Ernst Herbsts gesammelte Texte von und über Immermann,
den Freundeskreis C.L.I. (1983-1990) und die Anfänge der Immermann-Gesellschaft


Marginalien

Ernst Herbst

IMMERMANN IN DER WELT DER BÜCHER UND BILDER

Das Vorbild Immermann

Als Immermanns Todestag (25. August 1840) zum erstenmal im Literaturkalender des Aufbau-Verlages vermerkt wurde, brachten die Kalendermacher in jener Woche die Reproduktion eines Erinnerungsblattes zum 30. Stiftungsfest der Berliner Künstlervereinigung Tunnel über der Spree zur Kenntnis des Publikums. Der aufmerksame Betrachter fand auf diesem Blatt das Datum des 13. September 1857 und den Vermerk "Haupt - Immermann", was ihn, den Betrachter, über die Wunder der Fortexistenz der Dichter nach ihrem Tode grübeln ließ. Das Rätsel löst sich halb poetisch und gar nicht wunderlich: Fontanes Freund Traugott Wilhelm Merckel trug im Tunnel den Künstlernamen Immermann. Die Illusion, Merckel sei ein Verehrer Immermanns gewesen, wird durch den unlängst erschienenen Briefwechsel der Familien Fontane und Merckel zerstört. Merckel hat den Immermann nicht so recht verstanden und wenig geschätzt – in schöner Übereinstimmung mit Frau Fontane, die den Münchhausen nach Lektüre der ersten Seiten für immer beiseite legte, aber im Gegensatz zu Fontane, der die abschätzige Kritik Freund Merckel-Immermanns mit einer feinsinnigen Lektion über den Unterschied von Witz und Humor und einer Anerkennung der Leistung des originalen Immermann beantwortet.

Es hat an namhaften Männern, die Immermann und sein Werk schätzten, nicht gefehlt. Da ließ sich, um einen der bekanntesten zu nennen, ein junger Mann hinreißen, ein Gedicht Bei Immermanns Tod zu verfassen und darin zu bekennen:
    Gar wenig deinesgleichen nur
    Gehn dichtend unter uns auf deutscher Erden!
    Ich aber ging an's Tagewerk und schwur,
    So stark und fest und deutsch, wie du, zu werden.
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Ob der junge Mann Immermanns Jugendschrift Ein Wort zur Beherzigung und den Satz über Deutschtun und Deutschtum kannte?
    Durch Rock und Haar wird keiner ein Deutscher an Gesinnung und Tat; es hat aber in diesen letzten Zeiten manche gegeben, die, zufrieden mit dem, was ihnen der Schneider von Deutschheit zu verleihen vermag, deutscher Tugenden, als da sind Gerechtigkeit, Uneigennützigkeit, Mäßigung, sich lieber ganz entschlagen haben, weil dieselben in der Ausübung mitunter unbequem und schwierig werden.
Der junge Mann nannte sich Friedrich Oswald, sein Gedicht ist in den Werken von Marx und Engels, im Ergänzungsband, zu finden.
Zur gleichen Zeit schrieb der schon ältere und damals berühmtere Heinrich Heine aus gleichem Anlaß:
    Gestern abend erfuhr ich ... ganz zufällig den Tod von Immermann. Ich habe die ganze Nacht durchgeweint. Welch ein Unglück. Sie wissen, welche Bedeutung Immermann für mich hatte, dieser alte Waffenbruder, mit welchem ich zu gleicher Zeit in der Literatur aufgetreten, gleichsam Arm in Arm! Welch einen großen Dichter haben wir Deutschen verloren, ohne ihn jemals recht gekannt zu haben!
Ferdinand Freiligrath gab 1842 ein Büchlein heraus - Karl Immermann. Blätter der Erinnerung an ihn. Er trug damit eine Dankesschuld ab.
Theodor Storm nannte seine Tochter nach einer Figur aus Immermanns Münchhausen Lisbeth.

Aber wer denkt heutzutage schon an Immermann, wenn der Name Münchhausens fällt? Der alte Lügenbaron ist eine weltbekannte Persönlichkeit, seinem Adoptivvater Gottfried August Bürger haben die Einwohner des Dorfes Molmerswende im Harz mit einer Gedenkstätte ein wunderschönes Denkmal gesetzt. An den Enkel des Lügenbarons und seinen Vater Immermann erinnert in der großen Stadt Magdeburg vornehmlich die Straßenbahn, wenn sie zur Endhaltestelle Immermannstraße fährt.

