Ernst Herbsts gesammelte Regesten, Urkunden, Texte, Vorträge und Erzählungen zur
Geschichte der Deutschordensritter in ihrer Ballei Sachsen


Erzählung

Cäsar schlug die Gallier. Hatte er nicht wenigstens einen Koch bei sich?
(Bertolt Brecht)


Der Gefangene sitzet noch...

Erlesenes und Erdachtes über die Sorgen des Landkomturs
Johann v. Lossow beim Strafvollzug 1597/98

Turm der Kommende Lucklum


Erlesenes und Erdachtes über die Sorgen des Landkomturs Johann von Lossow beim Strafvollzug 1597/98
beruhend auf Akten im Landeshauptarchiv Sachsen-Anhalt, Magdeburg; Abteilung Wernigerode:
Des Hauses Lucklum jus gladii oder Halsgericht und einige desgleichen Malefits Casus derentwegen auch mit Braunschweig Wolffenbittel gehabte Irungen


Lucklum, 10./20. Juli 1597


Ein Bote aus Helmstedt hat einen Brief von der Juristenfakultät gebracht, der rege Geschäftigkeit im Haus und auf dem Hof der Kommende Lucklum auslöst. Empfänger ist Henning von Britzke, ein Mann von 51 Jahren, vor zwei Jahrzehnten als Ritterbruder in den Deutschen Orden aufgenommen, seit 1579 Komtur ("Kommandeur") der Kommende Buro (an der Elbe, unweit von Dessau) in der Ballei Sachsen des Deutschen Ordens und seit drei Jahren Anwärter auf das Amt des Landkomturs.

Henning v. Britzke (1546-1611)
Henning v. Britzke
(Detail des Leichsteins in Bergen/Börde)

Seitdem wechselt Britzke seinen Wohnsitz zwischen Buro und Lucklum, dem offiziellen Sitz des Landkomturs, unweit der Städte Braunschweig und Wolfenbüttel . Er hatte sich ursprünlich auf eine Lebensstellung in Buro eingerichtet und dort aus eigenen Mitteln investiert, seit 1597 baut er in Lucklum und streckt sein Geld dafür vor.
Der alte Landkomtur Lossow hat jahrzehntelang die Kommende Bergen nach seinen Vorstellungen ausgebaut. Wenn er nicht im Winter in seinem Haus am Domplatz in Magdeburg wohnt, führt er von Bergen aus die Geschäfte der Ballei Sachsen.

Britzke hat den Boten in die Küche geschickt, der Koch soll ihn bewirten. Dann lässt er Johann Sannemann rufen, den Schreiber des Landkomturs, der sich seit der Gefangennahme eines Raubmörders als Gast in Lucklum aufhält, die Verhörprotokolle aufgenommen hat und den Schriftverkehr in dieser Angelegenheit führt.
Sannemann hat das Siegel des Briefes erbrochen und liest vor.
Die Botschaft der Juristen entspricht den Erwartungen Britzkes und Sannemanns: die Helmstedter haben nach Einsicht in die Protokolle der "peinlichen Befragungen" entschieden, dass der im Turm der Kommende gefangene Übeltäter rechtmäßig verhört wurde und nun ebenso rechtmäßig ins Jenseits zu befördern ist. Er soll mit dem Rad zu Tode gebracht werden, nachdem ein Richter mit vier Schöppen ihn öffentlich verurteilt und der Gerichtsbote, der Büttel, den Stab über ihm gebrochen hat.

Britzke lässt Sannemann einen kurzen Dank an die Herren in Helmstedt verfassen, entnimmt der eisernen Lade, der Schatztruhe des Komturs, unter Klagen über die Höhe der Geldforderungen die Gulden für das Gutachten, versiegelt sie in einem ledernen Beutel und händigt dem Boten das Schreiben, den Beutel mit der verlangten Summe und den Botenlohn aus. Der Koch soll ihm eine Zehrung für den drei bis vier Meilen weiten Weg nach Helmstedt mitgeben.
Dann lässt der Komtur seinen Vogt holen, und zu Dritt wird über die Vorbereitungen auf die Hinrichtung beraten.

Es fehlt durchaus an Erfahrungen: seit Jahrzehnten wurde in Lucklum keinem Dieb die Hand abgeschlagen, keinem Mörder der Strick um den Hals gelegt, kein Räuber aufs Rad geflochten. Deshalb ging es wohl neulich nicht so ganz korrekt beim Verhör zu. Glücklicherweise hatte der Gefangene schon beim Anblick des Instruments, das man Jungfer nennt, die Tat gestanden. So hatte man auf einen Fachmann fürs Foltern verzichtet.

Wann soll die Hinrichtung stattfinden?
Der Übeltäter ist fressendes Kapital - er muss ernährt und bewacht werden, ohne nützliche Arbeit zu leisten. Er soll deshalb so schnell es geht hingerichtet werden. Zu bedenken ist, dass das Verfahren einen ganzen Tag in Anspruch nehmen wird. Die Leute der Komturei und der umliegenden Orte werden sich das seltene Schauspiel nicht entgehen und die Arbeit liegen lassen. Wenn die Ernte begonnen hat, kann man sich das gar nicht leisten - da wird jeder Tag als Arbeitstag gebraucht. Auch muss Britzke wie jedes Jahr rechtzeitig in seine entfernte Kommende Buro reisen, den Stand der Dinge in den Auseinandersetzungen mit dem Fürsten von Anhalt prüfen und Anweisungen zur Ernte geben. Da wird er ein paar Tage lang nicht in Lucklum sein. Er will aber beim öffentlichen Gericht und der Hinrichtung nicht fehlen.

Wer muss benachrichtigt werden?
Als Hauptakteure werden neben dem armen Sünder ein Richter, vier Schöffen (auf gut Magdeburgisch "Schöppen") und ein Gerichtsbote gebraucht. Dafür kommen nur freie Männer aus dem Gerichtsbezirk des Ordens in Frage - die Ordensritter der Ballei. Das Amt des Richters wird der Landkomtur selbst wahrnehmen. Er residiert in Bergen bei Seehausen in der Börde. Die anderen Ritterbrüder müssen aus Weddingen bei Goslar, Langeln bei Wernigerode und Aken an der Elbe kommen. Sie sind zu benachrichtigen und ordnungsgemäß einzuladen. Das und ihre Anreise wird einige Tage dauern. Britzke entscheidet, die Hinrichtung auf den kommenden Montag als frühest möglichen Termin festzusetzen. Die Boten werden instruiert und auf den Weg geschickt - die Tage sind lang und die Nächte klar. Bis morgen Mittag kann auch der entfernteste der Ritterbrüder die Einladung erhalten haben.
Das Volk der umliegenden Gemeinden soll von seinen Pfarrern eingeladen werden. Sannemann wird sie aufsuchen und nachdrücklich bitten, am Sonntag über die Verbrechen gegen Leben und Eigentum zu predigen und ihre Schäflein für Montag nach Lucklum zu zitieren. Mit dem Pfarrer von Lucklum wird Britzke selbst sprechen. Der soll den armen Sünder auf sein Ende vorbereiten und ihn auf seinem letzten Gang begleiten.

Wo soll die Hinrichtung stattfinden?
Dafür gibt es den alten Platz. Der Vogt soll zwei vom Gesinde beauftragen, ihn von Müll und Unkraut zu befreien. Er soll auch dem Wagner Weisung geben, ein geeignetes Rad zu suchen und für seine Aufstellung zu sorgen. Sannemann hat zwei Einwände.

Jost Amman: Der Wagner
Jost Amman: Der Wagner

Erstens: wenn ein Rad aufgestellt werden, also waagerecht auf einem senkrecht stehenden Pfahl befestigt werden soll, um den Gefangenen darauf zu legen, ihn "aufs Rad zu flechten", dann ist das ebenso wie die Errichtung eines Galgens eine unehrenhafte Aufgabe.Der Radmacher oder Wagner wird sich zu Recht weigern, sein Beruf gehört nicht zu den ehrlosen. Der Vogt soll die Schäfer und den Müller mit seinen Knechten anweisen. Das sind Leute mit unehrlichen Berufen , die können das tun.
Zweitens: Britzke möge doch das Gutachten der Doktoren in Helmstedt herüberreichen. Aha, dort ist eindeutig formuliert, dass der arme Sünder sei MIT dem Rad, nicht AUF dem Rad vom Leben zum Tode zu bringen ist. Da entfällt das Aufstellen des Pfahles, aber für das Ansehen des Komturs wäre es schon angebracht, ein neues Rad in Auftrag zu geben.

Hinrichtung mit dem Rad

Hinrichtung mit dem Rad

Als der Koch ein neues Gericht aufträgt und der Kellermeister das Bier nachschenkt, hat Britzke hat an die erfreulicheren Dinge des Lebens beim Sterben von Henkes Hand gedacht. Küche und Keller sollen sich auf die Beköstigung der Gäste einrichten. Die werden spätestens am Sonntag eintreffen.
Und das Henkersmahl? fragt der Koch.
Ja, zum Henker, an den haben wir noch gar nicht gedacht, der gehört ja zu den Hauptpersonen des Spektakels.
Er meine aber nicht das Mahl für den Henker und seine Gesellen, daran wolle er schon denken, er wollte an den armen Sünder erinnern und sein Recht von Alters her, die Wünsche für die letzte Mahlzeit erfüllt zu bekommen.
Darum soll der Koch sich kümmern, er bereite doch sowieso jeden Tag das Essen für den Gefangenen und bringe es ihm in den Turm.
Der Koch wird zurück in die Küche geschickt. Morgen soll er in Wolfenbüttel die Spezereien für die Gasterei einkaufen.

Jost Amman: Der Koch

Jost Amman: Der Koch

Wer aber soll den Übeltäter hinrichten?
Britzke meint, der Schlachter kenne sich doch mit dem Töten aus. Sannemann warnt. Eine Hinrichtung muss im heiligen römischen Reich genauso wie die Folter nach Recht, Gesetz, Ordnung und Vorschrift erfolgen, das kann und darf nur ein ausgebildeter und anerkannter Profi tun. Im Personalbestand der ganzen Ballei Sachsen gibt es keinen, der diese Aufgabe übernehmen könnte oder dürfte. Schließlich kommt der rettende Einfall: im Nachbarort Evessen lebt Meister Papst, der Hochrichter des Herzogs von Braunschweig-Wolfenbüttel. Papst ist zwar wie sein Vater ein viel beschäftigter Mann, besonders erfahren in der peinlichen Befragung und Hinrichtung von Hexen und Zauberern - aber gegen eine angemessene Gebühr wird er mit seinen Knechten den Richtplatz fachmännisch herrichten und das Urteil vollstrecken. Ein geeignetes Rad wird er mitbringen. Morgen wird man einen Boten nach Evessen schicken.

Letzter Einwand Sannemanns: Zum Einsatz des Scharfrichters müssen der Kanzler und die Räte in Wolfenbüttel ihre Zustimmung geben. Eine Formsache, meint Britzke, schreib mal an meine guten Freunde in Wolfenbüttel, den Großvogt Arndt von Quirstedt und den Amtmann Wilhelm Wackerhagen. Die Sache eilt, den Brief schaffst du morgen selbst aufs Schloss, da kann der Koch sich anschließen, die Antwort und den Auftrag für Papst bringst du dann gleich wieder mit.

Eine Dienstreise in die nahegelegene Residenzstadt - Sannemann hat keine Einwände.
Es ist schon finster geworden, als er den Brief schreibt, in dem Britzke seinen günstigen und guten Freunden in Wolfenbüttel mitteilt, er halte in Lucklum einen Übeltäter gefangen, von dem er ein Geständnis besitze. Das habe er der Juristenfakultät in Helmstedt zur Begutachtung übersandt. Inzwischen sei von dort der Bescheid eingegangen, der Missetäter sei für sein Verbrechen mit dem Rade vom Leben zum Tode zu strafen. Er, Britzke, wolle den armen Sünder künftigen Montag rechtfertigen . Dafür fehle ihm aber der Henker. Deshalb ersuche er freundlich um Hilfe und einen Auftrag an den Hochgrafen Hans Papst aus Evessen. Er schließt mit dem ganz freundlichen Bitten an den Großvogt und den Amtmann: sie möchten Hans Papst neben andern Gerichtspersonen, die er zu sich nehmen wird, günstig erlauben, daß er mir dem armen Sünder das peinliche Halsgericht sitzen und verrichten möge.

Der Koch will der erste sein, der dem Übeltäter die Nachricht von seiner bevorstehenden Hinrichtung überbringt. Dieser Schurke hat ihn in den Tagen seit der Gefangensetzung wegen des schlechten und knappen Essens verhöhnt und beschimpft. Welch Triumph, ihm als erster sein schreckliches Ende anzukündigen! So wartet er nicht bis zur nächsten Essenausgabe. Er klettert die Leiter am Turm hinauf, öffnet die Luke, die das Eingangsloch zum Verließ verschließt und teilt die gute und die schlechte Nachricht mit: die Aussicht auf ein Mahl nach Wunsch und die Aussicht auf das Rad am kommenden Montag.

Der Gefangene könnte geantwortet haben: lieber ein Ende mit dem Schrecken des Rades, als der Schrecken ohne Ende in diesem Loch.
So kamen - vielleicht - der Gefangene und sein Ernährer zum ersten mal in ein Gespräch, das sich nicht in wechselseitigen Beschimpfungen erschöpfte.




Wolfenbüttel, 12./22. Juli 1597

Der Kanzler sitzt zur Audienz bei seinem Fürsten, dem Herzog Heinrich Julius. Zuerst plaudert man über die wichtigen Dinge des Lebens: eine neue Komposition des Hofkapellmeisters Michael Praetorius, die Aufführung eines Schwanks aus der Feder des Herzogs durch die englische Schauspieltruppe, die Erwartungen an die diesjährige Ernte, die bevorstehende Reise des Herzogs in seiner Eigenschaft als Bischof von Halberstadt nach Gröningen, in sein Schloss, die Fortschritte beim Ausbau des Wolfenbütteler Stadtteils Heinrichstadt. Man geht über zur Hohen Politik. Ist wieder einmal ein Schreiben aus Prag eingegangen mit der Bitte des Kaisers Rudolf um ein "Bedenken", einen Rat? Ist nicht.

Beiläufig erwähnt der Kanzler die Vorsprache des Boten aus Lucklum, der seit gestern in der Kanzlei die Klinken putze. Die in Lucklum haben einen Gefangenen und ein Gutachten der Helmstädter Juristen. Sie wollen den Hochgrafen Papst ausleihen, der soll den Übeltäter am kommenden Montag aufs Rad flechten und tot schlagen. Großvogt und Amtmann haben das Ersuchen an die Kanzlei weitergeleitet. Die Räte zögern noch, dem Ersuchen stattzugeben, und halten Sannemann hin.

