit buntem Latz und neuem Hut

§ 60.
Von der Tracht der Schulknaben.

Diese haben alle nur ein Futterhemd, sehr lang, ohne Tasche, ohne Falten, sechs Knöpfe von weißem Zinn an der Seite der Ärmel: alle von blauem Tuch, rot gefüttert und einen Latz darunter; lederne Hosen, blaue Strümpfe, zugeschnallte Schuhe, ein Hut ohne Knopf mit drei Krempen wie ihre Väter.
Des Sonntags erscheinen sie auf eben diesem Fuß, nur mit neuen Kleidern und Schuhen.
Im Sommer laufen alle Knaben und alle Mädchen barfuß oder haben doch alle ohne Ausnahme keine Strümpfe, wohl aber Schuhe oder Pantoffeln an.
Die Knaben, die noch in langen Röcken laufen, zerreißen vor ihren Schuljahren ihre Patenröcke besonders sonntags. Diese bestehen aus blauem Etamin56, vorn herunter mit gelben Knöpfen und gelben Schnüren besetzt. Auf dem Ärmel haben sie einen kleinen preußischen Aufschlag57, mit Schnüren besetzt; eine Mütze, daran an der Seite eine große Rose aus Band, oder ein Hut mit einer unechten Tresse58, oder, wenn sie noch auf dem Arm getragen werden, ein schwrzsamtener Fellhut und ein Schnürleib mit einem gestreiften calamancnen59 Rock.

§ 61.
Von der Tracht der Mädchen, die zur Schule gehen.

Die Mädchen, die in die Schule gehen, tragen alle schwarze Mützen ohne Untermützen, ein Mieder von allerlei Farbe und rote Friesröcke mit blauen Schürzen. Im Sommer gehen sie alle in leinenen Ärmeln und ohne Strümpfe, barfuß oder in Schuhen und Pantoffeln. Diese Mode, im Sommer ohne Strümpfe zu gehen, ist ganz allgemein. Alle Bauersfrauen haben im Sommer Pantoffeln oder Schuhe, aber keine Strümpfe. Die Kinder haben um den Hals eine Schnur Krallen [Perlen] von Bernstein und im Winter ein Halstuch, auch ein Kamisol mit Ärmeln an. Des Sonntags gehen sie geputzt. Auf ihren Mützen, die zum Teil von Damast sind, haben sie schwarze Seidenbordeln mit einer Untermütze, neue Korallen von Bernstein mit einem großen Quast60 von rotem oder violettem Band, hinten zugemacht; im Sommer ein feines Halshemd61 mit Spitzen und vorn mit roter Seide ausgenähnt. Damit diese Halshemden recht zu sehen sind, haben sie nur ein halbseidenes Mieder an, einen violetten Chagrinrock62 , rote oder blaue Strümpfe und Schuhe mit Schnallen.

§ 62.
Von der Alltags- und Sonntagstracht der Töchter, die aus der Schule sind, und der Dienstmädchen.

Wenn sie die Schule verlassen, vermehren sie ihren Kleiderstaat besonders für den Sonntag und bekommen von den Eltern jährlich ein Stück nach dem andern, und die Mägde verwenden ihren Lohn darauf. An den Werckeltagen [Werktagen] geht alles in schwarzen Mützen ohne Untermütze, Mieder, Lurjacke63, rotem Friesrock und blauen Schürzen. Des Sonntags aber und besonders an den Festtagen lassen sie ihren Stolz und Staat sehen; der besteht jetzt in seidenen, stoffenen oder samtenen Mützen mit goldenen Litzen mit und ohne seidene Borten, aber mit Backen64 , nach der Moder gemacht.
Von den abscheulich großen Bernsteinkrallen sind hier die größten und klarsten, die lotweise verkauft werden, die prächtigsten; oft kostet eine Schnur 8 Taler. Ferner besteht ihr Staat aus feinen leinenen, an den Ärmeln ausgenähten Halshemden, seidenen Miedern oder damastenen Kamisolen und kostbar ausgenähten Halstüchern, in halbseidenen Röcken, feinen nesseltuchenen Schürzen samtenen, vorn mit Gold bestickten Handmuffen65 ; wenn es Winter ist, rote gewebte Strümpfe, schwarze Korduanschuhe66 mit Schnalle.
Das ist so der vornehmste Staat der Bauerntöchter und jungen Frauen in der Kirche. Ich will noch etwas von ihrer Tracht an Festtagen berichten.

§ 63§ 63.
Von der Kleidung.
Fortsetzung.

Am ersten Tag an einem von den drei Hauptfesten gehen alle Weibsleute schwarz mit weißen Schürzen so, wie sie zum heiligen Abendmahl zu gehen pflegen. Die Kinder pflegen am ersten Tag nicht zu kommen; wenn sie aber kommen, gehen sie wie die andern schwarz.
Am zweiten Tag zeigen sie ihren neuen Staat und ziehen die besten Kleider an.
Töchter und Mägde erscheinen in bunten Mützen mit seidenen Borten, gewöhnlich ohne Halstuch, im Sommer ohne Wams, in seidenen oder halbseidenen Miedern und leinenen Ärmeln, unter welchen sie kalmankene Ärmel haben, die ganz eng und unten an der Hand zugebunden sind. Diese tragen sie auf dem bloßen Leib. Dabei haben sie viele Röcke an; der oberste ist von Charse67 , weiße, blaue und rote Strümpfe, Korduan oder lederne Schuhe mit Schnallen.
Die jungen Weiber tragen an diesem Tag eine Samtmütze mit einer goldenen Litze, ein ausgenähtes Halstuch, große Korallen, einen halbseidenen Rock, eine weiße Schürze, rote Strümpfe und Korduanschuhe, die zum Teil mit Band besetzt sind.
Am dritten Festtag gehen sie wie sonntags.
Die ledigen Weibsleute kommen alle in neuen roten Friesröcken, die unten mit grünem Band eingefasst sind, blauen Schürzen, deren Querl68 ausgenäht ist, Halshemden mit großen weiten Ärmeln und ohne Untermütze.
Die alten Frauen bleiben ein- für allemal bei ihrer schwarzen Tracht69 ; es mag Sonntag oder Festtag sein. Ihr Halstuch wird ins Kreuz und um den Hals so gelegt, dass die beiden Zipfel eine Hand breit voneinander in gerader Länge herab an das Wams angesteckt werden. An ihren Wämsen haben sie keine Schöße; diese sind erst seit einigen Jahren aufgekommen und jetzt nur bei den jungen Leuten in Gebrauch. Ihre Mützen ist nach alter Art gemacht, sie geht gleich an den Ohren weg und hat hinten einen großen Beutel70. Sie ist recht gemacht, das menschliche Gesicht zu verunstalten. Unter dem Arm tragen sie ein großes Gesangbuch oder die Bibel, und wenn sie kein Buch haben, gehen sie wie die andern mit auf einen dicken Wulst gelegten Ärmeln und herabhängenden Händen zur Kirche.
Überhaupt haben die meisten so viele Röcke übereinander, die alle voller Falten sind, dass es ein Wunder ist, dass sie darin gehen können.
Die ganze Tracht der Weiber fängt jetzt an, eine andere und klügere Gestalt zu bekommen. Man ändert bereits die wunderlichen Mützen, macht Schöße an die Kamisole, und die Kinder lassen die greulichen großen Krallen [Korallen]71 gern gegen Wachsperlen fahren.

§ 64.
Von der Kleidung einer Braut.

Ich muss noch die Kleidung an den Ehren- oder Hochzeitstagen beschreiben; ich wähle dazu die Kleidung der Braut, die eine Bauerntochter ist. Denn der Bräutigam hat, außer dass seine Kleidung neu ist, kein anderes Kennzeichen, als dass er auf dem Futterhemd einen vergoldeten Strauß oder ein Bouquet von Muskatnüssen72 befestigt und am Tage der Trauung zum Zeichen, dass er noch unverheiratet oder ledig ist, an der Hand einen Kranz von Rosmarin73 trägt.
Die Tochter eines großen Bauern aber geht in der Brautzeit alle drei Sonntage, an denen sie aufgeboten74 wird, zur Kirche. Sie muss jedesmal von Haupt bis Fuß neu eingekleidet sein. Am ersten Sonntag des Aufgebots erscheint sie mit einem kleinen Kranz. Die Haare sind jetzt glatt an den Kopf gestrichen, während sie früher auf eine recht abgeschmackte Weise mit goldenen Tressen an den Ohren am Kopf so in die Höhe gebunden wurden, dass gar kein Haar zu sehen war. Oben drauf befestigten sie dann einen Kranz75.
Dieser Gebrauch kommt jetzt in Verachtung. Die Braut bindet ihre Haare in die Höhe und ziert sie mit Bouquets an den Seiten, bindet ganz neue, große, glänzende Korallen aus Bernstein um den Hals, statt des Halstuchs ist das Halshemd mit Spitzen besetzt, sie zeiht ein braun- oder gelbseidenes Wams an; der Roch ist aus braunem Chapren76, die Schürze aus weißem Nesseltuch, die Strümpfe sind rot, die Schuhe von Korduan [Ziegenleder] mit Schnallen und zuweilen mit Band besetzt.
Am zweiten Sonntag ist wenig Veränderung. nur Wams und Rock sind von anderer Farbe, und alles muss wieder neu sein.
Am dritten Sonntag geht sie zum heiligen Abendmahl und erscheint schwarz, wie am Tage der Trauung. Das Wams pflegt jetzt aus schwarzem Damast zu sein.
Beim Aufgebot trägt sie einen Kranz von Myrten, bei der Trauung einen von Rosmarin.

§ 65.
Anmerkung zur Kleidung und ihrer Veränderung.

Wenn man den Menschen nach seiner äußeren Tracht beurteilen wollte, würde man sich betrügen. Anfangs glaubte ich, dass besonders bei den alten Weibern die Verleugnung alles Irdischen und die wahre Demut ihren Sitz haben müssten; ihre Tracht betrog mich, sie war so einfältig und abgeschmackt, dass ich glauben musste, man wolle nur in der Welt verachtet werden.
Der erste Streit, den ein paar alte Weiber miteinander anfingen, öffnete mir die Augen. Ich sah, dass sie unter dieser alten Tracht ein in der Sünde alt gewordenes und abgehärtetes Herz verwahrten. Alles, was der Neid Boshaftes an sich hat, strömte aus ihrem Mund. Giftige Worte, Verleumdung, Lästerungen, Drohungen, die sie gegeneinander ausspien, erregten das ganze Dorf; jeder wiederholte das Gehörte mit Zusätzen, und die Geschichte ging so lange im Dorf von Haus zu Haus herum, bis sie alt geworden war. Zuletzt wusste man nicht mehr, was daran wahr oder falsch sein mochte. Man vergaß ihren Zank, jedoch die zänkischen Weiber taten es nicht. Sie warfen einen Hass aufeinander und scheuten sich nicht zu sagen, dass sie es einander in Ewigkeit nicht vergeben würden.
Großer Gott! Was sind das für Menschen! Ihr seid die rechten Scheusale der Welt. Eure Tracht ist hässlich, euer Gesicht runzlig und eure Aufführung abscheulich. Im Alter genießt ihr die Vorzüge nicht, die die Natur dem männlichen Geschlecht zuteilt. Ein alter Greis hat gleichwohl ein ehrwürdiges Aussehen; wenn eine alte Frau das erhalten und erträglich bleiben will, muss sie sich in ihren Kleidern ordentlich und reinlich halten; hat sie ein gutes, frommes Herz, dann weiß sie mit Verstand zur rechten Zeit zu sagen, was sie erfahren hat, und hütet sie sich vor dem Dreschen, Lästern und Verleumden, so ist sie liebenswert und auch im höchsten Alter zu verehren.
Wer sein Herz vor dem Stolz bewahrt, den werden die äußeren Kleider nie schlimmer machen, aber auch nicht innerlich bessern.

§ 66.
Betrachtung über die neuen Moden.

Weil die Menschen veränderlich sind und so schwach, dass sie ohne Prüfung gleich an Kleidung annehmen, was ein unbeständiger Franzose für schön und anständig ausgibt, muss man sich billig wundern, wenn man auf dem Lande noch die alte Kleidung der Väter antrifft. Wenn dies ein gesetztes Wesen anzeigte, wäre es eine Tugend, aber die alte Landtracht ist eine Frucht der Furcht. Wer hier etwas Neues anzieht, der wird ausgelacht; man tadelt ihn öffentlich, aber bald sieht man, dass jedermann das Neue mitmacht, und dann ist es Mode. Trotzdem muss doch der erste Verbesserer oder Einführer neuer Moden ein Märtyrer werden; es hält deshalb auch schwer, etwas Gutes und Nützliches auf dem Lande einzuführen.
Ich will erzählen, was ich hier mit der veränderten Mode erlebt habe.
Mit Recht tadelte man hier die Mützen, die von den Frauensleuten getragen wurden. Die Frauen verunstalteten dadurch vorsätzlich ihr Gesicht; sie wussten es, aber keiner wollte den Anfang machen, die Mützen zu verbessern. Man fing bei den Kindern an, und schließlich wurde die neue Backenmütze eine Kindertracht; bald darauf wagte es eine Frau und ließ sich selber eine solche Mütze machen, und nun musste sie das Urteil des ganzen Dorfes ertragen. Jedermann redete von ihr, jedermann tadelte sie und schalt auf sie. Das fruchtete so viel, dass binnen vier Wochen es noch eine wagte, mit einer neuen Mütze zu erscheinen. Die wird nun gewiss von den anderen den Staupbesen77 gekriegt haben? Nichts weniger; es erfolgte das Gegenteil. Die Bosheit und der Neid hatten sich schon an der ersten erschöpft und müde geschwatzt. Bei der zweiten hieß es: "Die will sich auch was sehen lassen; ich kann genausoviel dafür aufwenden, aber ich will nicht, ich will bei meiner alten Mode sterben." Man sah die zweite Mütze noch einmal und noch einmal, vergaß den Tod und machte die Mütze nach, und so sind 1760 die Backenmützen hier Mode geworden.

§ 67.
Von den Moden.
1. Fortsetzung.

Diese Veränderung der Mützen ist nicht so vorteilhaft wie die Abschaffung der großen und tgeuren Korallen von Bernstein, die nur ein häßlicher Streit waren. Weil sie 8 bis 11 Taler kosteten, hielten sich ein ganzes Jahrn länger als die Mützen, bevor sie sich wankend machen ließen. Man liebt sie auf dem Lande, weil sie nteuer sind, weil die Dienstmägde sie nicht bezahklen könnenn und so der Bauersfrau etwas vorauslassen müssen.
Denken die Leute auf dem Lande nicht ebenso wie die in den Städten? Königliche Räte und Bediente ärgerten sich, wenn herrschaftliche Bediente und Lakaien silberne Schuschnallen trugen. Sie ließen sich große und viereckige machen; mit einem mal wurden alle runden Schuschnallen in viereckige verwandelt. Dann ließ man sie mit Diamanten besetzen. Nun musste doch wohl der Unterschied zwischen Herr und Knecht bleiben und in die Augen fallen? Nein, die Geringeren nahmen böhmische Steine78 und äfften die Großen so vollkommen nach, dass diese sich schließlich aus Verdruss entschlossen, alle silbernen Schuhschnallen abzuschaffen und stattdessen ganz kleine glatte goldene Schnallen zu tragen. Die Großen haben diese noch für sich allein, weil sie nicht in ie Augen fallen. Der Pöbel liebt nur das Glänzende; wenn ihm einfallen wird, die Großen wieder zu ärgern, wird der Tombak79 so zu Schuhschnallen gewählt werden, wie er jetzt bei den meisten Taschenuhren das Gold vorstellt.
Man lasse seine Verdienste und Tigenden, die Menschenliebe, Gottesfurcht und Barmheerzigkeit glänzen, sonist man allezeit über den Pöbel erhöht. Ein tugendhafte Christ hat keinen Ärger von dieser Art, sondern Mitleit mit den Affen, die alles nachmachen, undmit denen, die es nicht leiden wollen und es doch nicht verhindern können.