Wenn der Prophet nichts im eigenen Lande gilt, so haben die Dichter zuweilen die Anerkennung ihrer Geburtsorte gefunden. Aber wenn der Schriftsteller mehr der Vernunft als den Emotionen gehuldigt hat, sind seine Aussichten auf Würdigung gering. Wir lieben nun mal die Leidenschaften, besonders, wenn wir von den Leiden anderer hören und uns an unserem Mitgefühl erwärmen dürfen. Mitleiden verlangt nicht viel der Mühen. Dagegen verlangt die Vernunft viel Anstrengung des Geistes, wenn sie zu Vergnügen und Genuß werden soll. Vielleicht bekommt die Vernunft deshalb erst dann ihre Chance, wenn es ums Überleben geht. Ob nun freilich in unseren Tagen, da die weltweite Koalition der Vernünftigen sich herausbildet, auch die toten Repräsentanten der Vernunft an Wertschätzung gewinnen, muß die Zukunft erweisen.
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Dem Immermann jedenfalls brachte schon sein erstes Eintreten für die Vernunft den Scheiterhaufen für sein erstes Büchlein ein. Er hatte in Halle das Recht des Studenten auf eigene, nicht dem Geist der Verbindung unterworfene Meinung verteidigt und sich gegen das Duell ausgesprochen. Die schon zitierte Schrift wurde bei der Bücherverbrennung zum Wartburgfest Nahrung für die Flammen.
Gegen die Waffen als Mittel zur Lösung zwischenmenschlicher Probleme, gegen das Duell hat sich Immermann auch noch 1838 im Münchhausen gewendet - auf ganz ähnliche Weise übrigens, wie sein Zeitgenosse Claude Tillier 1843 im Roman Mon oncle Benjamin (1843).

Immermann hat die Welt der Bücher mit seinen Werken bereichert. Er war selbst in der Welt der Bücher zu Hause, war ein starker Leser, ein begehrter Vorleser. Als Theatermann brachte er Literatur über die Bühne ans Publikum heran. Das Bild, das gemalte wie das gestellte und das auf der Bühne lebendig gewordene, gehörte zu dieser Welt. Er war ein Freund der Künste und der Künstler, ließ sich von ihnen anregen, war selbst zuweilen den Malern ein Modell und nicht selten ihr Anreger.

Der Leser Immermann

Peter Hasubek, wohl der bedeutendste Immermann-Forscher der Gegenwart, meinte 1984 in einem Aufsatz über Immermanns Bibliothek im Internationalen Archiv für Sozialgeschichte der deutschen Literatur, daß für Immermann das Buch, die Literatur, den wichtigsten Kommunikationspartner während des ganzen Lebens darstellte. Man könnte das so interpretieren, als sei der Immermann ein Bücherwurm im Elfenbeinturm gewesen, ein menschenscheuer Dichter, in stillem Kämmerlein Weltweisheit aus Büchern saugend und in Büchern an die Welt zurückgebend. Man irrte, urteilte man so.

Die Wissenschaft wird vielleicht einmal die Liste der Bücher zusammenstellen, die von Immermann nachweislich gelesen wurden. Wir wollen uns nur jenen beiden Perioden in Immermanns Leben zuwenden, in denen er sich wirklich aus der Welt der wirklichen Dinge in die Bücherwelt zurückzog. Das ganze übrige Leben lang war dem Immermann das Lesen als bloßer Zeitvertreib, als bloße Unterhaltung eine Anomalie, das Bedürfnis danach ein krankhafter Zustand. Deshalb reagierte er in seinen Schriften empfindlich und scharf auf die Unterhaltungsliteratur und das Unterhaltungstheater, auf die Journale und die Lesezirkel.

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Über die beiden Anfälle von Lesewut, die ihn befielen, hat er in seinen Memorabilien berichtet – das sind Gedanken und Erinnerungen, da ist Dichtung und Wahrheit kunst- und absichtsvoll geordnet und deshalb sicherlich nicht so wörtlich zu nehmen, wie das manche Biographen seit anderthalb Jahrhunderten taten. Aufschluß gibt das – unvollendete – Werk vor allem über das Denken und Urteilen des reifen, welt- und lebenserfahrenen, geschichtsbewußten Schriftstellers, der das vierzigste Lebensjahr überschritten hat, als er die Aufzeichnung der Memorabilien unternimmt.

Zweifel an der Detailtreue des Dichters erregt seine Behauptung, er habe als erstes Buch Heinrich Rathmanns Geschichte der Stadt Magdeburg von Anfang bis zu Ende gelesen. Er hat ja auch das Jugendbuch Robinson der jüngere. Ein Lesebuch für Kinder zur allgemeinen Schulenzyklopädie gehörig von Joachim Heinrich Campe gekannt. Aber in den Memoiren, bei der Standortbestimmung und Herkunftsnachweisung des künftigen Dichters, muß die Geschichte der Heimatstadt am Anfang des Literaturerlebnisses stehen – die Geschichte der Bürgergemeinschaft mit ihren Höhe- und Tiefpunkten, die sich der Knabe aneignet im Gegensatz zu dem vom Vater betriebenen Personenkult um die Könige Gustav Adolf und Friedrich II.