Heinrich Julius freut sich. Jetzt haben wir die Mantelherren in der Falle, meint er. Als Rektor der Universität Helmstedt wurde er von den Doktoren der Juristischen Fakultät selbstverständlich über den Fall und das Ersuchen des Landkomturs Lossow informiert, ein Rechtsgutachten zu liefern. So oft kommt es nicht vor, dass in diesen friedlichen Zeiten ein Mörder und Räuber vor Gericht steht, und die Bitte des Deutschen Ordens um Rechtsbeistand ist eine absolute Rarität. Er hat seinen Doktoren empfohlen, ein Gutachten und eine Empfehlung für die Höhe und Art der Strafe zu liefern, so, als sei das bisherige Verfahren in Lucklum nicht zu beanstanden.

Tatsächlich hat er als Präsident seines Hofgerichts am Vorgehen des Landkomturs und seiner Leute mancherlei auszusetzen: die Tat liegt Jahre zurück, Zeugen und Indizien gibt es nicht, nur einen Denunzianten; das "peinliche Verhör" wurde von Laien vorgenommen, und wie man hört, ist der Gefangene ein schwächlicher Mensch, der schon beim Anblick der "Jungfrau" gestand, was man ihm in den Mund legte.
Hat er alles gestanden, was es zu gestehen gab? Man hat von vornherein einen Raubmord und damit Geldgier als Motiv unterstellt. Es ist aber merkwürdig, dass der Täter nur einmal getötet und geraubt hat, dann mehr als acht Jahre lang nicht mehr. Hat er ein Verbrechen gestanden, das er gar nicht begangen hat? Oder war das Verbrechen ein Racheakt und gar kein Raubmord ? Der Täter wurde nicht nach seinen Eltern und Geschwistern befragt. Wenn nun die erschlagene Frau vor Jahren seine Mutter oder seine Schwester der Hexerei beschuldigt hatte? Ein gründliches Verhör brächte vielleicht zu Tage, dass der Übeltäter selbst der Zauberei mächtig ist...

Der wichtigste Einwand gegen das Verfahren ist aber der Tatort. Der Raubmord wurde auf einer Straße bei Seesen begangen. Seesen liegt am Westrand des Harzes und ist von Lucklum so weit entfernt, dass man sich fragt, woher der Orden das Recht nehmen will, den angeblichen Raubmörder zu richten. Sein Argument: die Tat wurde auf einer "kaiserlichen Straße" verübt. Da will sich wohl der Orden als Vertreter des Kaisers auf allen Heerstraßen im ganzen Land aufspielen.

Seit der Fall der Helmstedter Fakultät vorgetragen wurde, gehört es zum Plan des Herzogs, den Landkomtur mit einem Gutachten in Sicherheit zu wiegen. Wenn sie meinen, ihr Verfahren sei rechtlich, lassen sie sich vermutlich zu übereilten Schritten hinreißen. Dann lässt sich unter dem Schein des Rechts ein altes Ordensprivileg beseitigen, und die Halsgerichtsbarkeit des Ordens wird an das Hofgericht des Herzogs gebracht. Und wenn der Orden die Halsgerichtsbarkeit in Lucklum aufgeben muss, lässt sich eine juristische Beweiskette aufbauen, dass nicht nur die Gerichtsbarkeit der Komturei Lucklum dem Gericht in Wolfenbüttel zusteht, sondern die der ganzen Ballei Sachsen, mindestens aber die der Kommenden Göttingen und Weddingen. Lucklum ist der offizielle Sitz des Landkomturs, die "Landkomturei", entzieht man Lucklum ein Recht, dann entzieht man es nicht nur der Komturei, sondern der ganzen Ballei. Zumindest ließe sich leicht beweisen, dass Bergen im Erzstift Magdeburg gar keine selbständige Kommmende ist, sondern von jeher zu Lucklum gehörte.

Der arme Sünder in Lucklum ist der Haken, an dem der Fisch - die Gerichtsbarkeit über die Komtureien des Deutschen Ordens - an das Fürstentum Braunschweig-Wolfenbüttel gezogen werden kann. Der Beifall und die Unterstützung des Grafen Wolf Ernst von Stolberg, Herr der Grafschaft Wernigerode, seines ehemaligen Statthalters und Hofrichters in Wolfenbüttel ist ihm im Erfolgsfalle gewiss. Ebenso die Unterstützung des Fürsten von Anhalt Joachim Ernst. Der eine lag mit dem D.O. im Streit um die Rechte der Kommende Langeln, der andere im Streit um Rechte der Kommende Buro.
Der Kanzler soll seine Räte anweisen, dem Landkomtur zu schreiben, er solle den Gefangenen entweder dem Gericht des Herzogs ausliefern oder den Beweis erbringen, dass der Kommende Lucklum die Halsgerichtsbarkeit zustehe. Zugleich solle dem Komtur eine hohe Strafe angedroht werden, falls er den Gefangenen der Gerichtsbarkeit des Herzog durch Hinrichtung oder Freilassung entziehen sollte. Da werden der Landkomtur und sein Britzke in der Klemme sitzen.

Die Haltung des Herzogs gegenüber dem Deutschen Orden und ganz besonders gegenüber dem Landkomtur Lossow hat eine lange Vorgeschichte.
Vor mehr als 30 Jahren hatte es noch ein gutes Einvernehmen zwischen Herzog Heinrich dem Jüngeren, dem Großvater des regierenden Herzogs, und dem damaligen Landkomtur Georg Sehl gegeben.
Sehl war ein Jahrzehnt lang Landkomtur gewesen, bevor er im Januar 1563 starb. Damals hatte Herzog Heinrich einen ganz höflichen und freundlichen Brief an Wolfgang Schutzbar, den Hoch- und Deutschmeister des Deutschen Ordens von 1543 bis 1566, verfasst und sogar eigenhändig unterschrieben. Darin erinnerte er daran, dass Georg Sehl vor Jahren mit der LandtCompterey der Ballei in Sachsen Teutsches Ordens Luckelm, in unserm Fürstentum gelegen, belehnt worden war und sich in allem seinen Tun so gehalten, erzeigt und bewiesen hat, dass er uns gar wohl zu leiden gewesen ist, weshalb Heinrich ihn auch als unsern Landrat bestellt und letztlich zu unserm Hofrichter gemacht hatte. Um dieses gute Verhältnis zwischen dem Vertrteter des Deutschen Ordens und dem Herzog von Braunschweig auch künftighin aufrecht zu erhalten, bat er den Deutschmeister, seinen Stallmeister, den Herrn Claus von Wangen, als Landkomtur einzusetzen. Das sei einer vom Adel, den wir nun lange Jahre in unserer Kammer gehabt haben und noch haben. Der sei auch fremder Sprachen ziemlich erfahren.

Im Orden urteilte man anders über Georg (oder Jürgen) Sehl als Landkomtur, und dies nicht nur, weil er eidbrüchig geworden war und Kinder gezeugt hatte, sondern auch wegen seiner in ungleiche Teile geteilten Loyalität - der größere und bessere Teil galt dem Herzog, der kleinere dem Orden und dem Hoch- und Deutschmeister. Schutzbar sah in der Bitte Herzog Heinrichs, die Ballei Sachsen einem herzoglichen Beamten zu überlassen, einen Angriff auf die Rechte des Ordens in Personalfragen und ließ den Herzog abblitzen. Der Deutschmeister folgte stattdessen dem Wunsch des sächsischen Kapitels, der beschließenden Versammlung der Ritterbrüder der Ballei Sachsen, und beauftragte Heinrich Gamm, den Komtur von Langeln, mit der Führung der Balleigeschäfte . Gamm brüskierte dann Wolfenbüttel, als er der Mutter der - nach den Ordensregeln illegitimen - Kinder seines Vorgängers Sehl einen damastenen Rock, ein Bett und anderes Eigentum nicht herausrückte, das diese in unruhigen Zeiten in die Komturei Lucklum gebracht hatte.

Herzog Julius war es mit dem Nachfolger des Hoch- und Deutschmeisters nicht besser ergangen als seinem Vater mit Wolfgang Schutzbar. Er setzte sich 1571 nach dem Tode des Balleisthatthalters Heinrich Gamm - die Würde des Landkomturs hatte der nicht erlangt - in Mergentheim bei Georg Hund von Wenckheim, Hoch- und Deutschmeister von 1566 bis 1571, für Burkhardt von Barby als Nachfolger Gamms ein. Burkhardt war damals schon Landkomtur der Ballei Thüringen - seine Wahl und Berufung hätte nach fast sieben Jahrzehnten der Trennung eine Wiedervereinigung der beiden Ordensprovinzen unter einem Landkomtur bedeutet. Aber Deutschmeister Georg hatte, wie sein Vorgänger Wolfgang, den Wunsch des Welfenherzogs ignoriert und der Wahl des sächsischen Balleikapitels zugestimmt. So war Johann v. Lossow erst der Verwalter, dann der Statthalter der Ballei geworden.

Johann von Lossow (1523-1605)

Johann v. Lossow
(Leichstein in Bergen/Börde)

Lossow kam aus dem ostelbischen Gebiet des Erzstifts Magdeburg und hatte keine Beziehungen zum Hause Braunschweig - wenn man die Waffenbrüderschaft Lossows und der Söhne Heinrichs des Jüngeren im Feldzug des Kurfürsten Moritz v. Sachsen gegen Markgraf Albrecht Alcibiades v. Brandenburg-Culmbach vernachlässigt. Die Schlacht bei Sievershausen im Juli 1553 lag reichlich vier Jahrzehnte zurück. Damals hatten die Truppen des Kurfürsten Moritz, an dessen Seite Herzog Heinrich der Jüngere kämpfte, die Truppen des Markgrafen Albrecht besiegt. Der Kurfürst und die beiden ältesten Söhne Herzog Heinrichs - Karl Viktor und Philipp Magnus - waren gefallen. So war der drittälteste Sohn Julius der Nachfolger seines Vaters geworden. Johann v. Lossow hatte die Schlacht überlebt und war einige Jahre danach Amtshauptmann des Magdeburger Domkapitels in Egeln und Deutschordensritter geworden. Zu Beginn der 70er Jahre begann dann sein Aufstieg zum Landkomtur der Ballei Sachsen - eine Karriere, wie sie seinerzeit Heinrich der Jüngere seinem Stallmeister v. Wangen zugedacht hatte: als ein seinen Herren vertrauter und treu ergebener Diener zum mächtigen Mann im Deutschen Orden.

Aber mit den Sonderrechten des Deutschen Ordens auf dem Herrschaftsgebiet des Herzogs von Braunschweig sollte auch ohne die alten Geschichten und persönlichen Querelen endlich aufgeräumt werden. Herzog Heinrich Julius wusste, dass er hier das gleiche Lied sang wie andere Landesherren, auf deren Territorien Komtureien der Ballei Sachsen lagen: die Kurfürsten von Sachsen, die Fürsten von Anhalt, die Grafen von Wernigerode-Stolberg... Es war an der Zeit, die alten Exemtionsrechte des Ordens so zu beseitigen, wie im Verlauf der Reformation die Rechte der meisten Klöster mitsamt den Klöstern aufgehoben worden waren. Es war an der Zeit, die Landesherrschaft, die uneingeschränkte Souveränität der kleinen und großen Fürsten über ihr Territorium herzustellen, die Vorbedingung für künftige deutsche Kleinstaaterei und demokratischen Föderalismus.


In der Küche. Holzschnitt 16. Jh.

Lucklum, 12./22. Juli 1597

Seit gestern Abend wartet Britzke in Lucklum auf die Rückkehr Sannemanns. Er ist zuerst nicht beunruhigt gewesen - der Gesandte kann in der Landeshauptstadt aufgehalten worden sein. Der Koch war mit seinen Einkäufen zurück, er hatte Sannemann zuletzt auf dem Weg zur herzoglichen Kanzlei, dem neuen prächtigen Palazzo, gesehen. Britzke hätte Verständnis, wäre der Schreiber - ein Sekretär, keine Schreibkraft! - einer Einladung des Großvogts oder des Amtmanns zu einem Gelage gefolgt und hätte sein Nachtlager in Wolfenbüttelgenommen. Sannemann ist erprobt, auf den ist Verlass, der weiß die Ordensgeheimnnisse auch dann noch zu hüten, wenn er biervoll oder weintrunken nicht mehr gerade stehen oder gehen kann. Britzke würde es sogar verstehen - ohne es zu billigen - wenn Sannemann sich eine Aufführung der englischen Schauspieltruppe angesehen und dann vor dem verschlossenen Tor der Festung gestanden hätte. Was macht es schon aus, ob die Zustimmung des Vogts und des Amtmanns zum Nebenerwerb des Nachrichters Papst einen Tag früher oder später kommt.

Aber als Sannemann gegen Abend eintrifft, sieht ihm Britzke an, dass etwas dumm gelaufen sein muss. In der Tat: der Großvogt und der Amtmann haben die Verantwortung für die Entscheidung nicht übernommen. Sannemann hat zwei Tage lang versucht, den Kanzler zu erreichen, wurde an die Räte verwiesen, die dem Komtur die guten Dienste ihres Henkers verweigern. Sie bezweifelten das Recht des Ordens auf die Halsgerichtsbarkeit. Ein schriftlicher Bescheid käme demnächst, die Hinrichtung sei bei Androhung einer hohen Strafe aufzuschieben. Komtur Britzke könne den Gefangenen aber auch sofort an den Herzog ausliefern.
Britzke wütet. Aber er kann nicht auf Konfrontationskurs zum Landesherrn gehen. So werden Boten ausgesandt, um die Einladungen zurück zu nehmen. Sannemann soll selbst am folgenden Tag nach Bergen reisen und den Landkomtur informieren.

Der Koch muss das Mahl für die Gäste und die Henkersmahlzeit vom Programm streichen. Da klettert er wieder im Mondenschein mit einer, wie er meint, guten und einer schlechten Nachricht zum Einstiegsloch ins Verließ.

Über die "gute Nachricht" - dass die Hinrichtung verschoben und der Gefangene nach Wolfenbüttel ausgeliefert werden soll, entsetzt sich der Gefangene.
Wenn er ausgeliefert wird, kann er leicht unter den Verdacht der Zauberei geraten. Heinrich Julius ist ein bekannter Hexenjäger. Der Koch erinnert sich an einen Besuch in der Residenzstadt Wolfenbüttel. Bei Schlendern über den Markt wurde er von der Ankündigung eines Theaterspiels angelockt. Zur Aufführung kam ein Drama , das der Herzog höchstpersönlich geschrieben hatte: die »Tragica Comoedia von der Susanna«. Unter dem Beifall der Zuschauer hatte der Vater der Heldin Helkia in merkwürdiger Aussprache - die Schauspieler waren Engländer - aber laut und verständlich gesagt: »Gott hat befohlen, man soll keine Zauberer leben lassen, sondern mit Feuer verbrennen; denn Zauberer und Zauberinnen fallen ab von Gott, verläugnen Gott, verbinden sich mit dem Teufel, buhlen mit ihm und fügen durch des Teufels Hülfe den Leuten Schaden zu«.