§ 68.
Von den Moden.

2. Fortsetzung.

Ich komme wieder auf die großen Korallen der Landleute zurück; ich redete über sie mit Verachtung, denn ich wollte dem Missbrauch steuern, als ich erfuhr, dass eine Dienstmagd ihren ganzen Jahreslohn genommen und eine Schnur für 6 Taler 12 Groschen gekauft hatte. Das war des Dreschers Sieden Stieftochter, die unehelich geboren war, ihren Vater nicht kannte und dabei, wenn sie nicht mehr hatte als sie verdiente, sich durch diebische und untreue Hände etwas aneignete. Sie kaufte Korallen, die mehr wert waren, als ihr ganzer Jahreslohn betrug, und sie waren ihr doch nicht groß und schön genug.
Es versteht sich von selbst, dass ich nicht öffentlich, sondern bei Gelegenheit von Gastmahlen von diesen Korallen gesprochen habe; ich nannte sie Schandsteine, die den Menschen verunzierten, und obgleich ich wusste, dass die Verachtung den Weibern am wehesten tut, sah ich doch, dass sie sich immer noch verschiedene Jahre in ihrem Ansehen hielten.
Endlich fing man an, den Kindern weiße Wachsperlen umzubinden; weil die aber nur16 Groschen kosteten, so folgte keiner, bis sich eine Bauersfrau einige Schnüre echte schwarze Achatsteine umband. Es ging hier wie bei der ersten Backenmütze. Sie wurde eine Märtyrerin. Man tadelte sie und man machte es ihr nach. Diese echten Steine kommen 7 bis 8 Taler zu stehen, und das ist schon genug, um sich Nachfolgerinnen zu schaffen. Ich bin gewiss, dass binnen einiger Jahre kein Bräutigam, der eine Bauerstochter heiratet, so absolut wie jetzt gezwungen werden wird, die Braut mit so teuren Bernsteinkorallen zu beschenken. Dieses Geld wird er auf etwas Besseres anwenden können. Indessen sieht man hieraus, dass nicht allem Missbrauch auf die gleiche Weise abzuhelfen ist.
Von den Moden sage ich noch, dass derjenige, der nicht auf dem Lande in seinem Dorfe zu bleiben gezwungen ist, dann und wann verreisen muss, und dass derjenige töricht handelt, der bei einer aufkommenden Mode gleich der erste, aber auch bei Abschaffung der alten der Letzte sein will. Man muss hier die Mittelstraße halten, sonst macht man sich in beiden Fällen lächerlich.

§ 69.
Bei wem man auf dem Lande mit der Verbesserung der Sitten zuerst anfangen müsste.

Auf dem Lande muss man vornehmlich versuchen, die Mädchen zu unterrichten, zu bessern und geschickt zu machen. Man denkt aber hier ganz anders. "Was brauchen die viel zu lernen80", spricht man, "wenn sie nur lesen und soviel von Gottes Wort lernen, dass sie zum heiligen Abendmahl gehen können, so wissen sie genug." Das ist ein schädliches Vorurteil.
Bei einem guten Zweck verachte ich zwar alle lieblosen Urteile der Menschen; ich ertrug sie mit nachdrücklichem Ernst, als ich vor zehn Jahren befahl, dass alle Mädchen schreiben lernen sollten; es musste geschehen. Ich sehe also, dass man mit gesetzter Standhaftigkeit auch die Vorurteile entkräften kann.
Weiter aber bringe ich die Verbesserung nicht: in der Schule fehlt mir ein Mann, der sein Amt mit Vergnügen verrichtet. Dem jetzigen Organisten Blencke kann die Stunde nie zeitig genug schlagen, die ihm das Ende seiner Schularbeit ankündigt. Mit solchen Leuten ist bei Unterrichtung der Kinder gar nichts anzufangen.
Ich bekenne aber auch meine eigene Unwissenheit und gestehe gerne, dass ich nicht vollständig weiß, womit man auf dem Lande die Verbesserung anfangen, fortsetzen und beschließen müsse. Soviel sehe ich, dass eine große Verbesserung der Schulen nötig ist. Die Knaben wie auch die Mädchen können viel mehr lernen als Lesen, Schreiben, Rechnen und Religion. Sie haben 14 Jahre Zeitn81, ehe ich sie zum heiligen Abendmahl annehme, und solange müssen sie hier in die Schule gehenn82.
Man würde dem Lande und der Nachwelt einen sehr wichtigen Dienst leisten, wenn man die Landschulen zu verbessern suchten83. Ein einzelner Kopf kann das nicht unternehmen; es gehört eine Gesellschaft kluger und einsichtiger Männer dazu, wenn etwas Brauchbares von ihnen herausgebracht werden soll. Einer von ihnen muss einen schöpferischen oder erfinderischen Geist haben, der andere muss eine vollkommene Kenntnis der Landleute besitzen, ein dritter muss die Vorschläge prüfen können usw.
Doch wenn wir auch noch soviel Gutes erfinden, so wird es uns wieder an Leuten fehlen, die es ausführen können. Unsere jetzigen Schulleute auf dem Lande sind zu keiner nützlichen und neuen Unternehmung fähig.

§ 70.
Von der Verbesserung der Sitten.

Fortsetzung.

Auf dem Lande ist darum mehr an der Unterrichtung und Besserung der Mädchen als an den Knaben gelegen, weil die Weiber sich mehr als die Männer um die Erziehung der Kinder kümmern. Die ganze Kinderzucht ist verdorben, wenn die Mutter nichts taugt, und vielleicht hat Gott darum dem weiblichen Geschlecht mehr natürliche Güte, Sanftmut, Verstand, Einsicht und Leichtigkeit etwas zu erdenken mitgegeben als den Männern, weil wir sonst ganz unbrauchbare und unbändige Kinder haben würden.
Würde das Herz der Mädchen recht bearbeitet und gebildet, so würde man nicht sehen, dass soviel Verheiratete das nicht mehr sind, was sie im ledigen Stand gewesen sind. Viele Mädchen halten sich reinlich, ja proper, nehmen alles in acht, was zum Staat gehört; lassen sich alles recht eben machen. Sie heiraten, und danach gehen sie wie ein Scheusaal; sie versauen alles; in der Woche hängt ihnen ihre Kleidung wie Lumpen auf dem Leib, ihre Stube ist ein Stall, der nur des Sonntags ausgemistet wird.
Woher kommt diese große Veränderung? Wo ist der Stolz geblieben, den sie als Mädchen trieben? Man irrt sich; es war mehr Buhlerei als Stolz. Nun, da sie sich dem Gesetze des Mannes unterworfen sehen, den sie oft ohne Neigung genommen haben, ergeben sie sich der Sauerei ganz und gar.
Was für eine klägliche Erziehung werden solche Frauen ihren Kindern geben! Die göttliche Vorsehung waltet hier über den Kindern. Weil sie nicht zu Hause bleiben können, wo alles mit der Zeit zugrunde geht, so müssen sie dienen und im Dienst oft erst lernen, was sie vor vielen Jahren mit großem Vorteil begriffen haben würden, wenn sie eine bessere Mutter gehabt hätten.

§ 71.
Von den Gewohnheit bei Besuchen.

"Das heißt predigen!" werden meine Leser sagen. Es sei; man wird doch erkennen, dass man in seinem Amte lange nicht genug tut, wenn man es bloß bei dem Alten erhält. Unsere Pflicht ist, zugleich zu erfinden und zu verbessern, und dies wird durch solche geschriebene Nachricht erleichtert.
Ich komme nun auf die Gewohnheiten dieser Einwohner zu sprechen, auch diese dürfen nicht übergangen werden.
Die allgemeinste Gewohnheit ist das Grüßen, Danken und Willkommenheißen, wenn man jemanden in seinem Hause besucht oder auch nur jemanden schickt, um nach etwas fragen zu lassen.
Dieser Bote spricht bei seinem Eintritt in die Stube: "Guten Tag" oder "Gott grüße Euch". Man dankt ihm und heißt ihn willkommen. Dann nötigt man ihn, dass er sich niedersetzen soll. Er tut es, sitzt eine Weile still und zeigt dann an, worum er geschickt worden ist. Nach empfangenem Bescheid kehrt er zurück.
Wenn man das Danken, Willkommenheißen und Bitten, sich zu setzen, vergißt, kommt der Bote schnaubend nach Hause und klagt, ehe er noch die Antwort bringt, dass man ihn verächtlich gehalten hat und beschwert sich über die ihm erwiesene Grobheit aufs äußerste.
Dies ist der allgemeine Gebrauch, er stimmt völlig mit dem abgemessenen Zeremoniell überein, das die Großen beim Empfang der Gesandten beobachten, und ich möchte fast sagen, dass das Lächerliche bei beiden gleich sei. Doch sage ich dies nur denen, die abstrahieren können. Wenn die Menschen sich nicht mit solchen Kleinigkeiten beschäftigten, müssten sie de3n größten Teil des Tages stumm sein, und wenn sie es nur würden oder ungemein viel wissen, damit alle ihre Reden lehrreich, nützlich und erbaulich wären.

§ 72.
Von den Gewohnheiten bei Besuchen.

Fortsetzung.

Es ist noch nicht genug, was ich hier gemeldet habe, ich muss auch die Worte des Dankens anzeigen.
Zu einem Gemeineren und Geringeren sagt man "Dank Gott", zu einem Vornehmeren aber "Großen Dankn84". Wer zu einem Vornehmen sagt, wie ein Drescher zu seinem Bauern: "Dank Gott!", der beleidigt ihn, und wenn man den Gruß eines Geringeren mit dem großen Dank erwidert, so verspotten die anderen den Geringen.
So kommt meine Magd gerade heute klagend und meldet, dass sie sich von einer Mietsfrau, zu der sie geschickt worden sein, habe spottend anfahren lassen müssen, weil sie auf deren Willkommenheißen mit "Großen Dank!" geantwortet habe.
Hier sieht man eine recht feine Dorfpolitik. Die Magd sollte bei einer Soldaten- und Krämerwitwe, deren Sohn aber studiert hatte, etwas bestellen. Die andere Mietsfrau war eines Tagelöhners und Schuhflickers Frau und also weniger als diese Krämerwitwe. Weil sie aber beide in einer Stube zur Miete wohnten, so konnte diese nicht leiden, dass die Magd durch ihren Dank jener vor ihren Ohren den Vorzug gab. Auf eine besondere Art sprach sie daher: "Hum, du bist doch nur ein ebenso armer Tropf wie ich und sagst ‚Großen Dank!', du musst warten, bis dass du eine große Frau wirst." In der Tat aber sollte es heißen: "Jene, die Krämersfrau, ist ein so armer Tropf wie ich, zu der du getrost hättest sagen können ‚Dank Gott!' und nicht ‚Großen Dank!'"
Diese Szene ist heute, das ist am 18. August 1761, so vorgefallen, wie ich sie aufgeschrieben habe. Aus derselben habe ich erst heute gelernt, dass hier "Dank Gott!" eine gröbere und "Großen Dank!" eine höflichere Antwort sei. Gestern wusste ich das noch nicht, wohl aber, dass jeder Ort seine besonderen Gewohnheiten und auch seine Narren habe.
Wieviel Unterschied ist zwischen dieser treuen Erzählung und klage meiner Magd über das erlittene Unrecht und zwischen jener Klage, die ein Gesandter anstimmt, wenn man ihm nicht weit genug entgegen gekommen, ihm nicht den Namen einer Exzellenz oder Eminenz beigelegt noch die rechte Hand gegeben habe?

§ 73.
Von den Gewohnheiten beim Gottesdienst und beim Abendmahl.

Diese Proben dienen zum Beweis, dass sich Kleine und Geringe ebenso wie die Großen bei Kleinigkeiten aufhalten und zur Schande der menschlichen Seele die Schwäche ihres Verstandes vor aller Welt Augen auskramen.
Ich will nur die übrigen Gewohnheiten kurz erzählen und den Anfang mit den gottesdienstlichen machen.
Des Sonntags, wenn zum drittenmal zur Kirche geläutet wird, beeifert sich jeder, die Kirche zu erreichen ehe ausgeläutet wurde. Denn die Letzten fallen den Splitterrichtern in die Hände, diese wissen den Letzten allerlei nachzusagen. Wenn der Gottesdienst beendet ist, bleiben beim Hinausgehen die Männer zurück und lassen alle Weibsleute voran auf einmal aus der Kirche, dann folgen sie ihnen.
Bei der heiligen Kommunion [Abendmahl] beobachten sie auch im Äußerlichen eine Art Demut. Sie treten nach einer gewissen Ordnung vor. Der erste ist nicht der vornehmste, sondern unter den Männern muss es der älteste sein, und der letzte, das ist der jüngste. Alles richtet sich hier nach dem Alter. Der Richter, auch wenn er den größten Bauernhof hat, räumt mit Freuden seinen Platz einem Tagelöhner oder Armen, der sich von Almosen ernährt, sobald dieser älter ist als er. Er lässt ihn vorangehen und nötigt ihn dazu, wenn er sieht, dass sich der Armer bedenkt, es zu tun. Bei den Frauensleuten ist es umgekehrt. Da gehen die jungen Leute voran; erst die Töchter und Mägde, dann die jungen Bauersfrauen, dann die anderen jungen Weiber, und die Witwen machen den Beschluss.

§ 74.
Von den Gewohnheiten bei Kindtaufen.

Wenn ein Kind geboren wurde, meldet sich der Vater auf der Pfarre, zeigt den Namen und die Gevattern an, die sofort in das Kirchenbuch geschrieben werden, und fragt, an welchem Tage das Kind getauft werden können85. Wenn er diese Höflichkeit beobachtet hat, bekommt er die Freiheit, sich selbst einen Tag zu wählen. Daraufhin lässt er die Gevatterbriefe schreiben und austragenn86. Vormals hatten sie fünf, nach der neuen Kirchenordnung haben sie nur drei zu nehmenn87. Den Soldaten lässt man ihre Freiheit, sich noch einmal so viel zu wählen, und wenn es auch noch mehr wärenn88. Bei den ordentlichen Einwohnern aber müssen zu einem Knaben zwei Manns- und eine Frauens-, zu einem Mädchen aber zwei Frauens- und eine Mannsperson genommen werden.
Diese Gevattern gehen am Tag der Taufe, sobald dazu geläutet wird, zur Kirche. Ist es ein Mädchen, so geht die Frau des Mannsgevatters zu der Wöchnerin und holt oder trägt das Kind zur Kirche. Hat er noch keine Frau, so tut es seine Mutter. Ist es ein Knabe, so trägt die jüngste Frau von den Mannsgevattern das Kind. Hinter ihr folgen viele Frauensleute, die ausdrücklich dazu gebeten werden und die sich zur Begleitung des Kindes bei der Wöchnerin einfinden. Je mehr Frauen erscheinen, desto größer ist der Staat.
In der Kirche stellen sich alle, die mit dem Kinde kommen, bei dem Taufstein in einen halben Zirkel; die Gevattern stehen am Altar. Ist ein Mädchen darunter, so trägt es an diesem Tag einen Kranzn89; einer von den Paten hält das Kind vor dem Altar auf seinem Arm. Der andere hält es bei dem Taufstein, und das Mädchen oder die jüngste Frau bekommt es nach der Taufen90, trägt es um den Altar und opfert. Die beiden andern folgen ihr, nicht aber die Begleitung, weder um den Altar noch zu der Wöchnerin; allein die Paten gehen zu ihr, überliefern das Kind und ihr Patengeschenk, das jetzt nur in Geld besteht. Denn die gewöhnlichen Kleidungsstücke werden erst beim Kirchgang gegeben. Nach einem kurzen Verweilen gehen die Paten nach Hause, lassen sich durch die Großmutter [Hebamme] wieder zum Essen ein paar mal nötigen; und erst danach stellen sie sich mit den übrigen ein.