Frühe Beschäftigung mit Geschichte geht über in frühes Erleben von Geschichte, wird zu frühem Bedürfnis nach Mitgestaltung von Geschichte. Doch die Verhältnisse, die sind nicht so. Es bleibt beim Gestalten von Geschichten. Münchhausen bringt Zeitgefühl zum Ausdruck, wenn er im Münchhausen sagt:
    Was soll ein gescheiter Kerl jetzt anderes tun als lügen, die Prahlhänse zum besten halten, umherlaufen, sich wandeln und verwandeln? In Kriegsdienste gehen? – Napoleon hat das Heldentum ausgebeutet ... für fünfzig und mehr Jahre... In der Staatskunst sich versuchen? Auch da verlangt man nach einem Chef, der's ist, der nicht bloß so heißt... In Papier spekulieren? Pfui!... Den Tiefdenker machen, das Original, den Sonderling, den Unglücklichen? Abgebraucht. Was bleibt übrig? Lügen, Flirren, Flausen produzieren.
Davon weiß der kleine Carl noch nichts, als ihn die Lesewut zum ersten Mal ergreift:
    Seit meinem zehnten Jahre entbrannte in mir ein Lesehunger, der sich lange fortsetzte, und den ich jetzt mir hin und wieder wünschen möchte. Diese Krankheit erscheint fast in allen Kindern, welche mit einigem Talent
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    ausgestattet wurden. Der bloße Anblick eines Buches versetzt das damit behaftete Kind in eine Art von zitternder Begierde, die weniger die Stillung einer eigentlichen Neugier sucht, sondern aus der ersten Ahnung von dem unermeßlichen Reiche des Wissens entspringt...
    Ich las, wessen ich nur habhaft werden konnte, und genoß die seligsten Stunden bei dem, was ich verstand und - nicht verstand. Reisebeschreibungen, Biografien, Romane, Schauspiele wurden verschlungen. Aber auch das, was für meine Jahre von keinem Interesse sein konnte, war mir eine genehme Kost; ich arbeitete mich durch den ganzen weitschichtigen Abbé de la Pluche hindurch und sogar durch drei Bände von schlesischer Landwirtschaft, die ich mir aus des Vaters Bibliothek zu verschaffen gewußt hatte.

Immermanns Vater, Kriegs- und Domänenrat im Magdeburg des Königreichs Preußen und dann im Königreich Westfalen, von dem Sohn als eine Art Symbolgestalt für die strenge Aufklärung des 18. Jahrhunderts dargestellt, versucht das Lesefieber zu dämpfen, rationiert die Leseportionen - natürlich vergeblich. Überrascht bei verbotener Lektüre, wird Carlchen drei Tage lang vom Familientische verbannt - auch das hilft nicht.

Dabei ging der kleine Carl noch gar nicht zur Schule, als ihn 1806 das Lesefieber befiel. Das Lesen wie das andere Grundwissen hatte er beim Vater erlernt, der sogar Lehrbücher für seinen Ältesten verfaßt hatte, von denen eines noch zum Bestand der Weitling-Bibliothek in Magdeburg gehört.

1807 wird Immermann Schüler des Pädagogiums im Magdeburger Kloster Unser Lieben Frauen, zu Ostern 1813, noch nicht ganz 17 Jahre alt, verläßt er das Gymnasium - seine Schulzeit fällt nahezu mit der Zeit des Königreichs Westfalen zusammen. Im Jahrbuch des Klosters finden wir eine Abschlußbeurteilung:
    Er schrit mit seltenem Glük und ausgezeichneter Schnelheit in 6 Jahren von Oberquinta an so fort, daß er im 15ten Jahre Primaner wurde und die Hälfte der dann noch übrigen 1 1/2 Jahre in Oberprima saß... Ehe er uns Ostern 1813 verließ, und aus der ersten Censurklasse abging, konte ihm die zweite dasmahlige Schulprämie zuerkant werden.

Immermann wird Student der Jurisprudenz in Halle. Aus mancherlei Gründen muß einen Studenten unserer Tage, und besonders einen Studenten in Halle, merkwürdig und befremdlich anmuten, was Immermann über die Freizeitgestaltung zu berichten weiß :

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    Nach Krellwitz und Giebichenstein wurde allabendlich gepilgert, die Saale in Kähnen, welche nicht viel breiter und sicherer waren als die Kanots der Wilden, bis zur Hölthy-Bank befahren; zwischen den grünen Büschen des Giebichensteiner Gartens oder unter den Felsen von Krellwitz lagerte sich die junge Horde, seelenvergnügt bei der schmalsten Kost, und dort ging uns Tiecks Gestirn auf, welches wir eben kennengelernt hatten, und das uns mit unsäglicher Freude erfüllte. Wirklich stieg da die wundervolle Märchenwelt uns auf in der alten Pracht...
Napoleon, Repräsentant der wirklichen Welt, zerstört im Vorbeifahren nicht nur die schöne Welt der Illusionen. Auf der Durchreise nach Magdeburg - wo infolge seiner Visite die Neustadt geschleift wird - läßt er im Juli 1813 die Universität in Halle schließen. Und wieder geschieht Merkwürdiges und Befremdliches mit dem Studenten Immermann.
Er wandert nach Magdeburg - in seinem Roman Die Papierfenster eines Eremiten hat er die Wanderung beschrieben -, aber im Vaterhaus, gegenüber dem Kloster Unser Lieben Frauen gelegen, wird ihm ein kühler Empfang. Der Vater hatte dem Sohn beim Abschied geboten, sich vor Jahresfrist nicht daheim blicken zu lassen, und dieses väterliche Gebot konnte auch ein Napoleon nicht außer Kraft setzen.
So kehrt Carl zurück nach Halle. Der Vater hatte sein Wissen als Autodidakt erworben, da konnte er von seinem begabten Ältesten erwarten, daß der auch ohne Universität studieren könnte. Der wäre zwar am liebsten mit seinen Kommilitonen über die Elbe gezogen, zu den Freiwilligen, die gegen Napoleons Heere kämpfen wollten. Das durfte er nicht - so zog er sich in die Welt der Bücher zurück.