Selbst wenn es nicht zum Schlimmsten käme, zum Verdacht der Zauberei: eine neue, diesmal vorschriftsmäßige peinliche Befragung würde durch das Gericht in Wolfenbüttel ganz bestimmt angeordnet werden. Er weiß ebenso wenig wie der Koch, dass eine Verordnung des Herzogs Julius von Braunschweig seit 1570 die Folter durch detaillierte Vorschriften regelt. Die Folterverordnung des Herzogs Julius ist unter der Regierung seines Sohnes, des Feingeists Heinrich Julius, Anleitung für den Henker und seine Knechte geblieben. Aber Koch und Gefangener haben in heimlichen Gesprächen mit Leuten, die es wissen müssten, Gersprächen im Flüsterton hinter vorgehaltener Hand, von den Folterpraktiken in Wolfenbüttel und anderswo in den Braunschweiger Landen gehört. Der Gefangene hat den Beginn einer peinlichen Befragung noch in frischem Gedächtnis.

Die Tortur würde mit dem ersten Grad beginnen: dem Fesseln der Hände auf dem Rücken, den Daumenschrauben, Daumenstöcke genannt, und der Peitsche.
Wenn er standhaft leugnete, musste er den zweiten Grad erdulden: man würde ihn scharf einschnüren, bis die Haut aufriss, und man würde ihm die Beinstöcke anlegen und zuschrauben.
Sollte er wider Erwarten immer noch halsstarrig bleiben, käme es zum dritten Grad: die Glieder würden ihm auf der Leiter mit dem " gespickten Hasen" ausgereckt.
Vom Gutbefinden der herzoglichen Kanzlei hinge es dann ab, ob danach noch andere geeignete Mittel zur Verschärfung der Qualen angewendet würden.

Das Streckbett mit drei 'gespickten Hasen'

Das Streckbett mit drei ‚gespickten Hasen'

Weder der Koch noch sein Gast im Turm können schreiben und lesen. Und selbst wenn sie es könnten, hätten sie nie die Gelegenheit erhalten, eine im Jahre 1597 soeben im Druck erschienene Schrift zu Gesicht und in die Hände zu bekommen, in der der Jurist Hartwig von Dassell zu Lüneburg, ein Gesinnungsgenosse des Hexentilgers Heinrich Julius von Braunschweig, das ganze Verfahren übersichtlich beschrieben hatte. Sie wissen nicht einmal, dass Sannemann diese Schrift aufmerksam gelesen hatte, bevor er als Aufseher über die Folterung des Gefangenen mit der peinlichen Befragung begann.
Um zu verhüten, daß die der Hexerei Angeklagten nicht das maleficium taciturnitatis ausüben, soll man vorher die geeigneten Vorsichtsmaßregeln anwenden. Namentlich ist darauf zu sehen, daß sie nicht etwa in Kleidern und Haaren ein Amulett versteckt halten.
Man lasse sie sodann binden, wobei der Richter es versuche, bei der Zurüstung und Anlegung der Marterwerkzeuge sie zum Geständnis zu bringen.
Hat dieses keinen Erfolg, so beginnt die Tortur.
Führt auch diese nicht zum Ziel, so ist den Angeklagten ein Termin auf den zweit- oder drittnächsten Tag zur »Fortsetzung« der Tortur zu setzen. Dabei pflegen die Henker der Vorsicht wegen zu protestieren und der Richter zu interloquieren , daß sie einstweilen mit der Fortsetzung der Tortur Anstand nähmen.
In der Zwischenzeit sorgt der Richter dafür, daß die Gefolterten nicht allein bleiben, weil sie sonst, vom Teufel aufgereizt, einen Selbstmord versuchen könnten.
An dem anberaumten Tage muß der Richter sie abermals ernstlichst ermahnen, um sie zu einem freiwilligen Geständnis zu treiben. Fruchtet dieses nichts, so läßt er sie auf die Folter bringen, und während sie in die Höhe geschraubt werden, läßt er ihnen die Aussagen ihrer Genossen, mit Verschweigung der Namen, vorlesen und ruft ihnen zu: Ihr seht also, daß ihr durch Zeugen überführt seid!
Wenn das alles noch nicht hilft, so darf man die Angeklagten doch noch nicht freigeben, sondern man schafft sie vielmehr nach einem entfernten castrum (Hexenturm etc.).
Wenn sie dort mehrere Tage zugebracht haben, gibt der Vogt eine weite Reise vor und läßt inzwischen die Verhafteten durch abgeschickte Weiber besuchen, die sich mit ihnen unterhalten und ihnen versprechen müssen, daß sie ihnen die Freiheit verschaffen wollten, wenn sie ihnen nur etwas Hexerei beibringen wollten.
Bleibt aber auch dieses erfolglos, so kann ihnen der Richter das Todesurteil verkündigen und kann sie auch, wenn die Umstände es erlauben, anscheinend zur Hinrichtung hinausführen lassen, um sie zur Reue zu bringen.
Hilft auch dieses nichts, so muß er sie fragen, ob sie die glühende Eisen- oder die Wasserprobe wagen wollten. Antworten sie im Vertrauen auf die Hilfe des Teufels mit Ja, so entgegnet ihnen der Richter, daß er doch eine solche Reinigung als auf ein vom Teufel ersonnenes Blendwerk nicht gestatten könne.
Beharren dann die Angeklagten auch jetzt noch bei ihrem Schweigen, so hat sie der Richter in lebenswierige Haft zu nehmen, wobei sie dann vielleicht der carceris squalor, der Dunst des Gefängnisses, zum Geständnis treibt, oder wo sich neue Indizien ergeben, die zu neuer Anwendung der Folter berechtigen.
Legen aber die Angeklagten endlich ein Geständnis ab, so hat alsbald die gewöhnliche Hinrichtung durch Feuer einzutreten.

Kommende Bergen, 03./13. August 1597

Nach einem durchzechten Abend und einer kurzen Nacht sitzen vier Herren im Komtursaal der Kommende Bergen: der Landkomtur Johann von Lossow, sein Schreiber Johann Sannemann, der Komtur von Buro und designierte Koadjutor Henning von Britzke und der Syndikus des Ordens Valentin Krüger. Den hat Britzke aus Braunschweig geholt.
Johann von Lossow ist ein gut erhaltener Herr von 74 Jahren. Er hat den heruntergekommenen Ordenshof Bergen, der Jahrzehnte lang zur Kommende Lucklum gehört hatte, nach seinen Vorstellungen gestaltet, zur Kommende erhoben und zu seiner Residenz gemacht. Das unter seinen Vorgängern verfallene Wohnhaus hat er erweitern und über dem Komtursaal einen Turm mit Schweifhaube, Uhr und Glocke errichten lassen. Eine Tafel an der Westfront des Turmes wird davon noch vier Jahrhunderte später künden
MIT.GOTTES.gvnst.hab.ICH.DIS.
HAVS.GEBESsert.vnd.GEBAVET.AVS.
DO.ES zuvor.durcHAVS.VORFALLEN
WIE INdes.noch.beWVST.IST.ALLEN.
die.widertat.voN. SCHELM.VND.BOSE.
wicht.IN.BAW.UNT.BESSERUNG.
hat.vfgerICHT.H. HANS.VON.
lossow.LANTCOMMENTOR.1586
Tafel am Turm der Kommende Bergen (1586)

Tafel am Turm der Kommende Bergen (1586)

Johannes Sannemann ist der Mann im Hintergrund des Landkomturs, sein Vertrauter, Notar und Gesandter in kniffligen Angelegenheiten. Schon in den 60er Jahren, als Lossow ein Ritterbruder ohne Amt im Orden und Hauptmann des Amtes Egeln war, hat er Lossows Briefe entworfen und eigenhändig geschrieben. Seine Handschrift auf den Briefen Lossows und schließlich auf einer Kopie seines Testaments hat die Jahrhunderte überdauert - sein Name ist nur in einziges Mal in einem Bericht über eine gescheiterte Mission in einem Prozess gegen den Grafen Albrecht Georg von Stolberg im Sommer 1575 zu finden.

Gewöhnlich wohnt Sannemann in der "Schreiberei" der Kommende Bergen. Die lag, wenn man den Kommendehof betrat, gleich neben dem Pforthaus vor dem "Reisigen Stall", dem Stall für die Reit- und Kutschpferde mit der Rüstkammer darüber. In die Schreiberei gelangte man vom Hof über eine Außentreppe. Eine kleine Steigleiter neben der Treppe führte in das Obergeschoss. Man weiß nicht, ob dieses Gebäude im Bedarfsfall als Gefängnis diente. Überliefert ist nur, dass die beiden "Jungfern" in diesem Raum aufbewahrt wurden. Das Untergeschoss hatte nur einen Raum mit zwei Fenstern, ringsum an den Wänden waren Bänke zum Sitzen und Schlafen angebracht. - So steht es in einem Protokoll aus dem Jahre 1632 .

Komtur Henning von Britzke mit seinen 51 Jahren ist der jüngste im Quartett. Er ist ein entfernter Verwandter des Landkomturs. Noch nach Jahrhunderten wird auf den Leichsteinen beider Ritter in einer Ecke die Katze mit der Maus im Maul - de Katte mit de Muus in't Muul - zu sehen sein, das Wappentier der Katten aus dem Kattenwinkel, dem Elbe-Havel-Winkel im Jerichower Land.
Seit Otto v. Blanckenburg, der streitlustige Komtur der Kommende Langeln, langjähriger Stellvertreter und designierter Nachfolger des Landkomturs, in Ehren aus dem Orden entlassen wurde und seither auf seinen Gütern in Hildebrandshagen und Schlepkow in der Uckermark als Junker, Ehemann und Vater einer immer noch anwachsenden Kinderschar wirkt, ist Britzke zu Lossows Hoffnungsträger geworden. Schon vor drei Jahren hat er den DeutschmeisterMaximilian III. von Österreich in Mergentheim gebeten, Britzke zum Koadjutor zu ernennen, d.h. als ihn zu seinem Stellvertreter und als Kandidaten für die Nachfolge zu bestimmen.
Der Deutschmeister Maximilian war ein Bruder des Kaisers Rudolf und ein gescheiterter Bewerber um den polnischen Königsthron. Die Ordensgeschäfte führten der Statthalter Marquard v. Eck und die Räte in der Deutschordenskanzlei. Räte, Kanzler und Hochmeister ließen sich Zeit bei der Entscheidung über die Ernennung Britzkes.

Valentin Krüger ist ein alter Herr, wie Lossow. Er war schon 1572, als Lossows Aufstieg vom bestellten Statthalter zum vereidigten Landkomtur der Ballei begann, Gerichtssekretär der Stadt Braunschweig und Rechtsvertreter des Ordens - sein Syndicus . Inzwischen lebt er auf dem Ordenshof in Braunschweig. Als Lossow vor drei Jahren sein Testament verfasste, hat er Krüger mit 100 Talern aus seinem Nachlass bedacht, vielleichtahnend, dass die nicht zur Auszahlung kommen würden, weil der alte Haudegen zählebiger war als der alte Aktenfuchs.

Jost Amman: Der Procurator

Jost Amman: Der Procurator

Britzke ist wütend und laut, die anderen Herren sprechen leise mit besorgten Mienen. Sie wissen, dass es bei der Verweigerung der Hilfe im Prozess nicht um den armen Sünder im Turm zu Lucklum, sondern um die Rechte des Ordens geht.
Sannemann verliest das Schreiben der Räte aus Wolfenbüttel und Britzkes. Den wollen sie vor dem Überbringen mit dem Landkomtur beraten. Krüger, der die Briefe bereits gelesen hat, empfiehlt dringend, unverzüglich den Deutschmeister zu informieren und Sannemann als Botschafter nach Mergentheim zu schicken.

In seinem Antwortbrief versichert Britzke dem edlen, gestrengen, ehrenfesten und hochgelehrten verordneten fürstlichen braunschweigischen Kanzler und seinen Räten zu Wolfenbüttel, seinen günstigen Herren und Freunden, er könne nicht glauben, dass der Herzog ihm seine Gerichtsbarkeit bestreiten wolle, an diesem Privileg des Ordens könne doch kein Zweifel bestehen. Als Beweis führt er an:

Vom hochgrafen zu Evessen Hans Pabst, dem vater des jetzigen hochgrafen, ist es noch wohl bekannt, dass er auf ansuchen des herrn landkomturs Georg Sehl und als es das amt zu Wulffenbüttel erlaubte, etliche mal über den gefangenen Arnt Udeleben das peinliche halsgericht für den orden hier getan hat.
Auch alte leute im gericht erinnern sich daran, besonders Hans Bosse und Tomas Bauckheißen zu Bolzum , die damals dem peinlichen Hochgericht mit beizuwohnen verordnet gewesen und sich um die gebühr gebrauchen lassen.
Herzog Heinrich der Jüngere hat zu seiner zeit mit schreiben an den landkomtur Georg Sehl des ordens gerichtsbarkeit anerkannt.

So ist auch die Gerichtsstelle, da vor Jahren Übeltäter gerichtet worden, noch vorhanden und augenscheinlich zu sehen, und irret [es ist kein Argument gegen diese Feststellung] nicht, dass daselbst keine galgen und räder vorhanden sind - darum, wenn man nicht allezeit Diebe zu hängen und Mörder umzubringen hat, verliert man seine Gerichtsbarkeit nicht.
So ist es auch an dem, dass anno 1590 am sonntage trinitatis Heinrich Koch von Schöppenstedt, des Ulrich von Weferlingen kutscher, allhier einen teichgräber erschlagen hat und deshalb gefänglich eingezogen, auch deswegen gefangen gehalten wurde, zugleich aber, wie er im gefängnis krank geworden und des entleibten freunde ihn nicht verklagt haben, dem getöteten am ende aber selbst ursache zu dem streich gegeben haben, dass er (Heinrich Koch) notwehr gebrauchte, ist ihm auf fürbitten Ulrichs von Weferlingen und anderer guter leute das gefängnis erlassen und er aus des ordens gericht am 28. September des selben jahres verwiesen worden. Woraus sich dann ja gewiss ergibt, dass dem orden sowohl die peinlichen als auch die bürgerlichen gerichte zustehen.

Lossow billigt den Brief, nachdem der Syndikus Krüger daran erinnert hat, dass im braunschweigischen Recht die Berufung auf Fälle größere Bedeutung hat als die Berufung auf geschriebenes Recht. Krüger schlägt in groben Zügen den Brief an den Deutschmeister vor. Lossow kann sich auf Krüger verlassen - er soll Sannemann das Schreiben in die Feder diktieren.
Lossow wird Britzke inzwischen zeigen, was er inzwischen in Bergen bauen ließ.

Nach dem Essen - das Herrenbier aus dem Bergener Brauhaus regt den Appetit und die Redelust an - verliest Sannemann den Brief.