§ 75.
Vom Kindtaufenessen.

Viele geben bei der Taufe nur ein Gevatteressen und erst beim Kirchgang das rechte Taufmahl, das dann zwei Tage währt. Die meisten aber geben das Taufmahl gleich an einem Tag und beim Kirchgang bloß ein Gevatteressen.
Wer ein großes Taufmahl gibt, der richtet auf zwei bis drei Tischen voll zu. Der eine Tisch heißt Gevatterntisch, an den setzen sich die Geistlichen (so werden hier auch die Schulleute genannt), und die Paten. Wird der Tisch davon nicht voll, so lässt man sich lange nötigen und fast zwingen, ehe man sich daran setzt. Tut man es ohne großes Weigern, so spotten die andern und sagen sich ins Ohr: "Der hat Lust, Gevatter zu stehen", denn sie machen sich eine ganz besondere Ehre daraus, obgleich es ihnen hier hoch zu stehen kommt. Nachdem sich alles gesetzt hat, werden folgende Gericht in irdenen91 Schüssel nacheinander aufgetragen92:
1. Hirse mit und Reis gekocht.
2. Rindfleisch mit kleinen und großen Rosinen und Pastinaken93.
3. Hühner mit Reis gekocht.
4. Sauer gemachtes Schweinefleisch.
5. Fische mit Petersilienbrühe.
6. Zwei Braten, entweder Puter- und Kälberbraten, oder Gänse- und Hammelbraten, nachdem die Jahreszeit ist.
7. Drei aufeinander gelegte lange Kuchen und
8. Butter und Käse.
Man speist von hölzernen Tellern. Die Braten und Kuchen werden in Stücke geschnitten, und davon machen alle Geladenen ihre Bündel94, die sie mit nach Hause nehmen. Nicht der Braten, sondern nur die Pflaumen, die mit dem Braten aufgesetzt sind, werden gegessen, das Bratenstück aber im Bündel mitgenommen.
Nach der Mahlzeit werden die Mannsgevattern von den Mitgevattern mit einem Tuch und einer Zitrone95 beschenkt. Er bedankt sich dafür mit Geben der Hand und lässt die ihm auf holländischem Porzellan gebrachten Tücher vor sich stehen und von den anderen besehen.
Nun fangen die Mannsgevattern an, sich dankbar zu erzeigen oder sich zu lösen; sie lassen für die Frauengevattern wieder für jede einen Porzellanteller voll Rosinen, Mandelkernen und Brustkuchen setzen. Von diesem Gegengeschenk gibt sie als Besitzerin einem jeden am Tisch einen oder zwei Löffel voll für die Kinder mit. Das übrige behält sie für die ihrigen.
Ist ein Mädchen unter den Gevattern, so ist gewöhnlich auch ein junger Bursche dabei. Dieser bekommt dann auch den Kranz, der aus vergoldeten Muskatnüssen96 gemacht ist. Einer jungen Frau, die zum erstenmal zum Kindtaufen kommt, bringt die Großmutter einen Napf mit Wasser, um anzuzeigen, dass sie berechtigt sei, ihr die Mütze zu waschen. Sie muss sich mit einem oder zwei Maß Wein lösen, davon wird für die Frauen eine Weinkaltschale mit viel Zucker gemacht. Lässt eine Mannsperson sich verführen und gelüsten, sie zu kosten, so wird ihm der Hut genommen und er muss ihn mit Geld zum Wein lösen, der gleich dem ersten in Kaltschalen verzehrt wird.
Etwas Besonderes ist es hier, dass diejenigen, die bei einem Kind Gevatter stehen, sich selbst nunmehr Gevatter nennen. dies hat wohl seinen Ursprung in der katholischen Kirche, wo man eine geistliche Verwandtschaft unter den Gevattern behauptet. Aus der Gevatterschaft wird hier mehr als aus der Blutsfreundschaft (= verwandtschaft) gemacht. Wenn Schwester und Bruder sich bei ihren Kindern zu Gevattern nehmen, so geben sie sich nicht mehr den Schwester- und Brudernamen, sie nennen sich nun Gevatter und halten dieses Band für fester als das natürliche.

§ 76.
Vom Kirchgang der Wöchnerinnen.

Wenn die sechs Wochen97 um sind wird den Gevattern durch die Großmutter angezeigt, an welchem Tag der Kirchgang sein soll. Den Abend vorher schickt jeder Gevatter nach hiesigem Brauch seine ihm zukommenden Kleidungsstücke.
Jede Mannsperson sendet für die Knaben einen von blauem Etamin98 gemachten und mit Knöpfen und Schnüren besetzten langen Rock. Die Frauensperson sendet dazu ein feines Patenhemd, vorn an den Ärmeln mit echter roter Seide ausgenäht, und eine damastene Mütze mit einer großen Bandrose. Ist es ein Mädchen, so sendet jede Frauensperson ein Schnürleib mit einem halbseidenen Rock, und die Mannsperson gibt dann das Hemd von feinem Nesseltuch, rot ausgenäht, und die Mütze dazu. In allen diesen Kleidern wird das Kind zur Taufe getragen. Auch sendet ein jeder Gevatter abends vor dem Kirchgang eine gewaltig lange Semmel, die am Tage des Kirchgangs mit den Kuchen, die von der Wöchnerin gebacken werden, frühmorgens in Stücke geschnitten von der Großmutter mit einem Glas Wein auf die Pfarre und zu den Paten und nächsten Freunden herum gesandt werden, wobei sie alle noch einmal zum Kirchgang bittet.
Wenn zum Gottesdienst vorgeläutet wird, gehen die gebetenen Gevattern und Gäste zur Wöchnerin. Diese setzt ihnen große Schüsseln voll Weinkaltschale, Wein, Zucker und Kuchen vor. Nachdem sie das gekostet und genossen haben, werden die Patengeschenke dem Kinde umgehängt und aufgesetzt. Die Mutter nimmt es auf den Arm, geht voran, und alle miteinander folgen ihr.
In der Kirche geht sie zum Opfern um den Altar und ihre Begleitung folgt. Danach tritt sie mit zwei Gevattern vor den Prediger, der sie einsegnet; die übrigen stehen zur Seite. Nach der Einsegnung gibt sie das Kind der Großmutter, die es nach Hause trägt und unterwegs jedem die Patenröcke, Hemden und Mützen zeigt. Die Wöchnerin aber setzt sich in ihren Kirchenstuhl.
Nach der Betstunde wird nun von der Großmutter entweder zum Kindtaufenessen oder zum Gevatteressen gebeten.
Wenn man kommt, findet man die Patengeschenke am Ofen zum Besichtigen aufgehängt. Jeder Gast besieht und lobt sie, und daher kommt es, dass keiner dem andern nachgeben, sondern es ihm lieber noch zuvortun will. Diese Kleidungsstücke sind so groß gemacht, dass man hier Kinder von 4 bis 5 Jahren noch in ihren Patenröcken als ihrem besten Staat gehen sieht. Ist es ein Kindtaufenessen, das nun erst gegeben werden soll, so geschieht es auf die oben beschriebene Art, und wenn es zwei Tage währt, so wird am zweiten Tag statt der Hirse Sauerkohl mit Blutwurst und Schweinefleisch, und statt des Schweinefleischs Gallert und Schwarzsauer99 aufgetragen. Ist es nur ein Gevatteressen, so werden bloß die jetzigen und alten Gevattern und die nächsten Blutsfreunde sowie die Schwiegereltern dazu gebeten. Die Gerichte sind dann Hirse, Rindfleisch, das auch gut geschmort ist, Fische, Braten und Kuchen.
Die zweitägigen Kindtaufen kommen in Abnahme, und wozu dient auch ein solcher Aufwand! Weil ich zu ihren Gastgeboten nicht viel komme, haben sie sich auch enger einzuschränken begonnen. Sie sind seit meiner Zeit nicht ärmer sondern reicher, und wie es scheint, auch einsehender geworden. Wenn sie noch zu bewegen wären, auch die großen und für die Jugend so gefährlichen Hochzeiten einzuschränken und ins Enge zu ziehen, so würde ich mich darüber noch mehr freuen und hätte es auch Ursache dazu. Jetzt muss ich zufrieden sein, dass nicht alle Jahre so große Hochzeiten und wenigstens nicht viele in einem Jahr kommen können, sonst würde alles Gute bei jungen Leuten verdorben werden.
Was ich von Kindtaufen und Kirchgang gemeldet habe, das versteht sich nur von den Bauern und Halbspännern; die Kossaten und Handwerker und Arbeitsleute handeln nur im Kleinen. Doch geben sie alle Kindtaufen. Nur die Anzahl der Gäste ist; an den gewöhnlichen Gerichten fehlt es nicht, auch nicht an Patenröcken.

§ 77.
Von Patensemmeln in den Festtagen,
Patengeschenken bei Hochzeiten und der Patenkrone.

Die großen Bauern pflegen vor den hohen Feste, besonders vor Weihnachten und Ostern, eine Menge Patensemmeln zu backen. Denn am zweiten Festtag zwischen dem Gottesdienst melden sich ihre Paten, besonders die Kinder der kleinen Leute, bei welchen sie Gevatter gestanden haben100. Die kleinen werden auf dem Arm zu ihnen getragen, die andern laufen in ihren Patenröcken und holen sich Kuchen und Patensemmel. Um diese Zeit wimmelt hier auf der Straße alles von reinlich gekleideten Kindern. Wenn sie von einem Hof kommen, stehen ihre Mütter davor und nehmen ihnen das Empfangene ab, damit sie sich gleich zu den übrigen Paten verfügen können. Kommen die Bauernkinder zu ihren Paten, so werden sie mit Zuckerpuppen und Geld beschenkt.
Dies dauert verschiedene Jahre. Die Kinder kleiner Leute holen sich ihre Patensemmel, auch wenn sie schon ein Jahr in die Schule gegangen sind.

Wenn der Pate groß und mannbar geworden ist und zur Ehe schreitet, wird er von neuem beschenkt, entweder mit Gelde oder mit Korn, und wird dann von seinem Paten zur Trauung geführt.
Stirbt er unverheiratet, so lässt ihm der Pate eine Krone101 machen und auf das Sarg setzen, und wenn seine Eltern arm sind, lassen ihn die Paten christlich beerdigen und geben lieber das Geld zu einem Sermon [Leichpredigt], als dass sie ihn zu einem Begräbnis begleiten sollten, bei welchem nur der Segen auf dem Kirchhof gesprochen wird. Daher kommt es, dass hier fast gar keine Freileichen gefunden werden. Auch die Mädchen sammeln Geld zu Kronen, wenn ein junger Bursche stirbt, der nicht viel hat, und folgen alle mit zum Grabe.


§ 78.
Von den Hochzeiten
102.

Hochzeiten gibt es große, kleine und mittelmäßige. Die kleinen währen einen Tag, die mittelmäßigen zwei Tage, meistens donnerstags und freitags. Die großen fangen am Dienstag103 an und enden am Freitagabend oder erst am Sonnabend, und wenn man den Polterabend dazu nimmt, währt eine große Hochzeit die ganze Woche hindurch. Diese ist es, die ich beschreiben und wovon ich alle jetzt üblichen und meistens schädlichen Bräche hier anzeigen will.
Sobald das erste Aufgebot geschehen ist, geht nach beendetem Gottesdienst die Braut, begleitet von zwei Brautmädchen, von Haus zu Haus, wo junge Leute sind, und bittet alle, die im Hause sind, zur Hochzeit. Wo keine jungen Leute sind, geht sie nicht hin; diese werden danach von dem Organisten als richtigem Hochzeitsbitter förmlich eingeladen.
Am Polterabend bittet der Bräutigam die jungen Burschen, die er zuvor schon seit dem Aufgebot jeden Sonntag in der Schenke eingeladen hat.
Die Braut bekommt vom Bräutigam eine teure Schnur Korallen140 aus Bernstein, von denen ich im § 68 geschrieben habe, eine Bibel und ein Gesangbuch, ein paar seidene Handmuffen105, Schuhe und Strümpfe, ohne das, was er sonst gibt. Sie beschenkt den Bräutigam mit einem genähten Hemd und ganz seidenem Latz neben dem schon erwähnten Muskatenstrauß.
Am Montag vor der Hochzeit werden die Musikanten geholt. Diese melden sich durch das Blasen schon von ferne und kommen blasend hereingefahren, sie speisen und treten dann vor das Hochzeitshaus und laden mit der Musik die Gäste ein. Nun fängt der Bräutigam an, herumzugehen und die jungen Burschen zu bitten. Sie weigern sich lange, denn weil sie das Tanzen viel kostet, wird mancher dadurch zurückgehalten, der sonst nicht ausbleiben würde.
Dies heißt der Polterabend. Dazu stellen sich alle die jungen Leute ein, die willens sind, zur Hochzeit zu gehen. Und so, wie sie kommen, wählt sich jeder Bursche auch ein Mädchen zur Tänzerin und macht gleich mit dem ersten Tanz seine Wahl bekannt. Der Polterabend106 wird mit Tanzen und Springen zugebracht. Zuvor aber wird folgendes Essen gegeben: brauner Kohl mit Hammelkaldaunen, ein Gericht Hammelfleisch, einige Bratwürste und Kohlsalat, Kuchen, Butter und Käse.
Des Dienstags wird vormittags um neun Uhr der Braut zu Ehren mit der Mittelglocke ein Puls geläutet. Während dieses Läutens wird die Brautsuppe107 zur Schule geschickt für die Knaben, die dort singen. Früher ist sie um diese Zeit auch auf die Pfarre geschickt worden; jetzt pflegen sie diese aber schon am Polterabend zu bringen.
Weil ich ihnen allen eine gewisse Stunde zur Trauung bestimmt habe, fangen nun die Hochzeitbitter an, unaufhörlich herumzugehen und zu bitten, sich ja zur rechten Zeit einzustellen. Alle jungen Burschen und Mannsleute versammeln sich bei dem Bräutigam, die Mädchen und Frauen bei der Braut. Der Bräutigam begibt sich mit seinem Gefolge dort hin, und jeder empfängt im Namen der Braut von den Brautmädchen ein Tuch108nfang und geht mit den beiden Trauleitern, die bessere und größere Tücher bekommen als die anderen, unter Voranschreiten der Musikanten nach der Kirche. Hinter ihr folgen alle Mädchen mit aufgebundenen Köpfen und Kränzen, danach alle Frauensleute, denn bei solcher Hochzeit wird das ganze Dorf gebeten, und so fehlt es nicht an Leuten.