Für den Verfasser der Memorabilien ist es bezeichnend, in welchen Teil der Bücherwelt er den jungen Studenten versetzt: es sind die romantischen Geister- und Ritterromane, deren Funktion heutzutage die gedruckten und gedrehten Krimis und science-fiction-storys übernommen haben.

    Die Einsamkeit, in welcher ich nun zwei Monate leben mußte, ohne Verwandte, Freunde, Ratgeber an einem fremden Ort in so jungen Jahren, hatte etwas von manchem Callotschen Bilde, auf welchem sich Hexen, Teufel und Fratzen umherjagen. Fouques Zauberring hatte ich zu lesen bekommen, Arnims Gräfin Dolores und Ahasver, Brentanos Ponce de Leon und noch anderes, was dieser hyperromantischen Richtung angehörte. Ich fing an, mich bei hellem Tageslicht zu fürchten. Die wimmelnden, spukhaften Gestalten huschten durch mein weites, ödes Zimmer in dem stillen Kügelsehen Hause.
Immermann beherrschte neben der Kunst des Lesens die schwierigere des Vorlesens. Er konnte den eigenen Werken wie denen der Zeitgenossen und denen der fernen Vergangenheit durch das gesprochene Wort Sinn, Leben, Klang und Farbe geben.
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Folgenschwer wurden Vorlesungen im Hause des Freiherrn von Lützow in Münster. Meyers Hand-Lexikon aus dem Jahre 1888 macht das in dürren Worten deutlich:

    Ahlefeldt, Elisa, Gräfin, Patriotin, geb. 17.Nov. 1788 auf Langeland, Gattin des Freikorpsführers v. Lützow, von dem sie sich 1824 trennte, dann mit Immermann intim befreundet...

(Es ist dieselbe Gräfin Ahlefeldt, die der dänische Forscher Jens Jörgensen 1986 zur Mutter Hans Christian Andersens machen wollte.)

Immermann im Düsseldorfer Freundeskreis (1836)

Ein Bild zeigt Immermann, im engeren Freundeskreis aus einem Manuskript vorlesend. Am runden Tisch im Salon der Gräfin sitzt er vor Büchern und Blättern, eine Manuskriptseite in der Hand. Neben ihm sitzt die Gräfin, ihm gegenüber der Maler Carl Lessing und der Dichter Grabbe. Stehend der Dichter Friedrich von Uechtritz, auf dessen Urteil alle warten, nur Grabbe hockt in sich versunken. Im Hintergrund, an der Wand, Gemälde. Zu erkennen ist Lützow und ein Bild, das in ovalem Rahmen Elisa von Ahlefeldt zeigt. (Es ist jenes Bild aus dem Jahre 1816, das wiederholt reproduziert wurde, seit Ludmilla Assing es ihrer Biographie der Gräfin Ahlefeldt beigab.) Die Tür zum Garten ist offen, man sieht belaubtes Gebüsch. Das ist verdächtig. Denn eine Zusammenkunft der abgebildeten Personen müßte zwischen dem 1. Januar 1836, nachdem Immermann und Uechtritz sich versöhnt hatten, und dem Februar 1836, bevor Grabbe und Immermann sich endgültig verkrachten, stattgefunden haben. Auf dem Bild ist das Signum L. P. zu entziffern. Es deutet auf den Düsseldorfer Landschaftsmaler Ludwig Pose hin, der als Dekorationsmaler sicherlich zu des Schauspieldirektors Immermann näherem Bekanntenkreis zählte.

Immermann war, was nicht ganz so selbstverständlich ist, auch ein aufmerksamer Zuhörer. Der Dresdener Maler Vogel von Vogelstein hat ihn so gezeichnet, als Gast des berühmten Vorlesers Tieck, im Oktober 1833 in Dresden. Der Porträtierte schrieb unter die Zeichnung:

    Karl Immermann / geboren zu Magdeburg den 24tenApril 1796"
und eine Strophe aus dem Gedicht An einen Unzufriedenen:
    Willst du bilden, willst du dichten,
    Such dich selber erst zu richten
    In das Maaß und in die Lage
    Nach dem Loth und nach der Waage!
    Du bist da, um aufzuklären,
    Drum laß ab, dich zu verheeren!
    Leyer duldet jedes Wagen,
    Nur nicht Höhnen, nicht Verklagen!
Im Oktober 1837 las Immermann bei Hofe zu Weimar unter anderem ein Gedicht des jungen Freiligrath vor. Er nahm diesen Fakt gewissermaßen anstatt eines Empfehlungsschreibens und machte sich mit dem Dichter persönlich bekannt.
Engels, immer noch unter dem Namen Oswald, hat die Beziehung der beiden Dichter in seiner Rezension der Memorabilien gewürdigt.
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Immermann und die Maler

Traven war ein konsequenter Schreiber, der sich energisch dagegen wehrte, seine Biographie und gar sein Bild mit seinem Werk in Verbindung zu bringen. Immermann war, wie wir sahen, nicht nur Schreiber. Er war auch Vorleser, und er war ein Mann des Theaters. Da gehörte sein Aussehen schon mit zu seinen Wirkungsmöglichkeiten, und so mag denn auch uns das Bildnis Immermanns für einen Moment interessieren.