Wir haben zu Lucklum einen verbrecher sitzen, welcher auf kaiserlicher freier heerstraße ein weib ermordet und beraubt hat. Denselben wollen wir, auf eingeholte rechtsbelehrung, richten lassen. Und haben zu solchem behuf die fürstlichen räte schriftlich ersucht, dass sie uns zur bestellung des peinlichen halsgerichts etliche Leute aus ihres gnädigen fürsten und herrn gerichten leihen wollen. Aber sie haben begehrt, dass wir beweisartikel übergeben, und zuvor, dass der orden die gerichte habe, beweisen sollen.
Ob wir nun wohl nicht schuldig wären, uns mit beweis beladen zu lassen, so ist uns wohl bekannt, dass man alhie nicht das recht in acht hat, sondern via facti prozessiert. Wie uns dann bei strafe von dreihundert goldgulden auferlegt worden ist, den mörder nicht eher hinrichten zu lassen, wir haben denn bewiesen, dass dem orden die gerichte zustehen.
Darum haben wir eine kopie von unserer über die gerichte vorhandenen fürstlichen verschreibung eingeschickt, wie euer fürstliche gnaden dieselbe neben der kopie des schreibens der fürstlichen räte, hierbei verwahrt, gnädigst zu finden haben, worauf den räten auf ihr schreiben, mit A. notiert, geantwortet wurde, wie die kopie mit B. ausweist.
Wenn uns die räte die gerichtsleute nicht leihen wollen, so muss ich auf andere wege gedenken, dass das gericht bestellt und der gefangene gleichwohl gerichtet werde.
Dem herzog wollen wir ihn nicht folgen lassen , wie uns die räte anmuten. Denn dem orden ist nichts gutes daraus zu vermuten. Ebenso trachtet man dem orden auf allerlei weise nach, wie man die hände in des ordens güter bringen könne, und ist zu befürchten, es werde ihnen schließlich (wo dem herzog, dass er den orden müsse gewähren lassen, nicht ernstlich mandiert werde) gelingen, und ihr Vornehmen angehen. Davor doch der liebe gott den orden gnädiglich behüten wolle.
Johann von Lossa Landtc. Der Balley Sachsen T.O.

Lucklum, August/September 1597

Der Koch und sein Küchenjunge steigen jeden Tag, bei Sonnenschein und Regen, bei Wind und Wetter die Leiter hinauf zum Gefangenen. Der Junge trägt Speise und Trank, und weil der Koch sich mit dem Gefangenen fast angefreundet hat, ist das nicht nur Wasser und Brot. Der Küchenjunge muss auch täglich den Eimer mit den Exkrementen entleeren, obwohl das nicht zu seinen Aufgaben gehört und seine Sympathien für den armen Sünder merklich mindert. Der Koch erinnert den Vogt, wenn mal wieder das Stroh für das Lager auszutauschen ist. Koch und Eingekerkerter schwatzen miteinander, und manchmal singen sie in einer hellen Mondnacht mehr laut als schön fromme und unfromme Gesänge, und die Hof- und Jagdhunde heulen dazu.

Der Koch versorgt den Gefangenen auch mit Klatsch und Tratsch.
Auf die alltägliche Frage, ob denn aus der Ordenszentrale in Mergentheim schon Antwort auf den Brief des Landkomturs gekommen sei, muss er jedesmal den Kopf schütteln.

Erst Anfang Oktober kann er berichten, dass Sannemann von seiner Reise nach Mergentheim zurückgekehrt ist. Komtur Britzke wurde nach Bergen zitiert, den Syndikus Krüger soll er aus Braunschweig holen. Was Maximilian der Deutschmeister oder seine Räte geschrieben haben, konnte der Koch noch nicht auskundschaften. Er wird aber dranbleiben.


Bergen, Ende September 1597

Wieder sitzen Lossow, Britzke, Krüger und Sannemann im Komtursaal zu Bergen.

Über seine Reiseabenteuer und seine Eindrücke in Mergentheim hat Sannemann bereits ausführlich berichtet.
Unter vier Augen hat er Lossow über ein vertrauliches Gespräch mit einem der Räte des Deutschmeisters informiert. Sannemann hatte schwören müssen, diese Information nur dem Landkomtur zu übermitteln, und auch der sollte diese Nachricht geheim halten - wie ja Geheimhaltung von Ordensangelegenheiten den gleichen Rang unter den Ordensregeln hatte, wie die Grundregeln des Gehorsams, der Armut, der Keuschheit und des bewaffneten Kampfes gegen die Ungläubigen.

Es ging um die Beziehungen zwischen dem Hoch- und Deutschmeister Maximilian und seinem Bruder, dem Kaiser Rudolf II., und um die Beziehungen zwischen Herzog Heinrich Julius und dem Kaiser.

Zwischen Rudolf, dem ältesten Sohn des Kaisers Maximilians II. und seinem Nachfolger im Jahre 1576, und seinen jüngeren Brüdern Matthias und Maximilian gab es seit langem Spannungen. Die hatten sich zu beinahe öffentlicher Feindseligkeit entwickelt, seit der Kaiser den Bruder Maximilian bei der Königswahl in Polen hatte im Regen stehen lassen.
Seit Maximilian im Jahre 1585 zum Hoch- und Deutschmeister im Range eines geistlichen Fürsten gewählt worden war, hatte er sich weniger um den Orden als um seine Karriere als weltlicher Fürst gekümmert.
1587 stellte er sich der Wahl zum König von Polen und unterlag seinem Mitbewerber Sigismund Wasa, dem schwedischen Prinzen mit einer polnischen Mutter aus dem Hause der Jagiellonen.
Als schlechter Verlierer versuchte Maximilian, die Frage militärisch zu lösen, und wurde vom polnischen Kronfeldherren Jan Zamojski geschlagen und gefangen genommen. Erst nach Interventionen des Papstes Sixtus V. wurde er freigelassen.
1589 verzichtete er endgültig auf die polnische Krone.
Sein kaiserlicher Bruder Rudolf hatte sich in diese Auseinandersetzungen nicht eingemischt. Stattdessen hatte er in Sigismund Wasa einen Partner gefunden, der wie er den persönlichen Neigungen zu den schönen Künsten und zu den Wissenschaften nachging und gute Beziehungen zwischen Polen und Österreich anstrebte. Diese Beziehungen wurden 1592 durch die Ehe Sigismunds mit Anne von Österreich vertieft.
Deutschmeister Maximilian war in den Jahren 1593 bis 1595 Regent in Innerösterreich gewesen, jetzt war er Regent in Tirol und agierte als konsequenter Anhänger der Gegenreformation. Die Ordensgeschäfte betrieben der Kanzler und seine Räte in Mergentheim.
So bestand von daher wenig Hoffnung, den Kaiser als weltlichen Oberherren des Ordens (der geistliche Oberherr war der Papst) für die Interessen der Deutschordensballei Sachsen einzuspannen.

Zu dieser schlechten Nachricht aus Mergentheim kam eine noch schlechtere.
Die Mergentheimer hatten ihre Informanten am Kaiserhof auf dem Hradschin in Prag. Die hatten berichtet, dass der kunstliebende, rechtskundige und vom Glauben an Hexerei und Zauberei beseelte Herzog Heinrich Julius von Braunschweig die Gunst des Kaisers in wachsendem Maße genoss. Er wurde immer häufiger um einen Rat aus Wolfenbüttel oder Gröningen gebeten.

Aus beiden Gründen würden der Kaiser und seine Räte bei einer Auseinandersetzung zwischen dem Orden und dem Herzog von Braunschweig mit Sicherheit Partei für den Herzog ergreifen. Deshalb kam die geheime Empfehlung aus Mergentheim, im Fall des armen Sünders im Turm zu Lucklum die Konfrontation zu vermeiden und auf bessere Zeiten unter einem besseren Kaiser zu warten.

Sannemann hatte sich am 14. August auf die Reise begeben. Der Brief aus Mergentheim wurde am 15. September verfasst. Im modernen katholischen Mergentheim rechnete man schon seit mehr als 15 Jahren nach dem Kalender des Papstes Gregor, im konservativen protestantischen Bergen galt nach wie vor der Kalender des Julius Cäsar. Nach dem Julianischen Kalender stammte der Brief aus Mergentheim vom 5. September.

Die Räte empfehlen diplomatisch, sich nicht mit dem Herzog von Braunschweig auf einen Streit einzulassen, sondern anderswo die "Gerichtspersonen" - den Hografen, Nachrichter oder Henker mit seinen Knechten - zu suchen. Sie meinen, die Stadt Braunschweig könne doch mit ihren Leuten helfen.
Sannemann hatte in Mergentheim an die uralten Spannungen zwischen der Stadt und den Herzögen von Braunschweig erinnert. Es war kein dummer taktischer Schachzug, aus dem Konflikt zwischen Lucklum und Wolfenbüttel einen Konflikt zwischen der Stadt Braunschweig und dem Herzog von Braunschweig-Wolfenbüttel zu machen.
Aber die Braunschweiger Ratsherren waren auch nicht dumm, und sie hatten es abgelehnt, ihren Henker mit seinen Knechten zur Verfügung zu stellen.

Nach der Beratung mit seinen Vertrauten beauftragt Lossow den Schreiber Sannemann, den Antwortbrief nach Mergentheim zu entwerfen.

Den gefangenen habe ich allhier noch sitzen und weiß noch nicht, wie ich seiner abkommen solle. Denn weil ihr wohl für ratsam angesehen, dass der rat der stadt Braunschweig um etliche seiner gerichtsleute aus dem gerichte zu ersuchen sein solle, habe ich solches getan und der rat hat sich dazu erboten. Doch so haben sie es nicht anderer gestalt tun wollen, als dass ich ihnen kaution stellen sollen, so dass es dann ihnen ohne alle gefahr, schaden und nachteil geschehen sollte.
Welches ich aber nicht tun können, weil des landesfürsten gewalt zu besorgen ist.
Darum habe ich den gefangenen noch sitzen und weiß nicht, wie ich ihn ohne gefahr hinrichten lassen könnte. Denn des ordens leute sind der bescheidenheit nicht, dass mit ihnen ein peinliches halsgericht bestellt werden könnte.
Dem fürsten aber den gefangenen folgen zu lassen, will dem orden nicht zu raten sein. Darum erbitte ich noch ein rätliches bedenken, wie doch mit dem gefangenen zu gebaren sein wolle, so dass dem orden an seinen gerichten nichts vergeben oder versäumet werden möge.

Die Kommunikation zwischen Bergen und Lucklum funktioniert nicht nur auf der Komturebene, auch die Köche haben ihre Informanten und Informationskanäle. So kann der Koch in Lucklum, der's vom Kutscher des Komturs in der Küche zu Bergen gehört hat, dem Gefangenen berichten, dass vorerst das Rad des Richters noch ruhen kann und dass man sich schon mal Gedanken machen muss, wie man im Turmverließ den kommenden kalten Winter überleben wird.


Bergen, Mai 1598

In Lucklum haben der Koch und einige seiner Freunde den Gefangenen über den Winter gebracht - mit viel Stroh, alten Fellen und Decken, warmen Getränken und Gesprächen über Gott und die Welt. Ein Feuer durfte man im Verließ nicht entfachen. Eine Katze erfüllte die Funktion einer Wärmflasche.

Manchmal pochen fahrende Leute auf dem Weg nach Braunschweig oder nach Schöppenstedt ans Tor der Kommende und bitten um Zehrung und Obdach. Wenn jemand unter ihnen ein guter Erzähler ist, wird ihm vom Koch ein Besuch des armen Sünders im Turm angeboten. Er muss dem aber mindestens einen Schwank zum besten geben.
Mit Neuigkeiten und Schwänken bezahlen die Wanderer gewöhnlich Beköstigung und Nachtlager.

Ein fahrender Schüler aus dem Brandenburgischen hat, als er vom Übeltäter im Turm erfuhr, erst dem Küchenpersonal und dann dem Turmbewohner die

des brandenburgischen Eulenspiegels Hans Clauert erzählt.

Wie Clauert an seine Statt den Kerkermeister gefangenleget

Nach dem großen Brandschaden zu Trebbin, der Anno 1565 geschah, war den Bürgern von ihrem Landesfürsten und Herrn, dem Kurfürsten zu Brandenburg, vergünnet, auf der zoßnischen Heiden etliche Schock Stucke Bauholz zu hauen, weil zu Erbauung der Stadt auf der trebbinischen Heiden nicht genungsam Holz zu finden war. Do nun ein jeder seine Anzahl gefället, waren ihrer viel, die Armuts wegen das Holz von der Heiden nicht zu Haus schaffen konnten, daß also viel doselbst verfaulet. Daruber Eustachius von Schlieben , Hauptmann zur Zossen, sehr zornig ward, schwur und sagte, den nächsten, so von Trebbin käme und ihn um Holz ansprechen wurde, wollt er lassen ins Gefängnüs werfen.
Solchs ward dem Rat zu Trebbin angesagt, die sich wohl befurchten, was der Häuptmann geschworen hatte, das würde er gewißlich halten. Wußten derhalben nicht, wen sie doch wohl zu dem Hauptmann abfertigen möchten, der Gunst bei ihm hätte, weil die Stadt noch unerbaut war, bis endlichen das Los auf Clauerten fiel, der bei dem Hauptmann angenehm war.
Denselben beschickten sie, verhießen ihm wohl doppelten Lohn und die freie Zehrung, daß er dem Häuptmann einen Brief gen Zossen bringen sollte. Clauert gedachte nicht, daß die Sache so gar gefährlich wäre, ließ ihm das Botenlohn gefallen und nahm den Brief an.

Do er nun gen Zossen kam und das Schreiben uberantwortet hatte, sagte der Häuptmann zu ihm: "Du loser Hurensohn, mußt du eben der erste sein, der zu mir kommt, um Holz zu werben. Nun wohlan, ich habe geschworen, das muß ich halten", und sagt zu dem Wächter: "Geh her und führe mir diesen in den Turn hinauf", unangesehen, daß Clauert sonsten doselbst gar wohl gehöret war. Dann auf dem Schlosse zur Zossen hält man stets zween Wächter, die des Tags auch Wasser in die Küchen tragen und die Gefangene verwahren müssen.

Der Wächter tat nach des Hauptmanns Befehl und führet Clauerten zu dem Turn, der sehr hoch ist und dazumal nur auswändig zwo Leitern hatte, darauf man hinaufsteigen mußte, daß es auch wohl hinaufzusteigen gefährlich war.
Clauert stellet sich als ein Gehorsamer, ging bis zu den beiden Leitern und sagt zu dem Wächter: "Lieber Peter, steige du voran, so will ich dir folgen, und zeige mir doch, wo ich zum Turn hineingehen soll, daß ich nicht hinabfalle, dann ich mich gar wenig mit dem Gesichte behelfen kann, und wie ich gehöret habe, soll oben im Turm ein Loch sein, do man die Ubeltäter hinunterläßt", do er doch die Gelegenheit besser wußte, als man ihm hätte sagen mügen.