Nach den Frauen folgt der Bräutigam mit seinen Trauleitern, danach die Mannspersonen, und die jungen Burschen machen den Beschluss1099.
Wenn die Trauung vorbei ist, geht der Bräutigam voran und die Braut folgt. Beide treten an die Tür des Hochzeitshauses, vor der ein großer Tisch steht, auf welchen die Hochzeitsgäste ihre Hochzeitsgeschenke setzen und in die zinnerne Schüssel110 legen111.
Diese Hochzeitsgeschenke sind von verschiedener Art. Einige geben Geld, und das ist in Papier, mit ihrem Namen beschrieben, gewickelt und wird in die zinnerne Schüssel gelegt, die auf dem Tisch steht. Andere schenken zinnerne Näpfe, Krüge, Teller, Lampen. Der Schmied pflegt ein halb vergoldetes Hufeisen und seine Frau ein Waffelkucheneisen zu schenken, und dies alles wird auf den Tisch gesetzt. Kein Hochzeitsgast erscheint ohne Geschenke, so dass man wohl 100 Taler Bargeld rechnen kann, das sie bekommen, ohne die anderen Gaben; es sind aber auch über 100 Gäste.
Sowie nun ein Hochzeitsgast sein Geschenk auf den Tisch gelegt hat, geht einer nach dem andern zu dem vor der Tür stehenden Brautpaar, gibt jedem die Hand und wünscht ihnen mit wenig Worten Glück und stellt sich danach zur Seite, um anderen Platz zu machen.
Wenn dies von allen getan wurde, nimmt die Braut das Geld, und die übrigen Geschenke werden ihr nachgetragen; der Tisch wird fortgeräumt.
Die Weiber gehen nach Hause und kleiden sich um. Viele Männer gehen auch wieder weg.
Nach vielem Bitten kommt die Gesellschaft endlich wieder zusammen. Die Braut setzt sich mit ihren Brautmädchen und allen Jungfern an einen gesonderten Tisch; daran nehmen auch die Geistlichen Platz. Der Bräutigam muss aufwarten112. Die Weiber sitzen alleine an einigen Tischen und die Männer auch.
Etwa gegen 4 Uhr wird das Essen aufgetragen. Das gibt die Braut, und dazu gehört:
1. Hirse mit Reis gekocht und mit Zimt und Zucker bestreut.
2. Rindfleisch mit großen und kleinen Rosinen und Polsternackel [Pastinaken].
3. Hühner mit Reis.
4. Kalbskopf.
5. Fische mit Weinbrühe.
6. mit Rosinenbrühe sauer zurechtgemachtes Schweinefleisch.
7. Kälber-, Hammel-, Puter- oder Hasenbraten, zweierlei Gemüse mit Kohlsalat und Pflaumen.
8. Topfkuchen, dazu eine Schüssel mit Spanischbrot und eine mit Spritzkuchen.
9. eine Nusstorte.
10. die gewöhnlichen drei Kuchen, und dann Butter und Käse.
Von den Broten und allen Arten von Kuchen, die alle in gleich großem Teile geschnitten werden, macht jeder Gast sein Bünde113, das er mit nach Hause nimmt. Nach dem Essen werden die Tische aus der Stube genommen. Die Musikanten teilen sich; unten bleibt der Hauptteil, der andere geht zu den jungen Burschen oben, und nun geht das allerunvernünftigste Tanzen und Springen an. Man kann es sich unmöglich so toll vorstellen, und das währt bis in den hellen lichten Morgen; vor vier bis fünf Uhr gehen sie selten vom Tanzboden.

§ 79.
Vom Aufmachen des Brautbetts
114.

Ich will die Gewohnheiten bei der Aufpöhlung115des Brautbetts (wie es hier genannt wird) hier nachholen. Diese Arbeit wird eigentlich schon am Polterabend, also am Tag zuvor, vorgenommen. Man lädt auf einen Wagen den Kleiderschrank, die Brautkiste und darauf die in große Bühren116 gebundenen Brautbett. Die Pferde sind mit roten Bändern geziert, auch die Peitsche. Wenn es im Dorf ist, geht die Frauenbegleitung beim Wagen her, sonnst setzen sich alle miteinander darauf.
Es werden aber zum Aufpöhlen des Brautbetts nur die allernächsten Blutsfreunde gewählt, deren Anzahl nicht über fünf bis sechs kommt. Der eine bezieht das Kopfkissen, einen anderer ein Pfühl117, der nächste das Deckbett, und der vornehmste unter ihnen legt das Laken ins Bett.
Der Bräutigam gibt ihnen eine Weinkaltschale und setzt dazu Kuchen, Butter und Brot auf den Tisch.
Die Brautspunge118 oder das Bettgestell muss der Bräutigam anschaffen.
Die Gardinen um das Bett sind grün zum täglichen Gebrauch, weiß aber für Bräute und Kindbetterin; folglich gedoppelt. Gardinen muss die Braut anschaffen, dagegen bekommt der Bräutigam ein aufgemachtes Bett mit, dreimal zum beziehen, und eine Kiste mit Leinen, welches alles zusammen in die Brautkammer gestellt wird.


§ 80.
Vom zweiten Tag der Hochzeit.

Das Essen am zweiten Tag der Hochzeit gibt der Bräutigam auf eben die Art, wie es die Braut am ersten gegeben hat.
Dieser zweite Tag ist bemerkenswert durch den Brauttanz. Ich will ihn von Anfang an beschreiben.
Die Gäste des vorigen Tages stehen spät auf; einige lassen sich um 11, andere erst um 12 Uhr wieder sehen. Dann gehen sie zum Morgenbrot in das Hochzeitshaus.
Wenn ein Tisch voll besetzt ist, d.h. zwölf bis 14 Personen beisammen sind, wird aufgetragen und das Morgenbrot vorgesetzt. Dies besteht aus einer Rindfleischsuppe, Rinderkaldaunen, Rotwurst, Bratwurst, Sülze, Butter, Käse und Kuchen.
Wenn sie das genossen haben, stehen sie auf und gehen fort oder wieder zum Tanz, wenn die Musikanten und Tänzerinnen schon wieder da sind, und der Hochzeitsvater lässt für die nächsten, die sich versammelt haben, einen Tisch decken. Dieses Morgenessen ist den Speisen in den Garküchen und bei den Traiteursa href="#EN119">119 vollkommen gleich.
Gegen 1 Uhr finden sich endlich auch die Mädchen wieder ein. Diese lassen sich danach von den Musikanten zu einem Brautmädchen blasen, bei der sie den Brautwocken120 zu stehen haben. Es lassen nämlich alle zur Hochzeit gehenden Mädchen von ihrem zusammengelegten Geld ein besonders gutes Spinnrad121 machen, das wird grün und rot angestrichen uns hin und wider vergoldet. Auf den Wocken werden einige Knobben122 feinen Flachses aufgewockt und alles wird mit Bändern geziert.
Der Wocken ist für die Braut bestimmt, und sie bekommt ihn, sobald ihr der Kranz um den Wocken abgetanzt ist. Dies geschieht immer unter freiem Himmel vor dem Tor auf dem Anger123.
Mit den Brautwocken gehen die Mädchen nun in Begleitung ihrer Tänzer, die das von ihnen empfangene Tuch auf der linken Achsel angesteckt lang herunter hängen lassen, in das Hochzeitshaus und holen Braut und Bräutigam ab. Diese fassen einander an der Hand und gehen hinter den Musikanten und Brautwocken her zum Tor hinaus, und alle jungen Burschen folgen, auch einige Weiber. Der Wocken wird auf dem freien Platz aufgestellt, und nun tanzen sie in einer langen Reihe um denselben herum und immer den wechselweise Stehenden unter ihren Armen und Tüchern hindurch. Schließlich wird der Braut der Kranz genommen, und nun eilt der Bräutigam, dass er ihnen entwische124.
Nun kehrt der ganze Haufe zurück, und es ist beinahe Abend geworden. Dennoch gehen sie noch nicht zum Mittagbrot; alles kehrt erst wieder nach Hause zurück, um sich umzukleiden. Dieses Umkleiden versteht sich immer nur für die Frauensleute.
Um 6 Uhr abends trägt man endlich das Mittagbrot auf, und wenn man gespeist hat, tut man das Gleiche, was man am Tage zuvor getan hat. Man tanzt und springt und spielt, bis es wieder Morgen geworden ist. Der Tag bringt die Tänzer zu Bett und verschafft den abgemattete3n Musikanten einige Stunden Ruhe.
An diesem Tag pflegen die jungen Leute mit der Braut den Haupttisch zu verlassen und sich mit den Tänzern zusammen zu setzen.

§ 81.
Vom dritten und vierten Tag der Hochzeit.

Der dritten Hochzeitstag gibt wieder die Braut allein, oder Braut und Bräutigam geben am dritten und vierten Tag zusammen das Essen.
Beide Tage fangen wieder mit dem Morgenbrot an und mit Tanzen und Springen zwischen Morgenbrot und Mittagessen.
Dazu gehören am dritten Tag:
1. ein Gericht Sauerkohl mit Bratwurst und Schweinefleisch.
2. Hühner mit Reis.
3. Gallert.
4. Braten und Pflaumen.
5. Kuchen, Butter und Käse.
Auch dieser Tag wird wie die beiden vorigen beschlossen.

Der vierte Tag wird auf dem gleichen Fuß angefangen, aber bald beendet. Die Vernünftigen gehen nach Hause, und dem rasenden jungen Volk verweigern die Musikanten den Dienst, wenn sie sehen, dass sie das beste schon weghaben; dadurch weisen sie diese auch nach Hause, und die Hochzeit hat ein Ende und hinterlässt Reue und Kopfweh, wohl auch Gewissensbisse in den Herzen der Gäste.

Am fünften Tag speisen nur die allernächsten Freunde zu Mittag miteinander; es ist dies der Sonnabend, und die Musikanten, die auf solcher Hochzeit über 100 Taler verdienen, wie sie mir selbst gestanden haben125, reisen am Mittag wieder ihren Weg.
Jeder junge Bursche rechnet und findet, dass diese Hochzeit 6 bis 8 Taler Bargeld gekostet hat und beseufzt seine Torheit.
Aus solcher Hochzeit pflegt ein ganzes Brauen Bier126 verzehrt zu werden. Manche haben dafür neun kurze Fass127 eingelegt und sind damit ausgekommen.
Gewöhnlich gibt der Bräutigam genau so viel zur Hochzeit wie die Braut, darum werden dafür geschlachtet
zwei Ochsen,
vier fette Schweine,
drei Hammel,
vier Kälber,
20 Gänse,
über ein Schock [60] Hühner.
Auch werden dazu eingemahlen
zwei ganze Fuhren Mehl. halb Weizen, halb Roggen.
Von solchem Brautmehl bekommt jeder Mühlknappe von der Braut eine Serviette.

§ 82.
Von einer Hirtenhochzeit.

Bei einer Hirtenhochzeit gibt es noch eine besondere Gewohnheit. Der Bräutigam sucht in seiner Herde den besten und schönsten Hammel aus und macht ihn besonders fett. Am zweiten Tag der Hochzeit nimmt er diesen, nun mit Bändern überall geschmückten, Hammel zwischen sich und seine Braut. Die Musikanten voran und hinter ihm her der ganze Schwarm junger Leute. Auf einem freien Platz geschieht der Brauttanz um diesen Hammel, und wenn dies geschehen ist, so wird ein Wettlaufen vorgenommen. Alle Läufer stehen in einer weiten Entfernung, der Hammel selbst ist der Preis. Die Musikanten geben das Zeichen, wann sie loslaufen sollen. Und da fällt bald dieser, bald jener, oder wird zurückgestoßen, bis endlich der beste Läufer den Hammel erreicht und sich sogleich aneignet. Nach diesem Sieg nehmen ihn die übrigen Mitläufer und setzen ihn mit dem gewonnenen Hammel auf eine Misttrage und tragen ihn mit Musik vom Platz seines Sieges wieder in das Hochzeitshaus, wo er seinen Hammel entweder ausspielt oder an den Bräutigam für 2 Taler zu verkaufen pflegt128.

§ 83.
Anmerkung über die Hochzeiten.

Wann werden endlich die Jahre kommen, in denen die Menschen sich etwas Klügeres zu ihrem Vergnügen wählen werden! Man sagt ihnen, dass eine solche Hochzeit kein wahres Vergnügen machen könne; sie sehen und erfahren, dass wir recht haben, und dennoch ändern sie eine so unnützen und schädliche Gewohnheit nicht. Solche großen Hochzeiten sind ohne jeden Zweck--, keiner erreicht dabei seinen Endzweck. Diejenigen, die meinen, ihr Stand erfordere, eine große Hochzeit zu geben, damit sie nicht als geizig ausgeschrien und getadelt würden, setzen sich eben dadurch dem Tadel aus. Sie machen es keinem recht. Jeder hat etwas daran auszusetzen, und so verfehlen sie ihren Zweck. Die andern, die sich auf der Hochzeit eine Lust machen wollen, ernten lauter Müdigkeit und Verdruss. Die Hochzeitstage währen zu lange, der Schwarm ist zu groß, er macht die Gäste taumeln und toben. Sie kommen nicht zu sich selbst, und viele verlieren dort die Ehre, andere die Gesundheit, was sich oft erst nach vielen Jahren äußert.
Der Tanz, der sonst etwas Reizendes hat, verliert hier allen Wert und ist bloß ein Mittel, sich zu erhitzen und sich desto leichter zu versündigen. Der ganze erhitzte Haufen springt hier so heftig auf einen Boden, dass der fest sein muss, wenn er nicht wanken und die Balken sich nicht biegen sollen. Spüren die Tänzer, dass sich die Balken biegen, dann wehe dem Boden! Andere Leute würden aufhören; Vernünftige würden wenigstens mit desto größerer Vorsicht tanzen. Diese aber verdoppeln nun ihre Sprünge; was sich erst beugte, muss nun brechen. Sie hören nicht eher auf, als bis der Boden wirklich eingetanzt ist und unter ihnen bricht. Das ist ihre größte Lust, und daher hilft hier gar keine Ermahnung.
Da es mir unmöglich war, das Tanzen auf den Hochzeitstagen beizeiten zu verhindern, habe ich sehr oft gewünscht, dass man die Kinder ordentlich tanzen lehrte129. Ich würde auch wirklich dazu einen Versuch gemacht haben, wenn ich näher an einer Stadt wohnte und allemal einen Tanzmeister hätte haben können. Man würde mich zwar verketzert haben, aber ich hätte dies verachtet und mit dem Erfolg bewiesen haben, dass, wo an einem Ort eine Tanzschule nötig sei, solche vor allem der Bauer auf dem Lande benötige, damit er höflicher und gesitteter würde und weniger sündigte als jetzt, wo er bei seinem Vergnügen nur rast. Anderswo macht der Missbrauch das Tanzen zur Sünde, aber hier ist es jeder Sprung.
Die Eltern hier würden mit Freuden etwas an ihre Kinder wenden, sie haben es, und sie scheuen auch keine Kosten, aber sie wollen ihre Kinder immer bei sich haben. Wer die Sitten der Nachwelt verbessert sehen will, der muss an jedem Ort das anlegen können, was dazu gehört, und dazu wird mehr als nur eine bloße Privatperson erfordert.