Die Anzahl der bekannten Bildnisse Immermanns ist begrenzt. Es scheint, daß noch niemand sich der Mühe unterzog, sie zu sammeln oder doch wenigstens zu erfassen. So kommt es, daß einige der Bildnisse irgendwann auftauchten und dann wieder spurlos verschwanden.

So brachte Deetjen 1904 in seiner Arbeit Immermanns Jugenddramen die Reproduktion einer Zeichnung, die den Studenten Immermann zeigt – vermutlich als Karikatur, die ein feindlicher Teutone schuf. Damals war der Besitzer ein Dr. Muchau in Brandenburg, möglicherweise identisch mit dem Hermann Muchau, der 1921 Immermanns Oberhof in Wien und Leipzig herausgab.

Ein anderes Bild des jungen Immermann findet man in manchen Exemplaren seiner Gedichte, die 1822 erschienen. (So im Exemplar der Berliner Universitätsbibliothek.) Carl schickt einen Druck seiner Schwester Lotte mit dem Kommentar :
    Anliegend sende ich Dir noch eins meiner Portraits, da Du mein Bild vielleicht auch anderswo gern, als bloß vor dem Buche sehn magst. Es ist etwas finster und alt, sonst aber scheint mir doch viel Charakter und Wahrheit darin zu sein.“
Auch der neugewonnene Freund Harry Heine in Berlin erhält ein Bild zugesandt, bedankt sich recht sehr für das sehr liebe Geschenk und bittet um ein weiteres Exemplar:
    Was werden Sie von mir halten, wenn ich gestehe, daß ich das von Ihrer Güte erhaltene Exemplar verschenkt habe? Aber ich habe die Kunst ja nie verstanden, den Weibern etwas abzuschlagen.
(Nach dem Besuch in Magdeburg im April 18 24 schreibt Heine dem Freund Christiani: Immermanns Äußere ist nicht einnehmend; ich sehe weit besser aus.)
Auf dem Bild ist zu entziffern : "Ms.f." - Ms. fecit, Ms. hat es gemacht. Ms. - das ist der Stecher F. Michaelis in Münster.
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Ein Ölbild zeigt Immermann am Schreibtisch sitzend, einen Gänsekiel in der Hand. Kenner der Stadt behaupten, der Blick aus dem geöffneten Fenster zeige Münstersche Motive. Eine Ur-Urenkelin Immermanns teilte unlängst beiläufig mit, sie besäße die kleine Plastik, die auf dem Schreibtisch zu sehen ist, einen Hund darstellend.
Aus Familienbesitz der Nachkommen Immermanns wurde eine unvollendete Kopie des Gemäldes vor einigen Jahren dem Goethe-Schiller-Archiv in Weimar übergeben. Man kann mit ziemlicher Sicherheit annehmen, daß der Maler Walter Geffcken diese Kopie für seinen Bruder Johannes anfertigte, denn zur Theaterausstellung in Magdeburg 1927 stellte der Professor Walter Geffcken aus München das Gemälde den Magdeburgern leihweise zur Verfügung.

Später, als Immermann in Düsseldorf wirkte, haben ihn seine Freunde, die Düsseldorfer Maler, einige Male gezeichnet, karikiert, und zuerst wurde er sogar gemalt. Das Ölgemälde, ein Rundbild mit einem Durchmesser von 72 cm, schuf der Chef der Malerakademie, Wilhelm von Schadow.

Im Juli 1828 schreibt Carl dem Bruder Ferdinand Immermann nach Magdeburg, und befriedigte Eitelkeit ist nicht zu überlesen:
    Mein Freund Schadow hat mein altes schnödes Gesicht in Lebensgröße herrlich gemalt und schickt dieses Gemälde auf die Berliner Kunstausstellung... Das Porträt ist ganz vortrefflich, und Du wirst Dich wundern, wie ein wahrer Künstler auch ein an sich häßliches Gesicht vorteilhaft aufzufassen gewußt.
Im folgenden Brief werden schon Bedenken laut:
    Mein Porträt segelt heute mit den übrigen Düsseldorfer Sachen zur Berliner Ausstellung ab. Das wird den Neidern und Hassern zu einer Flut von schlechten Witzen Anlaß geben, denn Schadow hat mir eine Cajole gemacht und mir Kaiser Friedrich und einen Lorbeerzweig in die Hand gegeben.

Später entstand unter Schadows Leitung eine Reproduktion des Gemäldes für Immermanns Mutter - ohne Lorbeerzweig und ohne die Manuskriptrolle mit dem Titel des Dramas Kaiser Friedrich.

Dieses Bild reiste nach Magdeburg, und - vermutlich nach dem Tode der Mutter Immermanns im Jahre 1846 - wieder zurück zu Immermanns Witwe. Von der erhielt es vermutlich Caroline Geffcken, das einzige Kind Immermanns, die es ihrem ältesten Sohn Johannes Geffcken schenkte oder vererbte. Von dem kam es auf seine älteste Tochter Auguste Hosemann und von der auf ihren Sohn, Dr. Fritz Hosemann. Und der hat es wohl noch heute.