Der Wächter glaubte seinen einfältigen Worten, steig vor ihm hinauf, bis er in die Tür kam, und sagte: "Hans, hieher folgt mir, hieher, wo ich gehen werde." Unterdes ergreift Clauert die Tür und schlug sie hinter dem Wächter zu, achtet seines Geschreies nicht, stieg herab und ließ seinen Kerkermeister sitzen.
Weil es aber um die Zeit war, daß man zu Abend essen wollte, setzet sich Clauert zu des Hauptmanns Knechten, schweig still und gedachte die Mahlzeit zu vollbringen. Das Gesinde aber konnte das Lachen nicht verhalten, darüber die Häuptfrau dahin zu schauen verursacht ward, und do sie Clauerten siehet sitzen, spricht sie zum Häuptmann: "Junker, habt Ihr Clauerten lassen gefangenlegen?"
Er sagte: "Ja, mich wundert, was der Schalk gedenken wird."
Die Frau sagte: "Sitzet doch Clauert beim Gesinde uberm Tisch."
Der Häuptmann drehet sich mit seinem Stuhel herum, darin er vorm Tische saß, und sprach: "Siehe, Clauert, was machst du hie? Hab ich dich nit lassen in den Turn stecken?"
Clauert antwort: "Ach ja, Herr Häuptmann, aber ich habe einen andern an meine Statt gebracht, der will so lang vor mich sitzen, bis ich gegessen habe, dann das Abendmahl war bereitet, und ich hatte den Tag nicht viel gessen, derhalben ich auf Wege gedenken müßte, wie ich zur Mahlzeit käme."
Der von Schlieben sagte: "Ich dörfte wetten, er hätt mir den Wächter eingesperret?"
Dem Clauert antwortet: "Ja, Herr Häuptmann, ich habe sonsten keinen nähern finden können, der mir diesen Dienst bestellen wöllen."
Der Häuptmann sprach zu seiner Hausmutter: "Catharina, das kann nicht ungestraft bleiben, ich will ihn dir ubergeben."
Die Häuptfrau fordert Clauerten an ihren Tisch und ließ eine küpferne Kandel voll Wein heraufbringen, welche Clauert zur Strafe austrinken sollte.
Clauert sagte: "Ach, Frau, solche Strafe wollt ich alle Tag leiden."
Der Wächter aber mußte an Clauerts Statt zween Tage und zwo Nacht im Turn liegen.


Und weil die 32. Historie beim Gefangenen gut angekommen ist, gibt der fahrende Schüler die 33. als Zugabe.


Wie Clauert noch einen andern an seine Statt setzet

Eben auf solche Weise hat es Clauert hiebevor zu Trebbin auch getrieben, do er einmal wegen etlicher Verbrechung neben einem Weibe zu Trebbin, die Ridderin genannt, in die Eisen geschlagen war und im Rathause lagen, kommt der Stadtdiener des Abends zu sie, bringet Holz und Kohlen und macht ihnen ein Feur, daß sie sich wärmen könnten.
Solche Wohltat gedachte Clauert zu vergelten, gab Geld und ließ dem Stadtknecht flugs Bier holen, stellet sich auch, ob er selber am heftigsten trinken tät, nahm doch kaum das Bier in den Mund und richtet seine Sache dahin, daß der Stadtknecht trunken ward und er nüchtern bliebe.
Do nun der Stadtknecht mit dem Trinken ubereilet ward , legt er sich bei Clauerten nieder und entschlief gar feste.
Clauert aber hatte wohl Achtung darauf gegeben, wo der Stadtknecht die Schlüssel zu den Fesseln gelassen, darum er sie leichtlichen zu finden wußte. Machte sich also los von seinen Banden und schloß den Stadtknecht hinein zu dem Weibe, ließ sie beide schlafend liegen, nahm die Schlüssel mit sich und ging zu Haus, kam auch nicht ehe wieder, dann als der Tag anbrechen wollte.

Do er sie beide noch fand schlafend, weckt den Stadtknecht auf und sagte: "Stehe auf, du sollt eilend zum Bürgermeister kommen."
Der Stadtknecht wollt eilends laufen, und indem er aufwischt, schleppet er das Weib mit sich, die anfing zu schreien: "Ach, Clauert, Clauert, haltet still, oder Ihr werdet mir den Schenkel ausreißen."
Clauert sagte: "Welcher Teufel tut dir etwas, stehe ich doch allhie gar stille."
Do begunnt der Stadtknecht erst zu merken, daß er gefangen war, bat um Gottes willen, daß ihm Clauert ja diesen Spott nicht beweisen, sondern sich selber wieder einschließen sollte.
Dem Clauert antwortet: "So wäre ich ja närrischer dann alle Narren, wann ich dies täte. Nein, mein Gesell, verzeuch eine Weile und versuch's auch einmal, wie eine schöne Kurzweil es ist, so man gefangen liegt", ging damit hin zum Bürgermeister, bracht ihm die Schlüssel und erzählet ihm, wie er des Gefängnis wäre entlediget worden. Dafur der Stadtknecht in den Fesseln zur Warnung drei Tag mußte gehorsam halten.

Und die MORAL von der Geschicht'?

Zu Rom ist es furwahr geschehn,
Daß einer sollt zum Galgen gehn.
Denselbn errett ein furnehm Mann,
Daß er kam mit dem Lebn darvon.

Nicht lang hernach ohn alle Schuld
Verlor derselb des Kaisers Huld.
War uber ihn auch gar beschloßn,>
Der Kaiser wollt ihn henken laßn.

War doch in Rom kein Mensch zu findn,
Der diesen wollt an Galgen bindn:
Allein den er zuvor errett
Vom Strick, sich solchs erbieten tät.

Also noch auf den heutign Tag
Man von der Welt wohl sagen mag,
Wer andre denkt aus Not zu lösn,
Der muß sich selbst versehn des Bösn.


Anfang Mai kommt ein Bote aus Mergentheim nach Bergen mit einem Brief aus der Deutschordenskanzlei.
Sannemann bringt das Schreiben nach Lucklum, und was er dem Komtur Britzke vorliest, wird in den wichtigsten Auszügen auch in Küche und Turm bekannt.

Die Räte haben sich bedacht und geben den Rat, der Gefangene möge eine genugsame Urfehde schwören, dass er sich Zeit seines Lebens in Ungarn wider den Türken gebrauchen lässt, sich in Begleitung dahin verfügt, und sich bei Tag und Nacht nicht von seinen Begleitern entfernen wird, bis er die ungarische Grenze erreicht hat. Dann wird er für alle Zeiten des Landes, besonders aber des Ordensgebietes, verweisen.

Einen Satz zitiert der Koch wörtlich, den hat sich Britzke drei mal vorlesen lassen und ihn dann in Gesprächen mehrfach kopfschüttelnd wiedergegeben:

Und raten solches neben anderem auch aus der besonderen Erwägung, dass der arme Sünder nunmehr über das halbe Jahr im Karzer oder Turm gewesen ist, der sonst mehr eine Verwahrung als eine Strafe sein soll, und so langwieriges Gefängnis kann mit Enthauptung wohl verglichen werden.

Bergen, Juni bis Oktober 1598

Es dauert einen Monat, bis Lossow und Sannemann am 5. Juni den Antwortbrief formulieren. Man hat sich vorher in Wolfenbüttel vorsichtig erkundigt, wie der Herzog und seine Kanzlei auf die Entlassung des Gefangenen nach Ungarn reagieren würden.

Inzwischen gibt es einen neuen Konfliktstoff. Großvogt, Amtmann und Amtsschreiber zu Wolfenbüttel haben dem Komtur Britzke ein betrohliches Schreiben geschickt, in dem sie ihn wegen Verletzung von Jagdrechten des Herzogs anklagen. Der Landkomtur hat einen Gegenbrief geschrieben, aber die Sache ist nicht aus der Welt.

So teilt man den Mergentheimern zunächst mit: der Gefangene sitzet noch.
Was ja auch bedeutet: er hat den Winter überlebt und muss weiterhin verköstigt und bewacht werden.

Dann danken sie den Räten für den gut gemeinten Rat, geben aber mit allem Respekt zu verstehen, dass dies kein guter Rat war. Denn zu ihrem Bedauern müssen sie erklären, dass Herzog Heinrich Julius ihnen bei 300 Gulden Strafe verboten hat, den Gefangenen nach Ungarn zu entlassen.
Die Begründung aus Wolfenbüttel: der Mann könnte sich dort vom Erbfeind gebrauchen lassen.

Und Lossow ist auch der Meinung, dass der Gefangene als ein Übeltäter seinem Verdienst nach Todes gestraft werden möchte.

Der Bote aus Bergen mit dem Brief vom 5. Juni Julianischer, 15. Juni Gregorianischer Zeitrechnung (05./15.06.) könnte unterwegs dem Boten aus Mergentheim begegnet sein, der einen Brief vom 08.06. Gregorianischer oder 29.05. Julianischer Rechnung nach Bergen trägt. Neue Ratschläge sind daraus nicht zu entnehmen. Lossow beantwortet ihn gar nicht. Man bereitet sich auf die Ernte vor und hat auch noch andere Probleme.

Der Markgraf Johann Georg von Brandenburg, mit dem Beinamen Oeconomicus, seit 1571 Kurfürst, war im Januar 1598 gestorben. Sein Sohn Joachim Friedrich war seit 1566 der Administrator des Erzbistums Magdeburg gewesen, als Friedensfürst und Ordner seines Landes hat er wenig Chancen, künftig in Deutschen Geschichtsbüchern erwähnt zu werden. Jetzt wurde er Kurfürst von Brandenburg, und das Magdeburger Domkapitel hatte, gegen weitgehende Zugeständnisse, den elfjährigen Markgrafen Christian Wilhelm von Brandenburg zum Adminitrator gewählt. Die Stadt Magdeburg verweigerte die Huldigung. Der Landkomtur als getreuer Vasall des Domkapitels und Komtur Britzke aus dem Jerichower Land standen in den Auseinandersetzungen auf der Seite der Domherren.

Ende September traf der nächste Brief aus Mergentheim ein, geschrieben am 19./29. September, und Landkomtur Lossow entwarf schon am 29. September (Bergen) / 08. Oktober (Mergentheim) die Antwort .
Er schreibt:

Auch kann ich euch nicht bergen, dass der Gefangene zu Lucklum itziger Zeit noch gefänglich sitzet, wie er auch meines Erachtens, wofern nicht kaiserlicher Befehl vom Kammergericht deswegen einkommt, wohl solange wird gefänglich gehalten werden müssen, bis er endlich im Gefängnisse umkommt, sintemal niemand vorhanden ist, der sich seiner annehmen und ihn auszubürgen gemeinet ist, und er sonst ohne Bürgen der Gefängnis, wo ferne dem Orden dadurch nicht Nachteil zugezogen werden soll, nicht zu entlassen ist.
Und ist zum Erbarmen, dass dem Orden allenthalben dermaßen zugesetzt wird.
Der Kanzler und die Räte wollen deswegen helfen auf Wege zu gedenken, wie doch den Sachen zu raten, damit der arme Gefangene in seiner Haft nicht gar umkommen, und auch dem Orden an seinem Rechte nicht Nachteil deswegen zugezogen werden möge.

Dieser Briefentwurf, wäre er dem Gefangenen und dem Koch zur Kenntnis gelangt, hätte sie wohl zu Recht beunruhigt.

Bevor die Bitte um Hilfe geäußert wird, einen Weg zu finden, wie die Gefangenschaft ohne Nachteil für den Orden beendet werden kann, ist der Ausweg schon genannt worden: bis er endlich im Gefängnis umkommt.
Das Dementi nach der Bitte - damit der Gefangene in seiner Haft nicht gar umkomme - muss auch einen Begriffsstutzigen mit der Nase auf die Lösung stoßen, die Britzke und Lossow erdacht haben.

Aber wie es scheint, ist der Brief gar nicht nach Mergentheim geschickt worden. Er enthält weder Adresse und Anrede noch den Eingangsvermerk der Ordenskanzlei wie die anderen Briefe. Und im nächsten Schreiben, mehr als ein halbes Jahr später, sind neben weiteren die selben Argumente zu finden. Es scheint, die Herren trugen noch Bedenken, ihren Mordsplan vorzuschlagen. Vielleicht hofften sie auf die biologische Lösung ihres Problems im kommenden Winter.


Bergen, 06./16. April 1599

Aber der Gefangene in Lucklum hat auch den zweiten Winter im Turm überlebt. Er wird nun schon seit zwei Jahren auf Kosten des Ordens ernährt und beherbergt.

Bei den kleinen Leuten in der Umgebung ist er inzwischen eine Art Märtyrer geworden. Zwar würde niemand von ihnen sich das grausliche Vergnügen entgehen lassen, seiner Hinrichtung zuzuschauen - aber die lange Gefangenschaft und die Berichte aus der Komturei über seinen elenden Zustand haben auch Mitleid geweckt. Wehe dem Henker, der bei der Urteilsvollstreckung einen Fehler beginge!

Lossow, der den Gefangenen bis dahin noch nicht gesehen hatte, hat ihn bei einem Besuch in Lucklum aus dem Turm holen lassen. Einen guten Eindruck hat er dabei nicht gewonnen - der jämmerlich aussehende kleine Mann verhielt sich nicht demütig-unterwürfig oder ängstlich-ehrfürchtig, er antwortete freimütig und gab sich, was sein weiteres Schicksal betraf, gleichmütig. Kriegswaffen wisse er nicht zu gebrauchen, mit Pferden könne er nicht umgehen, und schwere Arbeit könne er nach der langen Haft kaum leisten. Zu nichts zu gebrauchen, der Mann. Lossow will das Problem endlich los werden - und das bedeutet, er will den Gefangenen los werden, ohne dass er ihn von der Gefangenschaft erlösen kann.

So hat er erneut Henning von Britzke aus Lucklum und Valtin Krüger aus Braunschweig nach Bergen zitiert. Der alte Entwurf des Antwortschreibens liegt auf dem Tisch. Gemeinsam mit dem Schreiber Sannemann beraten sie über einen neuen Brief.

In dem ist dann zu lesen:
Der gefangene sitzet noch. Darob ich wohlgemeinet gewesen, ihm die haft zu erlassen und ihm aufzulegen, dass er sich nach Ungarn begeben und wider den Türken gebrauchen lassen sollte, so lassen sich doch gute leute bedenken, dass er unter dem kriegsvolke nicht würde gelitten werden, wie er denn auch zum kriegsmann nicht geschickt ist. Wäre auch zu befahren, weil er ein böser bube ist, dass er vielleicht das dorf hier anstecken oder sonst dem orden an andern orten schaden zufügen möchte. Denn es ist niemand, der sich für ihn loben will.
So kann ich auch in der nähe keinen scharfrichter bekommen, welcher ihn richten wollte. Fürchten sich alle vor dem herzog von Braunschweig, weil seine fürstlichen gnaden dem orden das gericht nicht zugestehen will.
So wird doch mit guten siegeln und briefen, auch mit herzog Heinrichs hochlöblichen gedenkens und seiner fürstlichen gnaden vornehmer räte hand und Siegel bewiesen (ungeachtet dass wir solches nicht schuldig gewesen sind), dass die gerichte dem orden zustehen, dass meine vorfahren in exercitio jurisdictionis gewesen sind, ich dies auch noch bin,
weil vor etzlichen jahren der kutscher Ulrichs von Weferlingen alhier einen deichgräber erstochen, und ich denselben habe gefangen hierher bringen lassen, hernach aber, auf fürbitte des von Weferlingen, ihn aus der gefangenschaft entlassen und auf ewig verwiesen habe, weil der entleibte ein anfänger des streits gewesen ist und selbst die ursache zu der entleibung gegeben hat.
Ich wüsste schier keinen besseren rat, wenn es vor unserem herrgott zu verantworten wäre, als dass man ihn im gefängnis sterben ließe, weil er doch das leben verwirket hat.
Ich will doch ohne eueren rat hierin nichts verhängen und bitte mir denselben nochmals mitzuteilen.