§ 84.
Von den Gewohnheiten bei Todesfällen.

Wenn jemand stirbt, wird er am nächsten Tag eine Stunde mit drei Pulsen130 von 9 bis 10 beläutet. Wenn den Verstorbenen Leichpredigten gehalten werden, wird am Abend ein Begräbnisessen gegeben. Dies geschieht auch, wenn Bauernkinder nur mit einem Sermon beerdigt werden. "Es ist alles, was sie davon haben", sprechen die Eltern in solchem Fall. Die Weibsleute trauern um das Kind über Jahr und Tag. Die Männer aber begleiten die Leiche in ihren ordentlichen Kleidern, nur gehen sie das erste Vierteljahr weder zur Kindtaufe noch zur Hochzeit. Obgleich sie selbst nicht mit Kleidern trauern, außer einem schwarzweißen Brustlatz, so geben sie doch den Mägden und den Töchtern im Hause Trauer; die Söhne aber bekommen auch nur einen schwarzweiß gestreiften Latz wie der Vater.
Je nach der Größe der Familie wird zum Begräbnis angeschafft. Die meisten schlachten dazu einen Ochsen. Das Essen besteht aus Hirse, Rindfleisch, Hühnern mit Reis, Kalbfleisch mit kleinen Rosinen, Fischen, Hammelfleisch mit Polsternacken [Pastinaken131] und einem oder zwei Braten auf jedem Tisch. Die auf dem Kirchhof stehenden Leichensteine zeigen, dass sie viel für die Begräbnisse aufwenden. Sie stehen darum, dass sie auf beiden Seiten beschrieben und besehen werden können. Ein solcher Stein kostet in Bernburg 30 bis 32 Taler, wenn er fertig aufgestellt ist.
Die Leichen bringen dem Pfarrer die besten Einnahmen.
Unverheiratete bekommen Kronen auf den Sarg, die die Paten machen lassen, und grüne Kränze aus Blumen und Buschbaum [Buchsbaum], die auf beide Seiten des Sarges gehängt werden.

§ 85.
Vom Umsingen der Kinder zu Neujahr
132.

Am Neujahrstage oder eigentlich am Tag vor dem neuen Jahr, am Silvestertag, haben die Kinder das Umsingen, d.h. mit Anbruch des Tages kommen die Schulkinder und singen den Leuten etwas133, und das währt den ganzen Vormittag. Wenn ein Part weg ist, kommt ein anderer Trupp wieder. An einem Ort bekommen sie Geld, bei einem anderen Äpfel oder Kuchen oder Bilder; ein jeder gibt, was er will, aber jedem Kind etwas.
Wenn es gerade kotig ist, richten sich die Kinder, besonders die mit langen Röcken, erbärmlich zu, denn sie verschonen kein Haus; es mag liegen, wo es will, sie singen ihnen etwas, und die Eltern können sie nicht zu Hause behalten.
Sie über dieses Singen von Martini an. Ich könnte es verbieten, aber ich will nicht; es ist eine kleine, unschuldige Freude, man kann sie den Kleinen wohl gönnen.
Von elf, wenn geläutet wird, müssen sich alle vor der Pfarre versammeln und das Lied singen, das ich ihnen aufgebe. Danach lasse ich für einen Taler und zwölf Groschen Pfennige austeilen. Weil ich der letzte bin, dem sie etwas singen, ist im Dorf alles auf einmal vorbei und es herrscht wieder Ruhe.
Wenn aber die Enken sich am Abend auf der Gasse hören lassen134, muss man das nicht gestatten, diese missbrauchen die Gaben und versaufen das Geld; sie bekommen auch selten etwas.

§ 86.
Vom Martinsfest.

Um Martini [11.11.], wenn das Gesinde aus dem Dienst geht, pflegt an vielen Orten Tag und Nacht in den Schenken Musik zu sein. Wir sind nicht ganz frei davon. Doch es geschieht nie über ein Tagwerk. Die Musikanten sind meistenteils Soldaten135; sie kommen und bitten um die Erlaubnis. Ich gebe es mit einer Ermahnung zu, weil ich sehe, dass sie doch bleiben und spielen würden, wenn ich es gleich verböte.
Zu Martini am Abend gehen Knechte und Enken aus dem Dienst und so in die Schenke. Die Mägde aber gehen erst am Tag nach Martini gegen Abend; die alte Herrschaft gibt ihnen ein halbes oder viertel Brot, auch Butter und Käse mit auf den Weg. Das verzehren sie bei ihren Eltern und nähern und flicken sich dabei etwas. Acht Tage nach Martini gehen sie wieder in den Dienst, aber nicht an einem Montag, weil nach ihrem Glauben solcher Dienst nicht wochenalt würde, d.h. ehe die Woche um wäre, würden sie wieder herrenlos sein1366.
Knechte und Enken aber gehen gleich am Tag nach Martini bei ihren neuen Herren an die Arbeit. Für die vorigen pflegt sie Herrschaft vor ihrem Abzug noch Plinsen und anderen Kuchen zu backen. Da heißt es dann: Ende gut, Alles gut.

§ 87.
Von der Visitation der Feuerstellen und Küchen.

Der Richter und die Geschworenen sind verpflichtet, alle Jahre zweimal ganz unvermutet die Küchen und Feuerstellen zu visitieren137; sie tun es auch. Wo sie Grude in der Küche finden, oder wo die Küche nicht ausgekehrt und voll Stroh138 ist, und keiner darin, der in derselben etwas zu tun hat, dann strafen sie mit 6 Groschen, welches Strafgeld von ihnen in der Schenke verzehrt wird.

E N D E
des zweiten Abschnitts


ANMERKUNGEN

001 Banse, Banze, Panse
heißt in einer Scheune der Raum, so auf beiden Seiten der Scheuntenne sich befindet, und, von dem untersten Erdboden an gerechnet, bis oben unter den Forst, in einem Stück fortgehet, darein das vom Felde eingeführte Getraide in seinen Garben oder Bunden aufgeschöbert oder zusammengeschlichtet wird. Diese Arbeit wird das Bansen oder Pansen genennet. [Krünitz].

002 Vorspann,
das Zugvieh, Pferde oder Ochsen, welche vor einen fremden Wagen gespannt werden. Es geschieht dies aus Gefälligkeit oder gegen Bezahlung, wenn die Pferde eines Andern zu sehr abgemattet sind, oder wenn der Weg zu schlecht wird, oder zu sehr bergan geht. Fuhrleute laden gewöhnlich so viel, als ihre Pferde auf ebenem und gutem Wege ziehen können, und nehmen dann lieber, wo es nöthig ist, Vorspann. Diese Vorspannpferde werden zu vorderst gespannt, und heißen dann auch Vorreiterpferde, und der Knecht, welcher dazu gehört, Vorreiter. Bei landesherrlichen Fuhren sind häufig die Feldbesitzer verpflichtet, unentgeldlich Vorspannpferde zu liefern, so oft diese verlangt werden [Krünitz].

003 Enke, Aenke,
in der Landwirthschaft einiger Gegenden, besonders Ober= und Niedersachsens, ein junger Knecht, der nur als ein halber Knecht dienet, und den Großknecht über sich hat, ein Pferdeknecht, Ackerknecht. Auf großen Höfen oder Gütern, hat man, bey sechs Ackerpferden, wo der Hof= oder Schirrmeister mit zwey Pferden arbeitet, dergleichen zween, den Ober= oder Großenken, und den Unter= oder Klein=Enken, worzu noch der Mittelenke kommt, wenn man acht Pferde hat [Krünitz].

004 Diele,
ein nur in den gemeinen Mundarten, besonders Niedersachsens, übliches Wort. Der feste von Leim geschlagene Fußboden eines Zimmers, oder einer Scheuer. Die Scheundiele, die Scheun=Tenne [Krünitz].

005 Contribution,
eine jede Abgabe, die außer den Kammereinkünften von den Unterthanen zu den Bedürfnissen eines Landes gegeben wird; die Steuer [Krünitz].

006Die Höhe der monatlichen Contribution gibt Carsted nicht an. *)
Über die Höhe der zu entrichtenden Steuern in der ersten Hälfte des 17. Jh. gibt die "Steuer=Anlage Des Dorffes Atzendorff 1726" Auskunft [Steuern 1726].

007Fourage: Verpflegung für Reiter und Pferde.

008 Über die Unterbringung der Reiter auf dem Lande und "Reutergeld" s. Chronik §§ 103, 104. Über Kontribution der Bauern und Grundherrn [Testament 1752]. *)
Nach 1710 vollzog sich die Verlegung der Reiterei in die Städte, es entstanden die 'Kavalleriegelder', nachdem die Kavallerie seit 1655 auf dem platten Lande einquartiert gewesen war und dort Reiter und Pferd vom Bauern naturell verpflegt werden mußten. Für diese Entlastung hatte der Landmann eine Geldabgabe zu entrichten, die zunächst nach dem Preis der Fourage, schließlich aber in Form fester Kontributionszuschläge erhoben wurde. Hatte der Bauern schon früher die Reiterverpflegung das Mehrfache der Entschädigungssumme gekostet, die er für die Verpflegung von Reiter und Pferd erhalten hatte, so überstieg die nunmehr eingeführte Geldzahlung wiederum seine vorher in natura geleistete Abgabe und die Höhe des Kavalleriegeldes stieg wie selbstverständlich mit der jeweiligen Vermehrung der Kavallerie. [Büsch 1962 S. 22]

009 Dienst=Geld
ist diejenige Geldabgabe, welche die Unterthanen, statt derer vorhin in Natur zu leisten schuldig gewesenen, ihnen aber nunmehr erlaßenen Frohndienste, ihrer Herrschaft zur Schadloshaltung enthalten müssen. Diese Abgabe wird auch Frohngeld, an denen Orten aber, wo sie nach den Hufen determinirt ist, Hufen=Geld genennet; wiewohl die beyden erstern Benennungen der Natur der Sache gemäßer sind [Krünitz].

010 Hof=Dienst.
in engerer und gewöhnlicherer Bedeutung Dienste, welche Unterthanen dem Hofe, d. i. dem Grundherren eines Dorfes leisten; Frohndienste, Nieders. Hofdeenst [Krünitz].

011 Quatember
1. Der vierte Theil des Jahres, eine Zeit von drey Monathen, oder 13 Wochen, das Quartal, in welcher Bedeutung es besonders bey den Steuern und obrigkeitlichen Abgaben gebraucht wird.
2. Der Tag, mit welchem sich ein solcher Quatember anfängt. Was die Steuern und öffentlichen Abgaben betrifft, so sind das in Sachsen und einigen andern Ländern die Tage Reminiscere, Trinitatis, Crucis und Luciä, in andern Ländern aber Lichtmeß, Walpurgis, Laurentii und Allerheiligen, nach welchen Tagen denn auch der Quatember selbst benannt wird [Krünitz].

012 Gefälle,
dasjejenige, was von einem Grundstücke fällt, dessen Ertrag, die Einkünfte von demselben, und in engerer und gewöhnlicherer Bedeutung, die Abgaben, welche man dem Grundherrn oder der Obrigkeit von einem Gute oder von einer Sache entrichtet; Herrengefälle [Krünitz].

013 Erb=Zins,
die Erbzinsen, ein Zins, gegen dessen Entrichtung man das nützliche Eigenthum eines Grundstückes erblich besitzet. Jemanden ein Gut auf Erbzins geben. Daher das Erbzinsgut oder Erbzinslehen, ein Gut oder Lehen, welches auf solche Art besessen wird [Krünitz].

014 Häckerling,
im Hochdeutschen ist dafür auch Häcksel üblich. Ein Collectivum, klein geschnittenes Stroh zu bezeichnen, besonders so fern es zum Futter für die Pferde und das Rindvieh bestimmt ist. Einer Braut Häckerling strenen, eine unter dem Pöbel übliche Gewohnheit, den Tag vor der Hochzeit vor der Hausthüre einer Braut, deren Keuschheit man für verdächtig hält, zum Schimpfe Häckerling zu streuen [Krünitz].

015 D.h. mit der Heugabel die Garben von dem Erntewagen reicht. *)

016 Mark: Die Mark Brandenburg, aus der Carsted stammte.

017 Groß=Magd
heißt in den Landwirthschaften diejenige Magd, welche backen, melken, und das große Vieh bestellen muß, auch auf die Küche Achtung zu geben hat. An einigen Orten wird sie auch Vieh=Magd genannt. [Krünitz]

018 Heden: Hedeleinwand, grobe Leinwand, aus den beim Hecheln des Flachses sich ausscheidenden Fasern gewonnen. *)

019 Jahr=Markt,
ein öffentlicher Markt, d. i. befreyeter Kauf und Verkauf der Waaren, welcher des Jahres etliche Mahl gehalten wird; zum Unterschiede von den Wochenmärkten. Auch der Ort, wo dieser Markt zu dieser Zeit gehalten wird. Auf den Jahrmarkt gehen Im gemeinen Leben auch das Geschenk, welches man einem Andern um diese Zeit macht. Jemanden einen Jahrmarkt kaufen, mitbringen [Krünitz].

020 Wickfutter,
in der Landwirthschaft, 1) Feldwicken grün abgehauen und als Viehfutter benutzt; 2) so viel als Milchfutter [Krünitz].

021 Unter Schrüppe verstand man in der Börde das vorzeitige Absicheln des zu üppig wachsenden Weizens im Mai, um Grünfutter für das Vieh zu gewinnen. Nach gütiger Mitteilung des Herrn Ökonomierats Mohrenweiser-Altenweddingen kommt das Schrüppen (Schrippen) noch heute in der Börde vor. Es wird nötig, wenn das Getreide an einzelnen Stellen zu üppig wird und sich lagern würde. *)

022 Bei dem Mangel an Grünfutter wurden früher auf den Bördefeldern jährlich bis zum späten Herbst die äußeren Blätter des Kohls entfernt, zerstampft, mit Häcksel vermischt und so dem Vieh gegeben [Müller 1800 S.161].*)

023 trudeln wohl von nd. trûel, Trog, abzuleiten; demnach das Futter im Troge mengen. *)

024 Lein, Flachs
ist dasjenige Gewächs, aus dessen Bast vorzüglich Garn gesponnen, und Leinewand verfertigt wird. So lange diese Pflanze als ein grünes Kraut im Acker stehet und noch keinen Bast hat, pflegt man sie Lein zu nennen. Man spricht daher nicht: dieses Stück Land ist mit Flachs besäet; der Flachs steht gut; sondern dieses Stück ist mit Lein besäet, der Lein steht gut. Hingegen, wenn es reifet und Bast bekommen hat, heißt es Flachs. Man sagt also nicht mehr, den Lein ausraufen, den Lein brechen, sondern Flachs brechen, Flachs ausraufen [Krünitz].

025 Jährling,
ein Thier, welches ein Jahr alt ist. Besonders ein Lamm, welches ein Jahr alt ist, und wenn es ein Bocklamm ist, ein Jährlingsbock, wenn es aber geschnitten ist, ein Jährlingshammel genannt wird [Krünitz].