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Schadows Gemälde - oder die Reproduktion - war allem Anschein nach die wichtigste Vorlage für den Bildhauer Carl Echtermeyer, als er für Magdeburg den Immermannbrunnen schuf, zu dem eine überlebensgroße Büste des Dichters gehört.

Die Enkel Immermanns zierten mit einer Reproduktion des Gemäldes eine Gedächtnisschrift zum 100. Geburtstag Immermanns, und eben diese Reproduktion nutzte auch Wilhelm Fehse für den Einband seines Lebensbildes Immermannszum 100. Todestag.

Wahrscheinlich existiert sogar noch eine zweite Kopie in Öl - das Marburger Universitätsmuseum rühmt sich ihres Besitzes, in den es durch eine Schenkung der Amalie von Sybel, einer Freundin des Dichters, gekommen sein will.

Der Versuch des Düsseldorfer Malers Heinrich Anton Mücke, Immermann zu porträtieren, mißlang gründlich. Nach Hasubek befindet sich das Original dieser sehr unähnlichen Zeichnung im Besitz des Theatermuseums Köln.
Die Zeichnung ist möglicherweise identisch mit jener, die der Ludmilla Assing zugeschrieben wird in Gutzkows Unter dem schwarzen Bären. Ludmilla Assing war 13 Jahre alt, als Immermann starb. Und Immermanns Kommentar zu Mückes Bild paßt recht gut zu dem der Ludmilla Assing zugeschriebenen:
    Ein Kupferstich, den sie hier von mir gemacht haben, ist gräßlich anzusehen. Ich sehe ungefähr aus wie der Pastor Neissert.

Großen Erfolg hatte der Maler Carl Lessing mit seiner Zeichnung Immermanns. Das Bild entstand am 15. April 1837 im Format 34,8 x 27,6 cm. Immermann schrieb darunter.

    K. Immermann, geboren zu Magdeburg den 24ten April 1796 gestorben, man weiß nicht wann? wo? und wie?

Er ließ gleich von Lessing selbst eine Kopie anfertigen, als Vorlage für einen Stich, der seinen Grabbe-Aufsatz schmücken sollte. Das Original hüten die Berliner Museen in der Sammlung der Handzeichnungen. Im Laufe der Jahrzehnte gab es viele und vielerlei Reproduktionen. Der Ausdruck des Bildes änderte sich dabei merklich - vergleicht man das Original mit der Reproduktion in Meyers Neuem Lexikon, findet man die größte Ähnlichkeit noch in der Kleidung des Abgebildeten. Aber immer eignen wir uns ja das Bild von teuren Toten an, indem wir es unsern Bedürfnissen anpassen.

Das vermutlich letzte Bildnis Immermanns - wenn wir Karikaturen und die Totenmaske nicht rechnen - schuf der Düsseldorfer Maler Theodor Hildebrand im März 1839. Auf das Original schrieb der Porträtierte:

    Karl Immermann
    von Gott auch so zu sagen
    nur mit Bleistift entworfen.
Nach dem Original, 21,4 x 17,5 cm groß, heute Eigentum des Wallraf-Richartz-Museums Köln -, entstand ein Kupferstich von Joseph Keller.

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Immermannbild von Theodor Hildebrand, gestochen von Keller (1839)

Der Stecher setzte unter das Bild den Namenszug Karl Immermann und Verse aus dem Gedicht Das Grab auf Sankt Helena:
    Das Leid, die Freude einer Welt empfinden
    Und unerschüttert in geheimen Stand
    Verborgner Dinge schauen, dazu schuf
    Mein Stern mich in der Laune seiner Bahn.
So recht verständlich wird das erst im Kontext der vorangestellten Verse:
    Wer an des Goldes Glanz sein Herz erquickt,
    Der ring' und keuche in des Markts Gewühl,
    Und wem der Ehre luft'ger Traum den Sinn
    Entflammt, der buhle zu der Hoheit Füßen!
    Mich reizt es nicht!

Es haben nicht nur die Bücher ihre Schicksale. Über einen Abschnitt aus der Geschichte eines der Kupferstiche von Keller erfahren wir aus dem Brief eines anderen Keller, des Gottfried, an die Witwe des Ferdinand Freiligrath, vor 100 Jahren geschrieben, im August 1887:

    Als Sie mit dem bewußten Verewigten im Jahr 1846 von Zürich nach England reisten, schenkte mir Ferdinand unter anderm eine hübsche Radierung, Clemens Brentano darstellend, und ein von dem berühmten Kupferstecher Keller gestochenes Bild von Immermann. Beide hatten in seinem Studierzimmer gehangen und sind an sich beide von innerem Wert und jetzt seltene Blätter geworden oder gar nicht mehr zu bekommen. Da dünkte es mich nun artig, wenn sie, da ich nur noch beschränkte Zeit zu leben habe, wieder den Rhein hinunterzögen, wo sie herkamen und wo sie geschätzt würden. Ich werde sie gelegentlich hinter den alten Gläsern hervornehmen und ein Poströllchen daraus machen.