Allen ist klar, was dieser Brief bedeutet. Der Tod des Gefangenen soll das Problem lösen.
Zweifel an der Rechtmäßigkeit dieser Lösung haben sie wohl alle. Sonst hätte Britzke den Übertäter schon längst unter die Erde bringen lassen und Lossow hätte seinen Brief vom Oktober vergangenen Jahres nicht zurück gehalten.

Die Antwort aus Mergentheim ist mehrdeutig. Sie wurde in Kurzfassung auf die Rückseite des Briefes geschrieben:

Den noch in gefangschaft zu Luckulum sitzenden übeltäter anbelangend, ist mir wieder geantwortet, dass mans bei eurer vorigen mir mitgeteilten meinung verbleiben lasse, ihn auf eine galeere wider den Türken zu bringen. Wenn nicht und auch sonst seine lediglassung ordenshalber zu befürchten ist, wäre es wohl das beste, wenn er nicht vielleicht in squalore carceris verstirbt.

An Britzke bleibt der Auftrag hängen, für das unauffällige Ableben des armen Sünders zu sorgen. Er war es wohl auch, der am stärksten auf die schnelle gewaltsame Lösung gedrängt und die Einwände des Juristen Krüger niedergebrüllt hat.

Bevor Lossow den Brief versiegelt, will er von Sannemann wissen, was "squalore carceris" bedeutet und woher er diesen ungewöhnlichen Ausdruck hat. "Das bedeutet im Dunst oder im Gestank des Kerkers," sagt der. Und er habe die Worte aus einem ganz neuen Buch über die Folter, geschrieben von dem Lüneburger Rechtsgelehrten Dassel.
"Der liest zu viel", denkt Lossow, "die Leute sind gefährlich."

Sannemann muss sich mal wieder auf den Weg nach Mergentheim machen. Der Auftrag ist delikat, der Brief darf unter keinen Umständen in fremde Hände geraten. Die vier Herren versprechen einander ausdrücklich, was ohnehin zu ihren Ordensritterpflichten gehört: strengste Geheimhaltung.
Sannemann soll um eine Audienz bei Marquard von Eck ersuchen, dem Statthalter des Hoch- und Deutschmeisters. Eine mündliche Antwort auf die Anfrage soll genügen.


Lucklum, April - Juli 1598

Während der langen Sitzung in Bergen ist es laut zugegangen. Die Herren haben auf die Dienerschaft so wenig geachtet wie auf die Hunde, die im Zimmer herumlaufen. Aber irgend jemand vom Gesinde ist fast immer im Raum. Essen und die Getränke werden herbei und das gebrauchte Geschirr mit den Essensresten weg geschafft, im Kamin muss Holz nachgelegt werden - die alten Herren sind wärmededürftig. So erfahren die Köche und der Kutscher, der sich in ihrer Gesellschaft am wohlsten fühlt, von dem mörderischen Plan, bevor er zu Papier gebracht wird.
Am nächsten Tag wissen auch der Koch und der Gefangene in Lucklum davon.

Nun werden sie auf die Rückkehr Sannemanns warten und wollen hoffen, der Deutschmeister und seine Räte würden dem Landkomtur und seinem Komtur den Mord verbieten. Sie haben doch bisher Ratschläge gegeben, die mehr Verständnis für den Gefangenen als für die Probleme der Ritterbrüder bewiesen.

Die Rückkehr Sannemanns zieht sich hin, und als er schließlich in Lucklum eintrifft, nach Berichterstattung beim Landkomtur in Bergen, macht er kein Geheimnis daraus, dass er den Kanzler v. Eck nicht erreicht und auch sonst keine Nachricht mitgebracht hat. Aus Britzkes Verhalten kann man schließen, dass der Landkomtur zum Abwarten rät.

Nach zwei Jahren Haft hat sich der Gefangene an das Leben in Turm gewöhnt. Der Koch hat ihn so gut versorgt, dass er jetzt kräftiger ist als vor zwei Jahren, und nicht nur der Koch klettert die Leiter hinauf, um mit ihm zu schwatzen. Aber nur mit dem Koch spricht der Gefangene über die beiden Fragen, die ihn am stärksten bewegen, seit der Mordplan der Komture ruchbar wurde.
Wann und wie will ihn der Komtur umbringen lassen?
Wann und wie ist die Flucht möglich?

Wann er umgebracht werden soll, können beide ziemlich genau ausrechnen. Sie nehmen an, dass der Komtur Britzke eine Nachricht aus Mergentheim abwarten wird. Auf eigene Faust einen Gefangenen zu töten, das geht gegen eines der drei Hauptgebote für einen Ritterbruder: Gehorsam.
Das weiß der Koch, auch ohne zu wissen, dass Britzke und seine Ritterbrüder bei der Visitation der Ballei Sachsen vor acht Jahren eindringlich an ihre Aufschwörung erinnert wurden. Die Visitatoren des Hoch- und Deutschmeisters schrieben damals ins Protokoll:

Es sei bei 14 jahren, dass er[H. von Britzke] in den orden aufgenommen worden, dabei seien der herr landtcomenthur Johan von Lossaw, Dietrich Bock, Otto von Blanckenburg und Matthias Peccatel gewesen. Nachmals, wie man ihn eingekleidet, habe er schwören müssen, dem orden getreu und hold zu sein, denselbigen zu mehren und nicht zu mindern.
Gleich nach ihrer Ankunft in Lucklum hatten die Visitatoren mit den Ordensrittern, der Vorschrift für Visitationen folgend, zuerst einen Gottesdienst in der Kommendekapelle abgehalten und dann die Versammlung der Ordensmitglieder - das Balleikapitel - eröffnet.
Am Anfang war das Wort - die Verlesung etlicher aus des Ordensbuchs verzeichneten Kapitel von Keuschheit, Gehorsam und ohne Eigenschaft zu leben, desgleichen nach Begehren der Ballei Insiegel und Erinnerung ihres Gehorsams, damit sie Gott dem Allmächtigen, ihrer Fürstlichen Gnaden als Oberhaupt und dem Orden zugetan sein. So der überlieferte Bericht .

Solange die Ritter auf einen Befehl oder eine Empfehlung warten, wird auch der Gefangene nichts unternehmen. Vielleicht kommt es doch noch zur Abschiebung nach Ungarn? Das wäre den Risiken einer Flucht vorzuziehen. Aber wenn ein Bote aus Mergentheim auftaucht, wird Wachsamkeit geboten sein.

Woran der Gefangene sterben soll, ist ziemlich genau voraus zu sagen. Als unlängst ein Hausierer auf dem Hof in Lucklum seine Waren anbot, hatte der Vogt ohne langes Feilschen eine große Portion Rattengift erstanden. Zugleich hatte er argwöhnisch beobachtet, ob jemand von den inzwischen bekannten Freunden des Gefangenen nach Streichhölzern fragte.
Sie haben Angst, du könntest fliehen und ihre Dächer in Brand setzen, meint der Koch.
Aber wie soll das Gift verabreicht werden? Wird man den Koch beauftragen, es ins Essen zu mischen? Oder wird der Vogt es ins Bier oder in einen Humpen Wein tun?

Als Ende Juli Britzke nach Bergen gerufen wird - diesmal ohne den Syndikus Krüger -, und als er nicht mit der Kutsche fährt, sondern sich aufs Ross schwingt, ahnt der Koch, dass die Entscheidung bevorsteht. Die Geheimnistuerei lässt Böses vermuten.

Die Vermutungen werden zur Gewissheit, nachdem der Komtur aus Bergen zurück gekommen ist. Er lässt seine alljährliche Reise in die Kommende Buro vorbereiten, und als der Koch den Reiseproviant in der Satteltasche verstaut hat, ruft ihn der Komtur zu einem Vieraugengespräch in die Kapelle. Dort lässt er ihn feierlich geloben, über dieses Gespräch niemandem ein Wort zu sagen, drückt ihm eine Dose in die Hände, die der Koch sofort unter seinem Kittel verbergen soll, und erklärt: Nach meiner Rückkehr will ich den bösen Buben im Turm nicht mehr sehen.
Dann besteigt er sein Pferd und reitet davon. Er wird nicht in Lucklum sein, wenn der Gefangene seinen letzten Seufzer tut.


Bergen, 13./23. August 1598

Zum letzten mal sitzen der Landkomtur, der Syndikus, der Komtur zu Lucklum und der Schreiber und Gesandte des Landkomturs in Sachen des Gefangenen im Bergener Komtursaal, um einen diplomatischen Abschlussbericht zu verfassen. Diesmal addressiert Lossow an den Hoch- und Deutschmeister:
Gnädigster Fürst und Herr,
wir haben einen Gefangenen fast zwei jahrlang zu Lucklem sitzen gehabt, der etwan vor acht oder neun jahren ein weib alhhier im fürstentum bei Seesen ermordet, und ihm etzliches geld genommen, wie er selbst bekannt.
Habe derowegen seine urgicht um rechtsbelehrung verschicket, was seine strafe sein sollen, und ist zu Helmstedt erkannt, dass er mit einem rade vom leben zum tode gebracht werden sollte.
Wie sie zu Wulffenbüttel das erfahren, haben sie den gefangenen von mir begehret und ihn stracks weg haben und dem orden keine gerichte geständig sein wollen.
Weil aber der orden über die halsgerichte gute siegel und briefe, auch vor dieser zeit einen gefangenen von Saltze zu Lucklem sitzend gehabt, was herzog Heinrich der Jünger hochlöblichen gedächtnisses, wie denn auch seiner fürstlichen gnaden damalige kanzler und räte wohl gewusst, auch selbst für die ankläger gebeten, dass der peinliche prozess befördert werden möchte, so habe ich solches an die fürstlichen räte gelangen lassen, ihnen auch kopien von der kaufverschreibung und missionenzugeschicket, und gebeten, dass sie dem orden ferner keinen eintrag tun, sondern mit den gerichten gewähren lassen wollten.
Aber es ist ganz nichts zu erhalten gewesen, ich habe auch keinen scharfrichter bekommen können, welcher den gefangenen abtun wollen.
Habe deswegen bei seiner fürstlichen gnaden[des Hoch- und Deutschmeisters] herrn räten rat geholet, wie ich es mit dem gefangenen anschlagen sollte. Welche mir dann geraten, dass ich ihn sollte laufen lassen, doch dass er sich verpflichten müsste, dass er etliche jahr wider den Türken dienen wollte. Es ist uns aber leid gewesen, weil er ein böser bube, er möchte etwan mit brand dem orden, wenn er los käme, schaden zufügen. Und habe ihn im gefängnis behalten.

Vor drei wochen aber ist der commentorherr Henning von Britzke nach Buro gewesen, allda allerlei notdurft gegen die ernte zu bestellen.

Marx Rumpholt: Ein new Kochbuch. 1581. (Kirch 2004)

Da hat der koch auf dem hause Lucklum, welcher den gefangenen zu speisen gepflogen, das loch oben am turme offen gelassen, und ist der gefangene an einem strohseile, das er zuvor heimlich im gefängnis gemacht gehabt, aus dem turme gestiegen, und hat eine wand bei einer heimlichkeit ausgestossen, das seil an die latten gebunden, und sich dann in den garten gelassen, und ist also davon gekommen.

Ich mache mir aber die gedanken, es werde ihm der koch davongeholfen haben.
Denn bald als der commenthur zu Lucklem wieder angekommen und der koch ihn gesehen, hat er sich entsetzet, ist in die küche gegangen und hat sein gerätlein zusammen genommen, und ist davon gelaufen.

Will hoffen, weil der gefangene, ohne des ordens verursachen, davon gekommen, es möge dem orden kein nachteil daraus entstehen. Weil auch dem herzogen selbst etzliche mal gefangene bei lichtem tage aus dem gefängnis und von der feste gekommen sind.

Ich wollte dem gefangenen wohl nachtrachten lassen, dass wir ihn wiederbekommen möchten. Ich muss aber besorgen, es möchte ihn der herzog etwan wegbekommen auf einen revers von der obrigkeit, der dann wieder eingezogen würde, und dem orden daraus nachteil entstehen.

Erbitte dienstlich euer fürstlichen gnaden ratliches bedenken, was zu tun oder zu lassen sein solle. Demnach ich mich zu richten habe.


Was aus dem Gefangenen und was aus dem Koch geworden ist?
Wer weiß das schon. Nicht einmal ihre Namen wurden überliefert.

Von den Räten in Mergentheim kam erst fast ein Jahr später ein Antwortbrief.
Sie bringen ihre Verwunderung darüber zum Ausdruck, dass man in Lucklum einen Gefangenen nicht besser aufzubewahren weiß. Es wäre zwar besser gewesen, ihn nach Ungarn zu schicken, da es nun aber einmal geschehen, wie der Landkomtur berichtet hat, kann man nichts ändern und muss es dabei belassen.

Henning v. Britzke war inzwischen mit Urkunde des Hoch- und Deutschmeisters Maximilian zum Koadjutor des Landkomturs ernannt worden. Die Beschwerde von sechs oppositionellen Ritterbrüdern, Landkomtur Lossow habe Britzkes ohne ihre Zustimmung zu seinem Koadjutor und Nachfolger vorgeschlagen und Britzke eigne sich nicht für dieses Amt, hatte keinen Erfolg gehabt. Der Wortführer dieser Opposition - er siegelte das Schreiben - war Hoyer v. Lauingen, als Komtur der Kommende Buro einer alten Tradition nach der erste Anwärter auf das Amt des Landkomturs. Aber Lauingen lebte in wilder Ehe mit seiner Haushälterin und hatte mit ihr bereits mehrere Kinder. Ein anderer Beschwerdeführer war Joachim Franz v. Hopfkorb, damals frisch ernannter Hauptmann des Amtes Alvensleben, er wird später Komtur der Kommende Aken und nach Britzkes Ableben im Jahre 1611 Balleitatthalter, dann Landkomtur. Für den Deutschen Orden und den Herzog von Braunschweig ging das Spiel um die Halsgerichtsbarkeit vorerst unentschieden aus. In einer Sammlung von Regesten - Zusammenfassungen von Urkunden - der Kommende Lucklum ist zu lesen:

1648. Herzog Heinrich gesteht dem Landkomtur Joachim von Hochkorb das Obergericht [Halsgericht] über Dorf und Feldmark.
Das kann aber nicht stimmen: Joachim von Hopfkorb war Landkomtur von 1611 bis 1631, in dieser Zeit wurde das Fürstentum Braunschweig-Wolfenbüttel von Julius Heinrich (bis 1613) und danach von Friedrich Ulrich (1529-1634) regiert, ihm folgte auf dem Thron Herzog August der Jüngere.