026 Güstes Vieh,
welches entweder noch gar nicht, oder doch seit einigen Jahren nicht getragen hat. Eine Kuh gehet güst, wenn sie in diesem Jahre entweder gar nicht von dem Zuchtstiere besprungen worden, oder, wenn auch solches geschehen, doch nicht davon bestanden, und also weder tragbar ist, noch Milch gibt. So auch güste Schafe, Ziegen u.s.f. [Krünitz].

027 brâken, das Brechen des Flachses mit der brâke, einem Holzbock, mit dem man den Flachs bricht, um ihn aufzulockern. *)

028 Flachs schlagen, ihn mit einem vielfach eingekerbten Holzhammer bearbeiten, so dass die Flachsstängel ebenfalls aufgelockert und geschmeidig werden. *)

029 Schrotschwein,
in der Hauswirthschaft kleine, zum Schlachten bestimmte oder geschlachtete Schweine, welche keine ganze Speckseiten, sondern nur Schrotspeck geben, das ist, mit sammt den Rippen der Länge nach durchgehauene Speckseiten [Krünitz].

030 Wispel: ein altes Hohlraummaß, welches in mehreren deutschen Ländern gebräuchlich war. Verwendung fand es insbesondere als Maß für Getreidemengen. Die tatsächliche Menge eines Wispel variierte jedoch von Land zu Land und zum Teil auch innerhalb der Länder beträchtlich.
Preußen Hohlmaße, fest (bis 1816): Wispel = 13,482 hl = 24 Scheffel (56,176 l)

031 Hammel: kastrierter Schafbock.

032 Erstling,
das Erste in seiner Art, der Zeit nach. Besonders 1. die Erstgeburt von Menschen und Thieren. 2. Der erste in einer Sache; so wird z. E. ein Schwein, welches zum ersten mahle ferkelt, ein Erstling genannt [Krünitz].

033 Linie:
Auch ein langes dünnes Seil, welches im gemeinen Leben unter dem Nahmen einer Leine bekannt ist, besonders das Lenkseil, wird in der anständigeren Sprechart oft eine Linie genannt
[Krünitz].

034 Große Morgenzahl: Anzahl der Morgen in der Feldmark der Gemeinde Atzendorf. **)
Das Steuerprofessionsprotokoll von 1683 gibt den contribuablen Acker der Gemeinde Atzendorf zu 175 5/8 Hufen an, davon 146 Hufen und 1 1/4 Viert, die Hufe zu 30 Morgen, und 29 1/4 Hufe zu 24-25 Morgen. [Steuern 1683] *)

035 Breite: Die jetzige Wilhelmstraße.
Im Ackerbau versteht man unter Breite, ein ebenes und in einer Fläche, ohne Rain oder andern Unterschied hinliegendes, Stück Feld, welches viele Morgen, oder auch wohl ganze Hufen, in sich hält [Krünitz].
Vermutlich nach dem 30jährigen Krieg angelegt. **)

036 Die Steige oder Stiege
in Hamburg und an verschiedenen andern Orten des nördlichen Deutschlands sind 20 Stück. Im nördlichen Deutschland auch Steige. Eine Steige Eyer, Steine, Thaler etc. [Krünitz].
Vermutlich die wie ein Zelt nach dem Mähen und Binden zum Nachtrocknen aufgestellten (20) Garben, die in meiner Kindheit Mandel (15) genannt wurden und auch als Hocke bekannt sind. **)
Hocke:
ein nur in einigen niedersächsischen Gegenden übliches Wort, einen zur Zeit der Aernde im Felde aufgestellten Garbenhaufen zu bezeichnen, welcher in Obersachsen eine Mandel genannt wird [Krünitz].

037 Nachbarrecht.
Das Recht, in einem Dorfe zu wohnen, und in engerer Bedeutung, sich in demselben ansäßig zu machen, da es denn das ist, was in Städten das Bürgerrecht ist; von Nachbar, ein Dorfseinwohner. Nach dem gemeinen deutschen Rechte werden die Einwohner in den Dörfern eingetheilt 1) in solche, die wirkliches Nachbarrecht genießen, oder 2) die nur ein Grundstück im Dorfe besitzen, oder 3) die bloße Einwohner des Dorfes sind. Die wirkliches Nachbarrecht haben, genießen alle Rechte, und sind zu allen Pflichten verbunden, die sowohl auf den Grundstücken haften, als mit der Wohnung verbunden sind. Wer nur ein Grundstück im Dorfe besitzt, kann nur von solchen Rechten Gebrauch machen, und ist bloß zur Beobachtung solcher Schuldigkeiten verbunden, die auf den Grundstücken ruhen. Dorfeinwohner genießen weiter keine Rechte, und sind nur zur Erfüllung solcher Pflichten verbunden, die von den Einwohnern gefordert werden [Krünitz].

038 Scharren,
Scharn, in einigen Gegenden, besonders Niederdeutschlands, der beschränkte Ort in den Städten, wo Brod oder Fleisch verkauft wird. Im Oberdeutschen die Schranne, der Brodscharren, der Fleischscharren, im Hochdeutschen die Brodbank, die Fleischbank [Krünitz].

039 Taler: In Preußen kam seit 1750 der Graumannsche Münzfuß in Anwendung (14 Taler aus einer feinen Mark Silber). Der preußische Reichstaler bildete bis Ende 1871 die Geldeinheit von beinahe ganz Norddeutschland und wurde zuerst in 24 Groschen und dann ab 1821 in 30 Silber-Groschen unterteilt.

040 Eingruden: Zu Carsteds Zeiten benutzte man zum Essenkochen viel die Grude, ein tiefes Behältnis in einem Winkel der Küche, das z.T.mit Asche gefpüllt war. Man warf 1/2 Bund Stroh brennend in die Grude, und setzte die Töpfe mit dem angekochten Essen in die heiße Asche, legte auch glühende Asche auf die Töpfe; nach 2-3 Stunden war das Essen gar. [Müller, Der reisende Drofprediger, 1800, S.171]. *)

041 Das vierte Mahl. Bezeichnung für die vierte Mahlzeit, d.h. Verspermahl (vêremâl). *)

042 Nachbarrecht:
1. ein Recht, welches jemanden in Ansehung seines Nachbars und dessen Eigenthums zuständig ist, z. B. daß wenn jemand sein Haus verkaufen will, der Nachbar, nach dem Herkommen an einigen Orten, das Näherrecht oder den Vorkauf hat.
2. Das Recht, in einem Dorfe zu wohnen, und in engerer Bedeutung, sich in demselben ansäßig zu machen, da es denn das ist, was in Städten das Bürgerrecht ist; von Nachbar, ein Dorfseinwohner. Nach dem gemeinen deutschen Rechte werden die Einwohner in den Dörfern eingetheilt 1) in solche, die wirkliches Nachbarrecht genießen, oder 2) die nur ein Grundstück im Dorfe besitzen, oder 3) die bloße Einwohner des Dorfes sind. Die wirkliches Nachbarrecht haben, genießen alle Rechte, und sind zu allen Pflichten verbunden, die sowohl auf den Grundstücken haften, als mit der Wohnung verbunden sind. Wer nur ein Grundstück im Dorfe besitzt, kann nur von solchen Rechten Gebrauch machen, und ist bloß zur Beobachtung solcher Schuldigkeiten verbunden, die auf den Grundstücken ruhen. Dorfeinwohner genießen weiter keine Rechte, und sind nur zur Erfüllung solcher Pflichten verbunden, die von den Einwohnern gefordert werden
[Krünitz].

043 Die Höhe der Kontribution und des Dienstgeldes gibt Carsted nicht an. *)

044 Reusemacher war Richter von 1718 bis 1757. [16.01.1757 starb
Herr Hans Reusemacher, Ackermann und 39jehriger Gemeinde Richter. Alt 79. Jahr und 2 Monath." Hans Dysing / Diesing war ihm in den letzten Lebensjahren als Richter zur Seite gestellt gewesen, er starb am 08.08. im selben Jahr, 50 Jahre alt. [Sterberegister 1701]. **).

045 Stegmann fragt, ob es "jedem" heißen könnte. Einleuchtender ist aber, dass mit "jenem" Tor das "Richtertor" gemeint ist, also das "Staßfurter Tor", vor dem im Dorf der große Hof lag, der mehrere Generationen lang den Dorfrichtern Schnock gehörte. Das Streuen von Hirtenstall und -hof war nicht nur eine Pflicht, sondern ein begehrtes Recht, weil es die Nutzung des Düngers einschloss. Wie es zwei Dorftore gab, so gab es auch zwei Hirtenhöfe an den Toren. **)

046 Die Schenke war Gemeindeeigentum und wurde aller drei Jahre an einen Schenkwirt / Krüger verpachtet. **)

047 Literatur über Volkstrachten in der Börde: Hottenroth 1898 Bd.3; Doering-Dachau 1908; Müller 1800 T.2 S. 183; Hecht 1907 S.240ff.; Müller 1789 S.201 ff.; Stieger 1884 b; Lampe 1911 S.37. (Hier Angaben über tägliche Kleidung Magdeburger Bauern im 16. Jahrhundert). - Hingewiesen sei auch auf die Sammlung von Bördetrachten im Magdeburger Kaiser=Friedrich=Museum, meist aus dem Anfang des 19. Jahrhunderts, und zum großen Teil aus Atzendorf stammend. Bördetrachten auch in den Heimatmuseenn zu Schönebeck , Ummendorf, Neuhaldensleben. *) 048 Über die Volkstrachten in der Börde ist für das 17. und 18. Jahrhundert außerordentlich wenig bekannt, Abbildungen fehlen, und die Werke über Trachtenkunde versagen. Schon vor der Reformation neigte der Bördebauer zu Kleiderluxus. Die älteste Landordnung des Erzstiftes Magdeburg vom Jahre 1440 vom Erzbischof Günther, wendet sich besonders gegen die kostbaren Kleiderstoffe der Bördebewohner [Liebe 1903 S. 170, 171]. Desgl. die Kleiderordnung des Administrators Augustus, vom November 1678 [Kleiderordnung 1678].
- Eine Abbildung im Theatrum Europaeum: Der Heilbrunnen in Hornhausen bei Oschersleben, 1646, [Abelinus 1646] lässt vermuten, daß in der Gegend westlich von Magdeburg bis in die Mitte des 17. Jahrhundert auch der wohlhabende Bauer den spanisch=niederländischen Mantel mit Spitzhut wenigstens als Festtracht benutzte. - In der Kirche von Eilenstedt bei Halberstadt ist eine Abbildung des Schafmeisters Heinrich Lüttge und seiner Frau, aus der Zeit um 1650, welche die Dorfkirche mit biblischen Bildern ausmalen ließen; Lüttge ist dargestellt mit spanischem Mantel und großem Hut [Schmidt 1891 S. 65].
- Ebeling gibt ohne Quellenangabe Mitteilung über die Tracht einer Kotsassenfrau aus dem Egelnschen Amtsdorfe Bleckendorf vom Jahre 1674:
Rock aus Fünfkamm samt Brüstgen mit gefüttertem Rauchwerk, Polmitzmütze, Haube, Schleier von grober Leinwand, Dreystatschürze, Leibchen, Oberhemd (Halshemd), Unterhemd, Schuhe, grobe wollene Strümpfe [Ebeling 1903 S. 154].
- Der Magdeburger Kammeratlas von 1722 bringt einzelne Skizzen, Darstellungen Magdeburger Bauern aus dem Anfang des 18. Jahrhunderts. Neben dem Kittel, der nördlich der Ohre noch bis ins 19. Jahrhundert getragen wurde, tritt der Überrock auf. Der Spitzhut (1 Bauer trägt ihn noch) ist fast geschwunden, statt dessen der breitkrempige Flachhut, der Vorläufer des Dreispitzes. *)

049 Kamisol:
Kleidungsstück des 16. und 17. Jahrhunderts; ein mit Ärmeln versehenes oder auch ärmelloses Oberteil. Es ging als kurze Schoßjacke in Frauentrachten mancher Gegenden ein. Während laut Krünitz das Kamisol für Männer mit einer Weste vergleichbar war, entsprach ein Frauenkamisol eher einem Korsett oder einem engen Oberteil eines Kleides. Es wurde auf der Vorderseite geschnürt oder zugesteckt [Krünitz].

050 Kurt Schnock, Richter, 1690-1712 *)
Im Unterschied zu Carsteds Behauptung, Curt Schnock der Jüngere sei von 1990 bis 1712 Dorfrichter gewesen [Chronik Anhang. Von den hiesigen Gemeinderichtern] übernahm er das Richteramt von seinem Vater Curt Schnock dem Älteren schon zu dessen Lebzeiten im Jahre 1684.
Curt Schnock, 28jähriger [28 Jahre lang] Richter alhier, starb febri hectica, da er bei 20 Wochen zu Bette gelegen war, 61 Jahr alt. Parentes [Eltern] der Richter Curt Schnock und Catharina Freytags von Brumby." [Sterberegister 1701, 14./19.02.1711] **)

051 Futterhemd, westenartiges Wams. Die Farbenzusammenstellung rot und grün auch bei einem alten Trachtenstück, Futterhemd, im Braunschweigischen städtischen Museum. (Roter Stoff mit grünem Besatz). *)
Futterhemd: 1) ein bis etwa auf oder auch wol knapp über die hüften reichendes hemdartiges wollenes kleidungsstück, das zunächst unter andern bekleidungsstücken getragen wird. ...
2) ein aus leinwand oder auch aus zwilch ganz wie ein hemd gemachter bis etwa über die rippen reichender kittel ohne knöpfe oder eine solche jacke, wol zunächst als hirtentracht beim zurüsten und aufstecken des futters, überhaupt beim füttern des viehes.
[Grimm DWB]

052 Brusttuch, "Bostdaug", in Niedersachsen weitverbreitetes Kleidungsstück in Form eines kurzen Hemdes; ein Vorläufer der Weste. [Andree 1901, S. 279] *)

053 Hosenquerl, Schürzenquerl. Nach Mitteilung des Herrn Lehrer Meyer, Atzendorf, nannte man die fast dreieckig geformte Verschlußklappe der Hosen "Hosenquerl". Doch ist Querl abzuleiten von nd. querder, quarder, in der Börde: queder, Querstück. Teil eines Kleidungsstücks, wo der Stoff quer liegt, also Hosenbund; dementsprechend Schürzenbund [Chronik § 63]. *)

054auml;mmütze [Hecht 1907 S. 243]. *)

055 Roquelaure, Rockelor, Roquelor, nach einem französischen Herzog genannter Reise- und Wettermantel mit faltigem Kragen. Zu Friedrichs des Großen Zeiten auch Militärmantel; [Chronik. § 235], sonst von hoch und niedrig getragen, zum Teil noch im 19. Jahrhundert [Rockelor 1908 S. 186]. *)
Der Namengeber vermutlich Antoine Gaston de Roquelaure. [Vgl. auch WIKIPEDIA "Roquelor" ] **) 056 Etamine: leichtes, glattes Wollzeug, meist im Geviert wie Leinwand gewebt. Auch seidne und habseidne Stoffe wurden unter dem Namen Etamine fabriziert [Vester 1925 S. 648) *)
Etamin(e): leichtes, durchsichtiges, siebartiges Gewebe in Leinwand- und Scheindreherbindung aus Baumwolle, Viskosefaser, Viskosefilament und Seide für Blusen, Gardinen und Handarbeiten.
Die Bindung erzeugt z.B. durchbrochene Karos oder Streifen oder auch Karos abwechselnd in Dreher- und Leinenbindung. Es wird auch Etamin aus Wolle mit Flammen- und Noppengarn hergestellt.