Das Kulturhistorische Museum in Magdeburg besitzt ein Exemplar dieses Kupferstichs, der in den großen staatlichen Sammlungen unseres Landes nicht zu finden ist. Da war es ganz folgerichtig, daß Wilhelm Höpfner, nachdem er sich entschieden hatte, Immermanns Kopf neben den Magdeburger Köpfen Rollenhagens, Weitlings, Otto von Guerickes, Telemanns und Weinerts zu gestalten, auf Kellers Kupferstich zurückgriff. Und es war nicht minder folgerichtig, daß die Madgeburger Immermannfreunde in der Hochschulgruppe des Kulturbundes Johanna Höpfners Zustimmung erbaten und erhielten, Höpfners Radierung auf einem Plakat mit der Einladung zur Immermann-Ausstellung 1986 zu zeigen.

Immermann interessierte sich für Malerei und Gemälde nicht nur, wenn er selbst zum Gegenstand der Darstellung wurde. Er liebte unter den Künsten vor allem die bildende Kunst. Wolfgang Hütt hat über die Beziehungen Immermanns zur Malerei in seiner Düsseldorfer Malerschule gründlich, kritisch und überzeugend geschrieben.
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Immermanns Interesse äußerte sich aber auch in jener uns bekannten und vertrauten Form des Sammelns. Er freute sich, wenn er einen neuen (oder alten) Stich erwerben konnte - noch mehr, wenn er ihn geschenkt erhielt. Er setzte Verwandte und Bekannte, Gott und die Welt in Bewegung, wenn er sich für einen bestimmten Druck interessierte. Wenn er in die Verlegenheit geriet, Geschenke machen zu müssen, bevorzugte er Graphik - da war er sich seiner Urteilsfähigkeit sicher

. 1833, im April, ist ein Geburtstagsgeschenk aus Magdeburg in Düsseldorf eingetroffen, der Beschenkte bedankt sich:
    Dein fahrender Spasimo, mein lieber Ferdinand, ist mit dem reitenden Briefe vor einigen Tagen zu gleicher Zeit eingetroffen, und beide haben mir große Freude gewährt. Habe Dank für das schöne Geschenk, an welchem ich nur wiederholentlich auszusetzen habe, daß es zu teuer ist. Wir müssen einander nicht so kostbare Sachen schenken. Die Composition ist eine der größten Raphaels aus seiner reifsten Periode, und der Stich ein Meisterwerk dieser Kunst. Laß Dir auch um die kleinen Mängel keine grauen Haare wachsen, dergleichen findet sich in allen Abdrücken, die wie dieser nicht zu den ersten Subscriptionsexemplaren gehören, und stören doch das Gefallen am Ganzen nicht... Meine Stube ist nach grade voll, freilich auf die heterogenste Weise. So hat z. B. Metternichs Bocksgesicht, welches ich in den letzten Wochen bei der Umarbeitung des Hofes immer vor Augen zu haben wünschte, unter unserer guten Mutter seine Stelle nehmen müssen; gibt es eine seltsamere Paarung? Bei den Aposteln vom Sebaldusgrabe in Nürnberg steht die nackende Venus von Thorwaldsen, als wollte sie die Knasterbärte verführen u. dgl. m.

Eine Verkaufsliste im Nachlaß Immermanns beweist, daß er im Laufe seines Lebens trotz fortwährender Geldschwierigkeiten eine ansehnliche Kupferstichsammlung zusammengetragen hatte. Die Liste beweist aber auch, daß die Sammlung nach Immermanns Tod ebenso versteigert wurde wie seine Bibliothek.

Die Wiederherstellung der Sammlung und der Bibliothek, und sei es mit Hilfe von Reproduktionen, wäre eine reizvolle Aufgabe, für die aber wohl dem privaten Sammler die finanziellen Mittel und der staatlichen Institution das Motiv fehlte.

Es scheint, daß die Wechselwirkungen zwischen Immermann und der Malerei noch nicht bis ins letzte untersucht wurden. Ein Beispiel mag die Vermutung belegen

.
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In den historischen Miniaturen zum Deutschen Vormärz 1830 bis 1848 unter dem Titel Unzeit des Biedermeiers stehen zwei Aufsätze nahe beieinander: Werner Feudels Überlegungen zu Immermanns Epigonen und Peter Betthausers Interpretation des Gemäldes Die Harkorthsche Fabrik auf Burg Wetter, erst 1958 als Jugendwerk des Düsseldorfer Malers Alfred Rethel erkannt. Betthauser fragt nach der Anregung für das erste Gemälde einer Industrielandschaft und hält es für möglich, daß der achtzehnjährige (!) Kunststudent dieses Bild als Auftragswerk schuf. Aber er wirft gar nicht die Frage auf, ob es möglicherweise Immermann mit seinem Roman Die Epigonen war, der die Wahl des Motivs maßgeblich beeinflußte. Rethels Gemälde entstand 1834 - Immermann arbeitete 1834 bis 1835 intensiv an den letzten Büchern seines Romans. Er gestaltete literarisch die Idee, daß der Industriekapitalist ehrwürdige Klöster und Schlösser seinen Bedürfnissen anpaßt - aus eigener Anschauung kannte er die Unternehmungen des Industriellen Nathusius, der das ehemalige Kloster in Althaldensleben und das benachbarte Schloß Hundisburg in der Umgebung Magdeburgs für seine Fabrik- und Parkanlagen erworben und genutzt hatte.
Eben dieses Motiv - die Fabrik vor den Schloßruinen und in den Klostermauern - gestaltet Rethel. Immermann pflegte aus seinen Manuskripten vorzulesen, Rethel stand mit Immermanns Freund Uechtritz auf vertrautem Fuße. Sollten wirklich ein literarisches Werk und ein Gemälde mit gleichem Motiv im selben Ort zur selben Zeit unabhängig voneinander entstanden sein? Die Wissenschaft mag das bezweifeln, solange dokumentarische Beweise fehlen – der Dilettant und Amateur erfreut sich der Indizien und betrachtet Rethels Bild als erste und unseres Wissens einzige Illustration der Epigonen von Immermann.