Quellen

Urkunden des Deutschordenszentralarchivs (DOZA) in Wien

DOZA Abt. Sa 209/1: Beschwerde des Kt. Hoyer v. Lauingen und fünf weiterer DOR der Ba Sa beim HDM Maximilian über die bevorstehende Ernennung Britzkes zum Koadjutor des Lkt. Lossow.

Urkunden des Landeshauptarchivs Sachsen-Anhalt, Abteilung Magdeburg-Wernigerode (LHASA, MD)

LHASA, MD Rep. A51, II Nr.32 S.40v: Regestensammlung 1214-1563 Kommende Lucklum, 8. Copia vidimata die Commenden Lucklum betr.

LHASA, MD Rep. A51, II Nr.24. Bl.32-53: Visitationsprotokoll der Ballei Sachsen 1574

LHASA, MD Rep. A51, II Nr.24. Bl.54-81: Visitationsprotokoll der Ballei Sachsen 1591

LHASA, MD, Rep. A51, II Nr.46: Fragmenta Diversarum Materiarum die Balley Sachsen betr. 1550-1599. Bl.46-47: 11.11.1563, Königslutter. Die Kinder des verstorbenen Lkt.s Sehl an den Sth. Gamm

LHASA, MD Rep. A51, II Nr.50: Gravamina. 22.07.1575. Der Notar des Lkt.s der Ballei Sachsen Johannes Sannemann berichtet über eine erfolglose Mission zu den Grafen von Wernigerode

LHASA, MD, Rep. A51, IX Nr.6: Des Hauses Lucklum jus gladii oder Halsgericht und einige desgleichen Malefits Casus derentwegen auch mit Braunschweig Wolffenbittel gehabte Irungen

LHASA, MD, Rep. A51, IX Nr.6, Bl.48: 12.08.1597, Lucklum. Kt. Henning v. Britzke an die Räte des Herzogs von Braunschweig-Wolfenbüttel

LHASA, MD, Rep. A51, IX Nr.6, Bl.49-50: 20.07.1597, Lucklum. Kt. Henning v. Britzke an die Räte in Wolfenbüttel

LHASA, MD, Rep. A51, IX Nr.6, Bl.55-56: 13.08.1597, Bergen. Lkt. Lossow an HDM

LHASA, MD, Rep. A51, IX Nr.6, Bl.57: 15.09.1597, Mergentheim. DOK an Lkt. Lossow

LHASA, MD, Rep. A51, IX Nr.6, Bl.58: ohne Datum [1597]. Lkt. Lossow an HDM

LHASA, MD, Rep. A51, IX Nr.6, Bl.59: 27.04.98, Mergentheim. DOK an Lkt. Lossow

LHASA, MD, Rep. A51, IX Nr.6, Bl.60: 05.06.1598, Bergen. Lkt. Lossow an HDM

LHASA, MD, Rep. A51, IX Nr.6, Bl.61: 08.06.1598, Mergentheim. DOK an Lkt. Lossow

LHASA, MD, Rep. A51, IX Nr.6, Bl.63: 08.10.1598, Bergen. Lkt. Lossow an DOK

LHASA, MD, Rep. A51, IX Nr.6, Bl.64-65: 16.04.1599, Bergen. Lkt. Lossow an DOK

LHASA, MD, Rep. A51, IX Nr.6, Bl.66-67: 23.08.1599, Bergen. Lkt. Lossow an HDM

LHASA, MD, Rep. A51, IX Nr.6, Bl.68: 04.08.1599 Räte zu Mergentheim an Lkt. Lossow

Urkunden des Niedersächsischen Staatsarchivs Wolfenbüttel

Nieders. StA 30 A Urk 8: 19.12.1599. HDM Maximilian ernennt H. v. Britzke zum Koadjutor des Lkt. Lossow

Sigel- und Literaturverzeichnis

AMMAN 1960Jost Ammann / Hans Sachs: Das Ständebuch. [IB 133] Insel-Verlag Leipzig 1960.
BOEHM 1997Hans-Georg Boehm: Die Hochmeister der Residenz Mergentheim. Heft 15 der SR der Vereinigung zur Förderung der Wiss. Erforschung des DO..., Mergentheim 1997.
BROCKHAUSBrockhaus. Kleines Konversationslexikon. digibib 50
DASSEL 1597Hardevicia Dassell J.C.: Responsum iuris in causa poenali maleficarum Winsiensium prodefensione innoxiarum et condemnatione nocentum, ne quisquam ante iudieium iniuste innocenterque condemnetur. - Datum Luneburg. Ultimo Junii die, a. 1597. Zitiert in: Hexen (digibib 93)
DEMEL 2004Bernhard Demel: Der Deutsche Orden im Spiegel seiner Besitzungen und Beziehungen in Europa. Frankfurt/M. u.a., 2004.
DIGIBIBDigitale Bibliothek
DIGIBIB WIKIDigitale Bibliothek Sonderband: Enzyklopädie Wikipedia Herbst 2004
DWBDeutsches Wörterbuch von Jakob und Wilhelm Grimm. (CD-ROM) Zweitausendeins 2004
HEXEN 2003Hexen. Analysen Quellen Dokumente. digibib 50, Berlin 2003
KÖNIG [o.J.]Bruno Emil König: Hexenprozesse. Ausgeburten des Menschenwahns im Spiegel der Hexenprozesse und der Autodafés. Berlin Friedenau [o.J.] 210.-230. Tausend
MGBLLGeschichts=. Blätter für Stadt und Land Magdeburg
SOLDAN 1911Wilhelm Gottlieb Soldan: Geschichte der Hexenprozesse. Hg. Max Bauer. 1911, S.342-344 In: Hexen
UBLEduard Jacobs [Hg.]: Urkundenbuch der Deutschordens-Commende Langeln und der Klöster Himmelpforten und Waterler in der Grafschaft Wernigerode. GQ Prov. Sachsen und angrenzender Gebiete. Bd. 15. Halle 1882.
Kirch 2004Michael Kirchschlager: Ich will ein guter Koch sein. Küchengeheimnisse des Mittelalters und der Renaissance.. Arnstadt2004.
WÄSCHKE 1905Wäschke: Die Kommende Bergen im Besitz Schwedens 1632-1634. MGBll 40 (1905)
ZACKE 1882Ehre, Ehrenstrafen, unehrliche Leute im Mittelalter bis zur neuern Zeit mit Beziehung auf Sachsen und Magdeburg. MGBll Heft 17 (1882)

Anmerkungen

IRRUNGEN: LHASA, MD, Rep. A51, IX Nr. 6 Des Hauses Lucklum jus gladii oder Halsgericht und einige desgleichen Malefits Casus derentwegen auch mit Braunschweig Wolffenbittel gehabte Irungen
IUS GLADII: wörtl.: "Recht des Schwertes"; das Recht, die Todesstrafe zu verhängen und zu vollziehen; Hohe oder Halsgerichtsbarkeit
MALEFITS CASUS: Verbrechensfälle
IRRUNGEN: Streitfälle, Auseinandersetzungen [Zurück]

KOMMENDE: Die Kommende (von lat.: commendare, anvertrauen, empfehlen) auch Komturei genannt, bezeichnet in der ursprünglichen Bedeutung die vorläufige Übertragung eines erledigten Kirchenamtes. In späterer Bedeutung wird die Überweisung der Einkünfte eines Kirchenamtes ohne Verrichtung der Amtsgeschäfte so genannt. - Vor allem geistliche Ritterorden besaßen solche Niederlassungen als Verwaltungseinheiten, die einem Komtur [Kt.] (aus Mittellateinisch commendator 'Befehlshaber') unterstanden. Der Kt. übte alle Befugnisse der Landesverwaltung aus und war direkt dem Hochmeister [Hm.] unterstellt. Mehrere Komtureien bilden eine Ballei. [digibib Wiki: Kommende]
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DEUTSCHER ORDEN: (DO) auch Ordo Teutonicus (O.T.), Ordo domus Sanctae Mariae Theutonicorum, Orden der Brüder vom Deutschen Haus St. Mariens in Jerusalem, Deutschherrenorden, Kreuzritterorden, Deutschritterorden oder Deutscher Ritterorden. Der DO ist neben dem Johanniter- bzw. Malteserorden und den Templern der dritte große Ritterorden, der während der mittelalterlichen Kreuzzüge gegründet wurde. Das Ordenszeichen ist ein schwarzes Kreuz auf weißem Grund, das früher direkt auf dem weißen Mantel der Deutschordensritter (DOR) getragen wurde. Die DOR wegen der auffallenden Kleidung auch Mantelherren genannt.Das Motto des Ordens hieß: "Helfen, Wehren, Heilen". [digibib Wiki: Deutscher Orden. S.60746]
s.a. "Ordenslexikon", Webseite des D.O. und Website des D.O.-Museums in Bad Mergentheim [Zurück]

KOMTUR: DOR oder Deutschordenspriester (DOP), der einer Komturei vorsteht. Der Landkomtur als Vorsteher einer Ballei war der Statthalter (Sth.) des Hochmeisters (Hm.). Der Kt. übte alle Befugnisse der Obrigkeit wie Landverleihung, Steuerwesen, Gerichtbarkeit aus.
HM, höchstes Amt im DO. [digibib Wiki: Komtur. S.151596] [Zurück]

BALLEI: Bezeichnung für eine Provinz des DO. Dieser Begriff wird seit dem 13. Jh. gelegentlich und seit dem 14. Jh. regelmäßig verwendet. Er ist wahrscheinlich romanischen Vorbildern, insbesonders der Verwaltungsorganisation Siziliens, nachgebildet. Die Verwaltung einer Ballei leitete der Landkomtur (Lkt.). Insgesamt gab es im DO 12 Balleien
- die deutschen Balleien: Thüringen, Hessen, Sachsen, Westfalen, Franken, Koblenz, Elsaß-Schwaben-Burgund, An der Etsch und im Gebirge (Bozen), Utrecht, Lothringen und Österreich;
- die italienischen Balleien: Sizilien, Apulien, Lombardei;
- Weitere Balleien: Böhmen, Romania (Achaia, Griechenland) und Armenien-Zypern.
Die Balleien Österreich, An der Etsch und im Gebirge, Elsaß-Schwaben-Burgund und Böhmen unterstanden zeitweilig dem Hm. als sogenannte Kammer-Balleien. Die restlichen deutschen Balleien sowie seit dem 15. Jh. die Besitzungen in Italien, Griechenland und Spanien unterstanden dem Deutschmeister (Dm.). [www.deutscher-orden.at/d/glossar.htm] [Zurück]

WOLFENBÜTTEL am Fluss Oker ist Kreisstadt des Landkreises Wolfenbüttel in Nds. Die Hz. v. BS verlegten im Jahre 1432 ihre Residenz aus der Stadt BS in die Wasserburg Wolfenbüttel 12 km südlich von BS. Nach der 12. Teilung des Hzt. im Jahre 1495 erhielt Hz. Heinrich d. Ä. das Land BS, für das nun die neue Residenz Wolfenbüttel namengebend wurde. Die Bezeichnung Fürstentum BS-Wolfenbüttel setzte sich durch. [digibib Wiki S.95521f.] [Zurück]

SEIT 1597: 1699 legt Britzke dem DO eine Rechnung über 947 Gulden, 3 Groschen und 23 Pfennige vor. Das Geld habe er von 1593 bis 1596 dem Haus Buro, danach bis 1599 dem Haus Lucklum vorgestreckt. [LHASA, MD, Rep.A51, II Nr.46 S. 87-88: LHASA, MD, Rep.A51, II Nr.46 S. 87-88: Fragmenta Diversarum Materiarum Die Balley Sachsen betr. De Annis 1550 usq. 1599 secundum Dato et Annos Regist.] [Zurück]

JUNGFER: Bei einer Besichtigung der Kommende Bergen im Jahre 1632 fand man "oben [in] der Schreiberey, untterm dache... zwey instrumenta, so man jungfern nennet, und gefangene darinn schleusset". [Wäschke 1905, S.169] Diese Bemerkung ist interessant im Zusammenhang mit Behauptungen, das Folterinstrument "Eiserne Jungfrau" sei eine Fiktion bzw. eine Erfindung der Neuzeit für sensationssüchtige Museumsbesucher.[Zurück]

UNEHRLIUCHE BERUFE: s. Zacke 1882. S.344 [Zurück]

AMMAN 1960, S.89.
Jost Amman (1539-1591): Zeichner für den Holzschnitt und Kupferstecher. Ständebuch von 1568. [Zurück]

HINRICHTUNG MIT DEM RAD: König [o.J.] nach S.464 [Zurück]

DER KOCH: Amman 1960 S.39 [Zurück]

BRIEF: LHASA, MD: Rep. A51, IX Nr. 6, fol.48 [Zurück]

UNIVERSITÄT HELMSTEDT: Einholung eines Rechtsgutachtens der Juristischen Fakulltät der Universität Helmstedt. Die Universität Academia Julia wurde von Herzog Heinrich Julius (1564-1613), am 15.10.1576 gestiftet; der Herzog war auch der erste Rektor. Die Universität prägte das Leben der Stadt von 1576 bis 1810. In Helmstedt wirkte unter anderen Giordano Bruno [digibib Wiki: Helmstedt]
BRUNO: 1586 bis 1588 Lehrerlaubnis in Wittenberg. 1589 in Prag ohne Lehrauftrag. Mit 300 Talern von Kaiser Rudolf II. als Professor nach Helmstedt; von den Lutheranern exkommuniziert. 1590 in Frankfurt, die Stadtoberen weisen ihn 1591 aus. Kurzaufenthalt in Zürich. [digibib Wiki: Bruno, S.39719] [Zurück]

RECHTFERTIGEN: die öffentliche Gerichtsverhandlung und Hinrichtung durchführen [Zurück]

BRIEF: 17.01.1563: Hz. Heinrich d. J. an den Dm. Wolfgang. [LHASA, MD, Rep. A51, II. Nr.33 Bl.22-23] [Zurück]

FÜHRUNG DER BALLEIGESCHÄFTE: Demel 2004 S.36[Zurück]

NICHT HERAUSRÜCKTE: 11.11.1563, Königslutter. Die Kinder des verstorbenen Lkt.s der Ballei Sachsen des DOs Georg/Jürgen Sehl an den Sth. der Ballei Sachsen Heinrich Gamm. [LHASA, MD, Rep. A51, II Nr.46: Fragmenta Diversarum Materiarum die Balley Sachsen betr. 1550-1599. S.46-47] [Zurück]

STATTHALTER DER BALLEI: Demel 2004 S.37f.[Zurück]

DRAMA: Heinrich Julius v. BS-Wolfenbüttel: Tragica Comoedia von der Susanna. Erstes von Heinrich Julius verfasstes Drama, erschienen 1592. [Zurück]

DETAILLIERTE VORSCHRIFTEN: Soldan 1911 S.342 [Zurück]

GESPICKTER HASE: Stachelwalze als Folterinstrument [Zurück]

GESPICKTE HASENKönig nach S.208[Zurück]

DASSEL: Dassell 1597 zitiert in Soldan 1911, S.342-344[Zurück]

MALEFICIUM TACITURNITATIS: Verbrechen des Schweigens[Zurück]

INTERLOQUIEREN: Einspruch erheben[Zurück]