057 Aufschlag heißt beim Militär der Besatz am unteren Ende des Ärmels des Waffenrocks, meistens in der Farbe des Kragens.
Preußischer Aufschlag: gerade Aufschlagpatten mit drei Zinnknöpfen.

058 Tresse: aus Gold- u. Silberfäden oder auch mit Seide, Lahn und Kantille gewebter Bandstreifen oder Borte zum Besatz von Kleidungsstücken.

059 Kalmank: Wollstoff, wie Damast gewebt. *)

060 Quast: niederhängender büschel von einfachen oder zusammengedrehten (wollen-, seiden-, gold-, silber-) fäden, troddel. [Grimm DWB]

061 Halshemd: kurzes Unterhemd, nur bis unter den Buden herabgehend, auch Brustlatz genannt; es war wegen des aufgeschnittenen Oberhemds sichtbar, aus bestem Stoff und oft verziert, hatte also Anteil an der schmuckvollen Ausstattung des Mieders. Im Braunschweigischen auch die Bezeichnung "Halshemd" [Hottenroth 1898 S.7]. *)

062 Chagrin: eigentlich Leder mit Narben auf der Oberfläche, es wurde aber auch ein seidenes Gewebe (Chagrain), dem Chagrinleder im Muster ähnlich, hergestellt, eine Art getüpfelter Taft. *)

063 Lurjacke: Carsted schreibt Lurjacks; die Jacke wird bei dem weiblichen Geschlecht neben dem Mieder als ältere Tracht z.B. für den Kreis Wanzleben erwähnt [Doering-Dachau 1908 S.15]. Lur vielleicht abzuleiten von lotter, schlaff, nicht festsitzend, hangend, also weite, bequem sitzende Überjacke. Diese Lurjacke (Wams) wurde aber nur im Winter und über dem Mieder getragen. Nach Mitteilung des Herrn Lehrer Meyer, Atzendorf, ist die Bezeichnung Lurjacke für Jacke von selbstgewebtem dicken Wollstoff älteren Atzendorf Einwohnern noch bekannt. *)

064 Gemeint ist die im § 66 der Chronik erwähnte Backenmütze, die zu Carsteds Zeit als neues Modestück aus Magdeburg auf die Magdeburger Dörfer kam. Es war eine Strichmütze mit Untermütze und vorstehendem gestreiften Strich (Frisur von Spitzen oder Leinwand), die auch die Backen [Wangen] bedeckte. In Magdeburg wurde sie allgemein getragen [Müller 1789 S. 51]. *)

065 Handmuffen; Müller 1789 bezeichnet sie als Manschetten mit Kanten besetzt, eine Art Pulswärmer; in der Börde kamen die Handmuffen auch als Pelzhalbärmel mit der Bezeichnung "Pelzmuffen oder Pelzmauen" vor. (Mnd. mouwe, mowe, mawe, Ärmel.) Sie waren dann aus weißem Kaninchenfell hergestellt und reichten von den Ärmeln bis zum Handgelenk, wo sie mit seidenen Bändern zusammengebunden wurden. Auch im Braunschweigischen trug man Handmuffen [Hecht 1907S.252; Andree 1896 S. 278]. Abbildung einer Braut mit Handmuffen: Vollbild nach S. 308]. 066 Korduanleder ist ein nach maurischer Art mit Alaun gegerbtes, sehr feines Ziegenleder.

067 Charse, wohl Serge, Bezeichnung für einen Seidenstoff, wie er im 18. Jahrhundert hergestellt wurde [Schmoller/Hintze S. 673 ff.]. Unter dem Seidenrock trug die Bördebäuerin zwei und mehr rote Friesröcke, um recht rundlich auszusehen. Das Erscheinen von vielen Röcken galt als Zeichen des Reichtums; doch sollte wohl auch die Zeitmode des Reifrocktragens nachgeahmt werden. Einen Gegensatz zu den übereinander getragenen Frauenröcken (in vielen Gegenden Deutschlands üblich) bildeten im Westfälischen die bei festlichen Angelegenheiten von den Bauern übereinander angelegten vielen Jacken. [Sartori 1922]. *)

068 Schürzenquerl, Schürzenbund; vgl. "Hosenquerl" [Chronik § 58]. *)

069 Schwarze Frauenkleidung als Volkstracht für ältere Frauen in den meisten Gegenden Deutschlands verbreitet. *)

070 Es muss also die alte Frauenkopftracht im 17. und Anfang des 18.Jahrhunderts in der Börde Ähnlichkeit mit derim 16. Jahrhundert vorkommenden Hirnhaube gehabt haben, die sich hinter dem Hinterkopfe aufblähte und oft an der Kante des hinteren Teiles ein schmales Tüchlein zeigte, das über die Schulter herabhing. Der Hirnhaube entsprechend wird die in Etgersleben getragene Polmitzmütze mit Schleier geformt gewesen sein [Chronik § 58 Anm.]. Ähnlich der Hirnhaube war auch die im benachbarten Braunschweigischen getragene Tornhaube, die nach hinten in einen röhrenförmigen Beutel auslief und ebenfalls schwarze Farbe zeigte [Hottenroth 1898 Bd. I S. 9; Bd. II S. 47. Andree 1896 S. 272]. *)

071 Doch finden sich Bernsteinperlen als Schmuck auch im 19. Jahrhundert. In bestimmten Zeiträumen erschien auf den Magdeburger Dörfern der "Kralenputzer", der den blindgewordenen Stücken durch Putzen neuen Glanz verlieh [Hecht 1907 S.252, vgl. auch Hollop 1924 S.50]. *)

072 Carsted verwechselt hier fraglos Muskatnuss mit Gewürznelke. Ein Strauß aus vergoldeten Muskatnelken [Gewürznelken] muss zudem weitaus zierlicher aussehen als aus Muskatnüssen. Die vergoldete Gewürznelke tritt in Mitteldeutschland als Frauenschmuck öfter auf; so trugen im 18. Jahrhundert die Kranzjungfrauen der Halloren einen diademartigen Schmuck mit Gewürznelken [Hottenroth 1898 Bd. III S. 78]. Im Altenburgischen saß auf dem Hormte [Brautkrone] der Mädchen das Kränzchen, welches oben mit einer vergoldeten Gewürznelke geziert war [Kronbiegel 1793 S. 27; vgl. auch Duller 1857 S. 126]. *)

073 Carsted: Roßmarinen. Die Sitte, dass der Bräutigam am Arm oder in der Hand einen Kranz von Rosmarin trug, fand sich auch im benachbarten Halberstädter Gebiet. In Hornhausen wurde der Rosmarinkranz mit herabhängenden Bandschleifen geschmückt [Pröhle 1858, S. 178, 179]. In der Schöppenstädter Gegend im Braunschweigischen zeigt der Kranz am Arm des Mannes die goldenen Anfangsbuchstaben seines Namens. [Andree 1896 S. 306]. Weiteres über den Rosmarin und seine Bedeutung bei Hochzeiten: Pflug 1908, S. 390, 396. Vgl. auch Wegener 1879 S. 80, 90. *)
Symbolik des Rosmarins: Als Symbol repräsentierte Rosmarin die Liebe. In der antiken Kultur hat der Rosmarin als eine den Göttern, insbesondere der Aphrodite, geweihte Pflanze eine große Rolle gespielt. Troubadoure überreichten der Dame ihrer Wahl Rosmarin, Ophelia band Hamlet einen Rosmarinkranz als Zeichen ihrer Treue und in Deutschland trugen Bräute lange Zeit einen Rosmarinkranz, bevor die Myrte in Mode kam.

074 Aufgebot: Das Aufgebot im Eherecht stammt ursprünglich aus dem Kirchenrecht, stellt aber auch ein spezielles Ziviles Aufgebot dar. Mit dem Aufgebot wurde eine beabsichtigte Heirat öffentlich bekannt gemacht, damit eventuelle Ehehindernisse wie zum Beispiel eine schon bestehende Ehe gemeldet werden konnten. Das öffentliche Aufgebot in Deutschland 1998 abgeschafft und durch die Anmeldung zur Ehe ersetzt.

075 Dieses Hochbinden der Haare war in der Gegend westlich von Magdeburg weitverbreitete Sitte. Die das Haar umgebenden Bänder hingen lang herab (Kranz mit Binden). Staßfurt 1675: Kranz mit Bändern [Wegener 1883 S. 375]. Im Halberstädtischen: Der Braut Haar ist glatt hochgekämmt, oben mit einem kleinen Rosmarinkranz versehen; die roten Bänder hängen lang herab [Niemeyer 1918 S. 158 ff.]. In Heudeber hieß diese Haartracht (hochgekämmt, mit rotem Band umwickelt): "Aufgesetzt" [Opitz 1851]. Neben dem Kranze war auch die Brautkrone weitverbreiteter Schmuck bei Hochzeiten in der Börde [Wegener 1878, 1879]. Doch ist sie keineswegs slawischen Ursprungs, wie Hottenroth 1898 annimmt, sondern wohl aus der Schappel, dem mittelalterlichen Stirnschmuck der Frauen und Mädchen, hervorgegangen [Spieß 1911, S. 35 ff.]. *)

076 Von sogenannter Chape (Gespinst aus Seidenabfällen)? Der Name kommt im 18. Jahrhundert allerdings fabriktechnisch nicht vor. [Schmoller/Hintze]. *) 077 Als Stäupen (auch Staupen, Stäupung, Staupenschlag, Staupenstreichen, von Stüpe oder Stüpa aus dem westslawischen staup für Altar, Pfahl oder Pfosten) bezeichnete man im Mittelalter eine Körperstrafe, bei welcher der Verurteilte am Pranger geschlagen wurde, der daher auch den Namen Staupsäule trägt. Verwendet wurde dafür ein meist aus Birkenreisig gefertigtes Reisigbündel, die Staupe, oder der Staupbesen, in den mitunter scharfkantige Metallsplitter oder Steine eingearbeitet waren.

078 Böhmische Steine: Edelsteine, die in Böhmen gefunden werden, besonders Granat (Pyrop) von Meronitz und Podseditz bei Leitmeritz, der dort gebohrt und facettiert wird, dann Bouteillenstein (böhmischer Chrysolith) sowie wasserheller und gelber Bergkristall (Citrin, böhmischer Topas), auch wie Edelsteine gefärbte und geschliffene Glasflüsse. Böhmischer Rubin soviel wie Rosenquarz. 079 Als Tafelmessing, Goldmessing oder Tombak (abgeleitet vom malaysischen Namen für Kupfer oder dem Indowort Tumbaga für Goldkupfer) werden Messingsorten mit mehr als 70 % Kupfer bezeichnet.

080 Zu Carsteds Zeiten wollte noch ein erheblicher Teil der Eltern auf den Magdeburger Dörfern von einem Unterricht der Töchter im Schreiben nichts wissen, da diese Kunst nur zum Schreiben von Liebesbriefen führe [Danneil 1876 S. 129; Heppe 1859 Bd. 1 Anm. 3]. *)

081 D.h. bis zum 14. Jahre. [Landschulen 1763 § 1]. *)

082 Nach Verfügung der Magdeburgischen Regierung und des Konsistoriums vom 14. Mai 1716 sollten Kinder erst dann aus der Schule entlassen werden, wenn sie in einer Prüfung vor dem Prediger sich über ihre Kenntnisse, besonders in der Religion, genügend ausweisen konnten. Ähnliches bestimmt das königliche Edikt vom 3. April 1734, in dem noch gefordert wird, daß die Kinder, welche die Schule verlassen wollen, genugsam lesen gelernt haben [Danneil 1876 S. 83, 86]. *)

083 Über die nicht sehr günstigen Zustände im evangelischen Landschulwesen auf den Magdeburger Dörfern während des 18. Jahrhunderts s. Danneil 1876 S. 120ff.; Vorbrodt 1920 S. 28ff., Müller 1789 S. 176. *)

084 Eine weitere alte Grußformel im Kreise Kalbe: Den auf dem Felde arbeitenden Landleuten rief man zu jeder Tageszeit zu: "Helf Gott!" Als Gegengruß wurde erwidert: "Schönen Dank!" [Graf 1926 Nr. 13]. *)

085 Nach der Magdeburger Kirchenordnung von 1739 sollte die Taufe spätestens am 3. Tage nach der Geburt stattfinden, "keinesfalls um eine oder mehrere Wochen hinausgeschoben werden" [Kirchenordnung 1739]. *)

086 In Atzendorf besorgte der Organist das Schreiben eines Gevatterbriefs; an Akzidenzien erhielt er für das Schreiben 3 Groschen, für die Taufe 1 Groschen. Der Kantor erhielt nichts. Die Abschaffung der Gastereien bei Taufen, zu denen Organist (Schulmeister) und Kantor sonst Zutritt hatten, wird schon in dem Atzendorfer Inventarverzeichnis von 1686 erwähnt [Lentz 1686 b]. Ebenso im Visitationsprotokoll von 1716 [Visitation 1716].

087 Nach der Kirchenordnung von 1739: 3 Taufpaten; bei unehelichen Kindern (Hurkindern) erhielt in Atzendorf der Pfarrer eine erhöhte Taufgebühr von 8 Gr. (sonst nur 3 Gr.) Ein Hinausgehen über die Zahl von 3 Paten wurde durch Verfügung des Magdeburger Konsistoriums vom 1. Oktober 1789 [Paten 1789] gestattet; für jeden überzähligen Paten waren bis zu 8 Gr. an die Predigerwitwen-Kasse abzuführen. *)

088 Nach dem Edikt Friedrich Wilhelms I. vom 11. November 1713 konnte ein Soldat Paten aus dem Stand der Oberoffiziere, Haus- und Güterbesitzenden nach Belieben nehmen; von seinen Kameraden nur einen "Kerl" [Paten 1713]. *)

089 Ähnlicher Brauch in der benachbarten Altmark, wo in der Gegend von Salzwedel die jüngsten weiblichen Taufpaten eine mit Blumen und Glasperlen verzierte Krone trugen [AhZ 1840 Nr. 3, vgl. auch Duller 1857 S. 100]. *)

090 Im Drömlingsgebiet trägt die jüngste Gevatterin das Kind nach der Taufe heim [Ebeling 1889, S. 186]. In der Salzwedeler Gegend hält die jüngste Gevatterin das Kind beim Schlussgebet [AhZ 1840 Nr. 3; Duller 1857 S. 100; Andree 1896 S.291]. *)

091 Carsted: irdischen; aus gebranntem Ton. **)

092 Bei Taufen, auch bei Hochzeiten, ist die Reihenfolge und Art der Speisen vielfach alter Brauch. Beispiele Wegener 1879 S. 192, 195. Ebeling 1889 S.199. *)

093 Carsted: Polsternackel. Die Pastinake ist die Bezeichnung einer Pflanze und ihrer fleischigen, erdig aromatisch schmeckenden und gilben Speicherwurzel. Pastinaken eignen sich mit ihren fettigen Ölen als Fleischersatz besonders gut. **)

094 Noch heute in der Börde gebräuchliche Redensart: Wie mit einem "Patenbündel" beladen sein = ein schweres Paket (oder dergl.) in der Hand tragen. *)

095 Die Verwendung der Zitrone bei Familienfesten, als einer besonders bedeutsamen Frucht, war weit verbreitet. In Hötensleben, Kreis Neuhaldensleben, erhielt der Kantor am Hochzeitsmorgen vom Brautpaar ein schwarzseidene Halstuch und eine Zitrone; der Geistliche empfing dasselbe nach der Trauung [Wegner 1879 S.90]. In Niederbayern zeichnete der Hochzeitbitter mit Kreide eine Zitrone nebst Rosmarienzweig an die Stubentür des Geladenen [Zitrone 1900]. In der Gegend von Berlin erschien der Leichenbitter, in der Hand einen schulterhohen Stab mit langer Florschleife, auf den oben eine Zitrone gesteckt war [Zitrone 1925 S.129] oder Rosmarinstängel In der Gegend von Neuhaldensleben überreichte der Pate seiner Mitpatin den Rosmarinstängel mit einer althergebrachten poetischen Ansprache (Sermon). [Stieger 1884]. Im Drömlingsgebiet erhielt der Geistliche bei Hochzeiten neben Zitrone und Rosmarinstängel auch ein Geldgeschenk [Ebeling 1889 S.195]. *)

096 Carsted meint hier jedenfalls auch den Kranz von vergoldeten Gewürznelken. [Chronik § 64 Anm.]. *)

097 Die sechs Wochen nach der Entbindung, in der sich die junge Mutter im Kindbett = Wochenbett befindet. *) 098 Chronik § 60 Anm. **)

099 Schwarzsauer: ein mit blut und essig bereitetes gänseklein-gericht. [Grimm DWB]

100 Ph. Wegener nennt eine Anzahl von Ortschaften, in denen die Patenkinder zu Weihnachten oder Ostern beschenkt wurden [Wegener 1880 S.247, 264, 265. Siehe auch Wolff 1925]. *).