Das Erbe und die Erben

Dem Bibliophilen ist Immermann als Gegenstand des Sammelns zu empfehlen - selbst wenn ihm das Unwahrscheinliche gelänge, von jeder Ausgabe der Schriften Immermanns ein Exemplar zu erjagen, brächte er den Ertrag des Sammelns wohl in einem mittleren Bücherschrank unter. Immermann zählt nicht zu jenen erfolgreichen Autoren, deren Werk ganze Wälder verschlungen hat.

Der sowjetische Immermannforscher A. A. Serebrjakow konstatierte 1981, daß sogar in der umfassendsten Ausgabe der Werke Immermanns, 1883 von Boxberger in einem einzigen Jahr in 20 Bänden herausgegeben, nur etwa zwei Drittel des literarischen Schaffens des Dichters repräsentant sind.

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Erst in den Jahren 1978 und 1979 erschienen die Briefe Immermanns, 1987 der Kommentarband - eine verdienstvolle Arbeit Peter Hasubeks, die eine empfindliche Lücke für die Forschung schließt.

Wenn der interessierte Leser Glück hat, findet er im Antiquariat das Bändchen Der Karneval und die Somnambule aus dem Gustav Kiepenheuer Verlag (1972), das Tulifäntchen im Schuber aus dem Buchverlag Der Morgen (1977) oder einen Oberhof - ein Stück Münchhausen, das der Union-Verlag, einer schlechten Tradition folgend, aber mit drei Auflagen erfolgreich, herausbrachte. Der Münchhausen - aus dem Aufbau-Verlag, 1955 von Günter Deicke herausgegeben, oder aus dem Paul List Verlag mit Nachwort und Erläuterungen von Siegfried Seidel (1968) - gehört schon zu den Raritäten. Vielleicht findet der Sucher auch die fünfbändige Ausgabe von Hary Maync oder die sechsteilige Ausgabe in drei Büchern von Werner Deetjen. Es soll sogar schon einmal jemand einige Bände der Boxbergen-Ausgabe entdeckt haben.

So sehr ist die Liste der gedruckten Schriften Immermanns noch gar nicht gewachsen, seit Erich Schulz im Jahrbuch für Bücherfreunde Imprimatur 1931 eine Immermann-Bibliographie veröffentlichte. Freilich ist die Bibliographie, die in der Magdeburger Weitling-Bibliothek geführt wird, sehr viel umfangreicher - aber den Karteikasten füllen vor allem die Karten mit den Angaben zur Sekundärliteratur und zu den in anderen Ländern erscheinenden Ausgaben.


Wer bis hierher Interesse für Immermann aufbringen konnte und meint, ein Nochmehr an Wissen über den Mann und sein Werk sei ihm vonnöten, dem ist Fritz Böttchers Buch Karl Immermann. Im Schatten des schwarzen Adlers zu empfehlen, 1967 im Verlag der Nation erschienen. Es ist ein Buch, das nur einen, allerdings bedenklichen Mangel aufweist, den nur das frühe Erscheinungsjahr entschuldigt: in Titel und Text wird der Vorname des Dichters mit dem großen K geschrieben, während doch die wahren Immermannfreunde in Magdeburg und anderswo gesteigerten Wert auf die einzig richtige Schreibweise, die mit dem großen C, legen.

Wollen Sie, geduldiger und verehrter Leser, die Erbschaft Immermanns antreten, müssen Sie allerdings den Anforderungen genügen, die der Testator hinsichtlich der Erben traf.
Als erfahrener Jurist hat Immermann beizeiten sein Testament erlassen und publiziert, unter dem Namen des Jodocus Zebedäus Schnotterbaum,

    ohne Ort und Datum, denn ich wünsche, daß er - mein letzter Wille nämlich - allerorten und zu jeder Zeit gälte.
Von der Erbschaft aber werden ausgeschlossen:
    1. die sogenannten großen Köpfe,
    2. die edeln Charaktere,
    3. die bedeutenden Menschen,
    4. die gefühlvollen Seelen,
    5. diejenigen, welche man die Hochverdienten oder die Allverehrten und Allgeliebten nennt;
    denn meine Erben sollen sein die Leute von gesunder Vernunft, eine leider neuerdings nur zu sehr herabgekommene und unscheinbar gewordene Sekte.
46f.



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Letzte Änderung 16.03.2008