027 Der Notar des Lkt.s der Ballei Sachsen Johannes Sannemann berichtet über eine erfolglose Mission zu den Grafen von Wernigerode und nennt sich Johannes Sannemann Notarius ad hunc actum legitime reglitus pro nota registrature et instrumentante et vlterioni Xtensione protestan: [Tag] Maria Magdalena [LHASA, MD, Rep. A51, II Nr. 50 Gravamina: 22.07.1575] [Zurück]

028 Wäschke 1905 [Zurück]

029 DOZA Sa 209/1: 26.04.1594. Lossow erbittet beim HDM Heinrich v. Bobenhausen den Kt. Britzke als Koadjutor. (Originalbrief Lossow an Oreg [Ordensregierung], zitiert von Demel 2004, Anmerkung 297) [Zurück]

MAXIMILIAN III.: (Habsburg) Ehz. Maximilian III., auch genannt Maximilian der Deutschmeister (1558-1618) war der drittälteste Sohn Ks.r Maximilians II. Die Inaktivität seines Bruders, Ks. Rudolf II. (1552-1612, Ks. 1576-1612) trug zu dessen schlechtem Ruf bei. 1593-1595 war Max. III. Regent in Innerösterreich und anschließend in Tirol, wo er als konsequenter Anhänger der Gegenreformation auftrat. [digibib Wiki, S.184716] [Zurück]

031 Boehm 1997: S.6 [Zurück]

032 UBL, S.450: 13.05.1572, Wernigerode. Lossow vertritt als Lkt. der Ballei Sachsen den Orden in einem Prozess gegen den Grafen von Stolberg-Wernigerode. Valentin Krüger, Gerichtssekretär der Stadt Braunschweig, leitet "als Rechtserfahrener" die Verhandlungen. [Zurück]

033 LHASA, MD: Rep. A51, IX Nr. 6, S.49r-50v: 12.08.1597, Lucklum. Lkt. der Ballei Sachsen Henning von Britzke an den Kanzler und die Räte des Herzogs Heinrich Julius von Braunschweig-Wolfenbüttel [Zurück]

034 AMMAN 1960: S.14 [Zurück]

GEORG SEHL (Seel, Sehel, Zehel): 1543 als Kt. zu Weddingen Vertreter des Lkt.s Burkhardt von Pappenheim auf dem Generalkapitel des DO in Speyer, 1547[?]-1554 Kt. zu Langeln, 1554 auf dem Generalkapitel zum Lkt. ernannt, am 15.01.1563 ohne katholische Totenmesse beerdigt. [Zurück]

BOLZUM: 31319 Sehnde, OT Bolzum [Zurück]

UM DIE GEBÜHR: gegen Bezahlung [Zurück]

TRINITATIS: Sonntag nach Pfingsten [Zurück]

TEICH-/DEICHGRÄBER: deicharbeiter [Grimm: DWB] [Zurück]

040 LHASA, MD: Rep. A51, IX Nr. 6, S.55-56:13.08.1597, Bergen. Lkt. Lossow an den HDM des DOs Maximilian von Österreich. [Zurück]

VIA FACTI: Prozessführung nach dem Natur- bzw. Gewohnheitsrecht,nicht nach dem römischen Recht. Da in Deutschland bis ins Mittelalter hinein kaum kodifizierte Rechtssysteme bestanden, wurde ab Mitte des 12. Jh.s das römische Recht rezipiert. Durch die besondere Bedeutung des römischen Rechts wurden die Fakultäten des Rechts sehr einflussreich. - Mit dem Eintritt in den Absolutismus und die Aufklärung trat jedoch die Bedeutung des Naturrechts in den Vordergrund. [digibib Wiki: Römisches Recht. S.240356] [Zurück]

FOLGEN: ausliefern [Grimm: DWB] [Zurück]

MANDIEREN: von Mandat; hier wohl bezogen auf ein ks. Mandat, einen Erlass [Zurück]

IHR VORNEHMEN ANGEHEN: ihr Vorhaben gelingen [Zurück]

T.O.: Teutsches Ordens. Abkürzung heute: OT - Ordo Teutonicus [Zurück]

046 LHASA, MD: Rep. A51, IX Nr. 6, S.57: 15.09.1597, Mergentheim. DOK an den Lkt. Lossow [Zurück]

047 LHASA, MD, Rep. A51, IX Nr.6, S.58r-v: ohne Datum [1597]. Brief des Lkt.s Lossow an den HDM Maximilian von Österreich [Zurück]

SEINER ABKOMMEN: ihn loswerden [Zurück]

BESCHEIDENHEIT: erfahrenheit, einsicht, verstand [Grimm: DWB [Zurück]

FOLGEN: folgen lassen, verabfolgen [Grimm: DWB] [Zurück]

WERKLICH: wunderlich, seltsam, sonderbar [Grimm: DWB] [Zurück]

HISTORIE Bartholomäus Krüger: Hans Clauerts werkliche Historien. Berlin 1587. In: Deutsche Volksbücher in drei Bänden. 2. Bd. Berlin und Weimar 1975. S.219-223 [Zurück]

EUSTACHIUS VON SCHLIEBEN: Minister des Kf. und Mgf. (1535-1571) Joachim II. Hektor von Brandenburg.[Zurück]f.

BESCHICKTEN: schickten [Zurück]

UBEREILET WARD: betrunken war [Zurück]

056 LHASA, MD: Rep. A51, IX Nr.6, S.59r-v: 27.04.98, Mergentheim. DOK an Lkt. Lossow [Zurück]

URFEHDE: Als Urfehde, auch Urphede, Urpfedt, Unfehde u.a., wird in der mittelhochdeutschen Rechtsprechung die eidliche Versicherung bezeichnet, sich wegen einer geführten Untersuchung, Anklage oder zu vollstreckenden Strafe nicht rächen zu wollen; insbesondere den Eid eines entlassenen und verwiesenen Verhafteten, das Land, aus welchem er verwiesen wurde, nicht wieder zu betreten, noch sich an dessen Bewohnern rächen zu wollen. Urfehde schwören bedeutet, eine Fehde ruhen zu lassen, ist also das Gegenteil der Fehde. [digibib Wiki, S.291681] [Zurück]

KARCER: Gefängnis, Kerker [Grimm: DWB] [Zurück]

GEGENBRIEF: Von diesem Dokument ist - bis jetzt - nur ein Regest gefunden worden: Ein Instrumentum Appelationis des Lkt. Lossow auf Pergament, das Jagen im Gericht Evessen, zur Ko Lucklum gehörig, gegen ein vom Großvogt, Amtmann und Amtsschreiber zu Wolfenbüttel dem Kt. Britzke gesendetes betrohliches Schreiben.. [LHASA, MD Rep.A51,II Nr.32 Nr.105] [Zurück]

059 LHASA, MD: Rep. A51, IX Nr.6, S.60r-v: 05.06.1598, Bergen. Lkt. des Ballei Sachsen Johann von Lossow an HDM Maximilian von Österreich [Zurück]

060 LHASA, MD: Rep. A51, IX Nr.6, S.61r-v: 08.06.1598, Mergentheim. Maximilian von Österreich an Lkt. Lossow [Zurück]

061 ADMINISTRATOR: Amtsverwalter, -verweser. [Grimm: DWB] Als stand der Titel Erzbischof dem Kirchen- und Landesoberhaupt des Erzstifts Magdeburg nicht zu. [Zurück]

062 LHASA, MD: Rep. A51, IX Nr.6, S.63r-v: 08.10.1598, Bergen. Ohne Adresse und Anrede. Johann v. Lossow an DOK / Maximilian von Österreich [Zurück]

063 IHN AUSZUBÜRGEN GEMEINET: ihn [her]aus [zu lassen] Bürgschaft zu leisten die Meinung (= die Absicht) hat [Zurück]

064 DIE GEFENGNÜS: die Gefangenschaft[Zurück]

065 LHASA, MD: Rep. A51, IX Nr.6, S.64r-65v: 16.04.1599, Bergen. Lkt. Lossow an DOK [Zurück]

066 DAROB SEIN: darüber aus sein, acht haben, wie daran sein. War im 16ten und 17ten Jh. gebräuchlich. [Grimm: DWB] [Zurück]

067 WOHLGEMEINT: aufrichtig [Grimm: DWB] [Zurück]

068 BEFAHREN: ganz unverwandt mit "befahren" eines Weges; gehört zum mittelhochdeutschen vâren, althochdeutsch fârên; der besorgende fürchtet gefahr und hinterlist. [Grimm: DWB] [Zurück]

069 BUBE: schurke, wie sich aus der bedeutung stallbube leicht entfaltet, da der trosz von armen dienern dem laster und der ausschweifung blosz gestellt war [Grimm: DWB] [Zurück]

070 LOBEN: geloben, bürgen [Zurück]

071 HEINRICH DER JÜNGERE von Braunschweig-Lüneburg; (1489-1568), Herzog zu Braunschweig-Lüneburg, Fürst von Braunschweig-Wolfenbüttel, regierte von 1514 bis zu seinem Tode 1568. - Der für seine Härte und seine Rücksichtslosigkeit bekannte Heinrich hielt unbeirrt am Katholizismus fest, auch als alle anderen Welfenherrscher und die Stadt Braunschweig bereits die Reformation eingeführt hatten. Aufgrund seiner Hartnäckigkeit wurde er sogar zum Thema von Flugschriften Martin Luthers, so zum Beispiel in der Schrift "WiderHans Worst" von 1541. Zeitweilig wurde er auch als "Heinz von Wolfenbüttel" verspottet. [digibib Wiki] [Zurück]

072 VORFAHREN: Vorgänger [Zurück]

073 EXERCITIO JURISDICTIONIS: Ausübung der Gerichtsbarkeit [Zurück]

074 VERHÄNGEN: anordnen [Zurück]

075 IN SQUALORE CARCERIS: "im Dunst des Verlieses" [Zurück]

076 LHASA, MD: Rep. A51, II Nr. 24 S.72r-v: Visitationsprotokoll der Ballei Sachsen 1591 [Zurück]

077 HOLD: bezüglich des unterthanen zum herrn, treu ergeben (vergl. hierzu das verbum huldigen) [Grimm: DWB] [Zurück]

078 ORDENSBUCH: Buch mit den Statuten und Regeln des Ordens [Zurück]

079 EIGENSCHAFT: mittelhochdeutsch bedeutete eigenschaft auch eigenthum [Grimm: DWB] [Zurück]

080 BEGEHREN DER BALLEI INSIEGEL: Forderung nach Abgabe der Petschafte das Lkt.s und der Kt.e an die Visitatoren als Symbol ihrer Unterwerfung unter den HDM und Verwandlung in einfache Ritterbrüder. [Zurück]

081 FÜRSTLICHE GNADEN: hier der HDM [Zurück]

082 LHASA, MD: Rep. A51, II Nr. 24. S.32r: Visitationsprotokoll der Ballei Sachsen 1574 [Zurück]

083 RATTENGIFT: 1531 erließ Kaiser Karl V. eine Verordnung gegen alles "Pack", das "dem Gemeinwohl äußerst schädlich" ist. Der Kaiser hatte in der Regel nur in den Reichstädten etwas zu sagen, das offene Land war weitgehend rechtsfreier Raum). aufgezählt wurden "Hausierer, Flickschuster, Kesselflicker, Kupferhämmerer, Quacksalber, jene, die Streichhölzer, Rattengift und Salben verkaufen und anderes Zeug dieser Art, die nichts anderes tun als im Land herumzuziehen als Schwindler, Wegelagerer, Diebe und Übeltäter." [digibib Wiki: Hieronymus Boschs Triptychen. S.123264] [Zurück]

084 LHASA, MD: Rep. A51, IX Nr.6, S.66r-67v: 23.08.1599. Lkt. Lossow an den HDM Maximilian von Österreich: des landcomtur in Sachsen bericht, wie das ime der in div. jharlang verhaffte böese bueb aus der gefengknuß gebrochen und entkommen, bit vorhaltens [Zurück]

085 URGICHT: a) das geständnis mit oder ohne tortur; b) die aufzeichnung des geständnisses; c) ungenau wird der ganze mit der vernehmung und dem geständnis verbundene hergang als urgicht bezeichnet. [Grimm: DWB] [Zurück]

086 SALTZE: (Groß) Salze, jetzt OT von Schönebeck an der Elbe [Zurück]

087 NOTDURFT GEGEN DIE ERNTE: Notwendiges vor der Ernte [Zurück]

088 HEIMLICHKEIT: verborgenheit, verborgener ort [Grimm: DWB] [Zurück]

089 SEIN GERETHLEIN: sein Gerätlein; seine Sachen [Zurück]

090 FESTE: Festung Wolfenbüttel: Besonders wichtig war auch die Funktion Wolfenbüttels als Festung. Tiefgestaffelte Befestigungsanlagen mit Wällen und Bastionen, dreistöckige Kasematten, mit einer Garnison von 3.000 Soldaten besetzt, sollten potenzielle Belagerer abschrecken. Zu Beginn des Dreißigjährigen Krieges war Wolfenbüttel die stärkste Festung in Norddeutschland. [digibib Wiki Heinrich Julius (Braunschweig-Wolfenbüttel). S.120432 f.] [Zurück]

091 NACHTRACHTEN: verfolgen [Zurück]

092 REVERS: schriftliche Gegenverpflichtung, dieses oder jenes zu leisten oder zu unterlassen [Zurück]

093 DIENSTLICH: dienstbereit, dienstfertig, "Euer Diener" [Zurück]

094 LHASA, MD: Rep. A51, IX Nr.6, S.68r-v: 04.08.1599 Räte zu Mergentheim an Lkt. des Ballei Sachsen Johann von Lossow [Zurück]

095 URKUNDE: Nieders. Staatsarchiv in Wolfenbüttel. 30 A Urk 8: Berufung Britzkes zum Koadjutor des Lkt. Lossow[Zurück] 096 BESCHWERDE: DOZA Abt. Sa 209/1: 11.10.1599. Die Kt. und DOR Hoyer . Lauingen, Kt. zu Langeln; Gebhardt v. Hohnerode, Kt. zu Weddingen; Christoff v. Falckenberg, Kt. Dahnsdorf; Johann v. Byren, DO und Hauptmann auf Zilly; Daniel v. Retzdorff, Hkt.zu Buro; Jochim v. Hopfkorb, DO und Hauptmann auf Alvenleben und Friedrich Schutze, DO und Hauptmann auf Egeln und Hadmersleben beschweren sich beim HDM Maximilian über das Verfahren der Ernennung des Koadjutors und den Kandidaten Henning v. Britzke. [Zurück]

095 LHASA, MD: Rep. A51, II Nr.32 Regestensammlung 8. Copia vidimata die Commenden Lucklum betr S.40v [Zurück]


Zitieren dieses Textes

(1) virtuell: http://ernstherbst.online.de/hist/do/lo/erz/1597-99_lu.htm und Datum der Einsichtnahme
(2) im Druck: Ernst Herbst: Der gefangene sitzet noch... Atzendorf 2007

Letzte Änderung: 17.12.2007



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