101 Im Braunschweigischen hieß sie Vaddernkrone [Andree 1896 S.317]. *)

102 Die Bräuche einer Westfälischen Bauernhochzeit hat Carl Leberecht Immermann in seinem Roman "Münchhausen" aufgrund detaillierter Studien literarisch gestaltet [Immermann 1839]. **)

103 Nach der Magdeburger Kirchenordnung von 1739 sollte zur Hochzeit ein Werktag genommen werden, doch blieb der Montag ausgeschlossen. Grund wohl der gleiche, wie ihn die Wernigeröder Kirchenordnung von 1635 [Kirchenordnung 1635] angibt: Der Sonntag sollte nicht durch Schlachten von Vieh usw. entheiligt werden. Ausgang des 18. Jahrhunderts auch Sonntagshochzeiten in der Börde; bei Verwendung von Musik waren dann 12 Groschen in die Armenkasse zu zahlen.[Sonntagstrauungen]. *)

104 Korallen: hier in der Bedeutung: aneinandergereihte Kügelchen als Halsband zum Frauenschmuck. [Grimm DWB]

105 Handmuffen [Chronik § 63]. *)

106 Die Sitte, vor dem Haus der Braut am Polterabend Geschirr zu zertrümmern, war zu Carsteds Zeit in der Börde unbekannt. [Müller 1789 S.201 ff.]. *)

107 Nach dem Inventarverzeichnis des Pastors Lentz vom Jahre 1686 [Lentz 1686 a] erhielt der Küster in Atzendorf (auch der Organist für das Brautmessesingen) als Brautsuppe: Eine Suppe, 1 Gericht Rindfleisch, 1 Kuchen, 1 Kanne Bier. Der Pfarrer erhielt als Brautsuppe: Eine Suppe, 1 Gericht Rindfleisch, 1 Braten und noch ein Gericht Fleisch, 1 Brot, Kuchen, 1 Kanne Bier. *)

108 Die über viele Teile Deutschlands verbreitet gewesene Sitte des Gabe des Brauttuchs an Hochzeitbitter und Gäste findet sich schon im 16. Jahrhundert, wo mit den aus Italien als Modeneuheit eingeführten "Fazilettlein" besonders bei Brautgeschenken großer Luxus getrieben wurde. Daher schon im 16. Jahrhundert Verbote des Gebens der Schnupftücher bei Hochzeiten. So in den Magdeburger Hochzeitsordnungen von 1544 [Hoffmann 1845 S. 574]; in den Halberstädter Ordnungen von 1562 [Arndt 1904 S. 341]. Im 17. Jahrhundert wird die Hochzeitsgabe der Tücher vielfach Sitte oder Observanz; in den Egelnschen Dörfern Atzendorf, Bleckendorf, Wolmirsleben nach dem 30jährigen Kriege [Visitation 1653]. Im 18. und Anfang des 19. Jahrhunderts ist die Gabe des Brauttuchs (Schnupftuchs) weit verbreitete Sitte. [Wegener 1878 S. 225 ff., 1879 S. 68 ff. und S. 184 ff.], dort auch Quellen für andere Gegenden. *)

109 Das Getrenntgehen der Frauen und Männer zur Kirche bei Hochzeiten auch in der benachbarten Oschersleber Gegend [Arndt 1904S. 371], ebeso in der Hötensleber Gegend [Wegener 1879 S. 89]. *)

110 Solche Zinnschüssel für Brautgaben im städtischen Museum zu Braunschweig. *)

111 Doch herrschte im 19. Jahrhundert in Atzendorf vor dem Betreten des Hochzeitshauses seitens des Brautpaares ganz anderer Brauch. Nach einer Notiz im Kirchenbuch vom Jahre 1850 setzte sich das Brautpaar auf zwei vor das Hochzeitshaus gesetzte Stühle. Es wurden zunächst Salz und Brot überreicht, dann trank der Bräutigam aus einem mit Wein gefüllten Glase, überreichte es darauf der Braut, welche ebenfalls trank und es dann hinter sich über den Kopf hinweg warf. Erst jetzt erfolgte die Öffnung der Tür des Hochzeitshauses.
[Pastor Theodor Zollmann (1838-1920), der seine Notizen über die Bräuche bei Trauungen im Jahre 1902 aufschrieb, notierte auch: "Das Wort ‚Verloben' kannte man kaum. Das Paar "ging miteinander", und erst wenn die "Verschreibung" vor Gericht gemacht war, war die Sache perfekt. Das war die eigentliche Verlobung." <font color="Blue">**)]
Ähnlicher Brauch im Braunschweigischen, aber auch in vielen anderen Gegenden Deutschlands [Andree 1876S. 307f., Anm. 1]. *)

112 Sitte in vielen Gegenden Deutschlands; im Westfälischen wurde der Bräutigam beim Bedienen vom Schulmeister unterstützt [Sartori 1922 S. 95]. In Gustedt bei Hildesheim musste der Bräutigam in weißer Schürze aufwarten, während die Braut den Ehrenplatz einnahm [Wegener 1879 S. 194]. Dasselbe in der Halberstädter Gegend [Arndt 1904S. 372]. In Altenburg zerlegte der Schulmeister die Speisen [Kronbiegel 1793 S. 53]. Nach der Halleschen Ordnung von 1662 sollen Kantoren und Organisten aufwarten, im Hansjochenwinkel (Hansjochenwinkel - die Gegend der Altmarkt bei Salzwedel, weil dort die Vornamen Hans Joachim unter der ländlichen Bevölkerung stark verbreitet waren [Hansjochenwinkel]), bedienten die Brautjungfern und Brautknechte. [Wegener 1879 S. 194]. *)

113 In Rohrsheim bei Halberstadt heißt danach eine große Hochzeit auch "pünd'l hochtid" [Wegener 1879 S. 192].*)

114 Über das Bereiten des Brautbettes: Wegener 1879 S. 252f.. *)

115 aufpöhlen, von pôl, pole, poel = Pfühl. *)

116 Bühre: Betttuch, Bettüberzug. [Grimm DWB] *)

117 Pfühl: ein gröszeres mit federn gefülltes ruheküssen, besonders als bettunterküssen oder etwas die stelle desselben vertretendes. [Grimm DWB]

118 In der Börde auch Spunije für Spunge (Sponde). *)

119 Ein Traiteur (frz. traiter: handeln, durchführen) ist ein traditioneller französischer Kochberuf. Früher bekochte er Großbürgertum und Adel, heutzutage wird als Traiteur ein Koch-Service bezeichnet, der für die Planung und Durchführung anspruchsvoller Festmahle für große aber auch kleine Feierlichkeiten gemietet werden kann.

120 Wocke: Flachsbündel

121 Über die Bedeutung des Spinnens bei der Hochzeit: Wegener 1878 S. 79; Andree 1896 S. 301; Niemeyer 1819 § 158ff.; Ebeling 1889 Bd. 2 S. 194. *)

122 Knobben: Kugel. Von Knopf: runder Gegenstand [Adelung "Knopf"] **)

123 Dieser Brauttanz auf dem Anger wird für die Börde mehrfach erwähnt. In Hohenwarsleben soll der Brauch bis 1810 vorgekommen sein. In Olvenstedt erfolgte der Tanz um das Spinnrad im Saale (wohl erst in späterer Zeit). [Wegener 1879 203 ff.]. Tanz in Gollwitz (Golbitz) bei Könnern im Freien auf dem Tanzhügel [Dreyhaupt 1755 Bd.II S.822]. *)

124 Wahrscheinlich, weil er Prügel von dem jungen Volke zu erwarten hatte. Dieses "Abklopfen" des Bräutigams erwähnt z.B. Immermann in seinem Münchhausen als uralte westfälische Sitte. Die Prügel gab es allerdings schon beim Verlassen der Kirche [Immermann 1890 S. 36]. *)

125 Ähnlich berichtet auch Müller 1789. Anderseits berichtet Carsted 1885 (24 Jahre nach Abfassung seiner Chronik) an das Konsistorium in einer Streitsache zwischen dem Stadtmusikus Roledder zu Egeln und dem Wolmirslebener Pfarrer Sendler, die Zeiten seien so schlecht geworden, dass Hochzeiten, die vor 20 Jahren mit Musik eine Woche dauerten, jetzt ohne Musik in einem Tage geendet würden, ja viele ließen sich in der Woche nach der Betstunde ohne Traulieder kopulieren [Musik 1785]. *)

126 Wohl einen Braukessel voll. **)

127 kurzes Fass. Für "kleines Fass", "Fässlein", "Fässchen" oder "Baril" wurde auch das Wort Tonne gebraucht [Krünitz: Faß]. Eine Tonne Bier entsprach in Preußen 100 Stof bzw. 114,5 l, ein Fass oder Gebinde entsprach 229 l.

128 Dieser Brauch des Hammelwettlaufens scheint aus Niedersachsen aus der an Schafen reichen Lüneburger Heide in die Börde gekommen zu sein. In der Dörfern der hannöverschen Ämter Kalenberg, Langenhagen und Blumenau ging das Hammelrennen mit allen Einzelheiten fast genau so vor sich, wie es Carsted schildert. Um die Mitte des 18. Jahrhunderts versuchte die hannöversche Regierung die Sitte des Hammelwettlaufens durch ein scharfes Verbot zu unterdrücken [Grotefeind 1873 S. 179 ff.]. Im Braunschweigischen verbot Herzog Karl Wilhelm Ferdinand durch Edikt vom 29. August 1798 das Hammelwettlaufen bei Schäferhochzeiten [Andree 1896 S. 255]. *)

129 Doch gab es am Ausgang des 18. Jahrhunderts in vielen Bördedörfern schon Tanzmeister, welche "ie Kinder nach Weise der Stadtjungfern müssen hopsen und gallopieren" lehren [Tanzmeister 1801]. *)

130 Puls:
Beim Läuten mehrerer Glocken beginnt man stets mit der kleinsten Glocke. Erst dann, wenn diese regelmäßig ausschwingt, wird mit dem Läuten der nächsten Glocke begonnen und so fort. Das Läuten wird in der gleichen Reihenfolge beendet: Die kleinste Glocke verstummt zuerst, die größte beteiligte Glocke läutet am längsten. Das Läuten dauert in der Regel einen sogenannten Puls lang, d. h. etwa 6 Minuten. Bei besonderen Anlässen können mehrere Pulse geläutet werden. Zwischen zwei Pulsen sind etwa 3 Minuten Pause. Dem Läuten mehrerer Glocken (Gruppengeläut) geht das Läuten von einer oder zwei Glocken voran, das etwa eine Minute lang währt. Nach einer Pause von 5 - 10 Sekunden folgt dann das Gruppengeläut. Die tiefste Glocke, die an einem Gruppengeläut beteiligt ist, läutet nach einer Pause von 5 - 10 Sekunden nochmals für eine Minute allein.

131 Pastinake: Chronik § 75 Anm..

132 Das Neujahrs-(Sylvester-)singen ist eine alte Sitte in der Börde. Verbot dieses Singens und des Heischens von Gaben in der Schönebecker Stadtwillkür von 1490 [Stadtwillkür 1490 S. 66]. *)

133 Über die Texte der Neujahrsgesänge s. Wolff 1925; Graf 1926. - In Gr. Ottersleben durften nur die 12 fleißigsten Kinder am Neujahrssingen teilnehmen [Peicke 1902 S. 241]. *)
Herrn Helmut Putzmann danke ich für die Übermittlung von zwei Liedern, mit denen er und seine Altersgenossen vor mehr als 70 Jahren in Atzendorf am Silvestertag von Haus zu Haus gezogen sind:
"Hiete is Silvester, alle Jahr einmal, ick un miene Schwester sin schon wedder da. Oh ja, oh ja, dat nieje Jahr is da".
"Ick bin nen kleiner Kenich, jebt mich nich tau wenich. Lat mick nich so lange stahn, denn ick mott noch wiederjahn". **)

134 Proben solcher von den Enken gesungenen Neujahrslieder: Wegener 1880 S. 249 f.. *)

135 Auf vielen Dörfern spielte der Küster oder Schulmeister mit der Geige zum Tanze auf. Verbot durch das General-Landschulregelment Friedrichs des Großen vom 12. August 1763 [Landschulet 1763; Danneil1876 S. 125]. Die auch als Winkelmusikanten bezeichneten Soldaten hatten jedesmal vor Ausübung ihrer Tätigkeit einen "Musikzettel" zu lösen; neben ihnen waren Stadtmusici mit ihren Leuten auf den Dörfern tätig. So hatte noch zu Carsteds Zeiten der Dorfmusikus Roledder (etwa seit 1770) in Egeln das Recht gepachtet, auf den Egelnschen Dörfern sein Gewerbe ausüben zu dürfen [Musik 1785]. *)

136 Diesen Aberglauben erwähnt Wegener auch für die Olvenstedter Gegend [Wegener 1889 S. 146]. *)

137 So auch in der Feuerverordnung vom 3. Februar 1751; die Visitation der Feuerstellen soll jährlich um die Osterzeit und zu Martini [11.11.] stattfinden; andere Feuerordnungen bestimmen monatliche oder vierteljährliche Visitationen [Feuer 1751]. *)
Im Artikel 8 der Polizei-Ordnung oder Dorfartikel des Amtes Egeln von 1585 wurde den Bauermeistern befohlen, "alle monat von haus zu haus zu gehen und fleißig achtung zu haben auf die feuerstätten, dass dieselben wohl verwahret sind" [Dorfartikel 1585]. **)

138 In der baumarmen Gegend wurde Stroh als Brennstoff verwendet, sogar vom Bäcker. **)



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