Ernst Herbsts
unveröffentlichte Leserbriefe und erfolglose Appelle


J. Paulus: Raumschiff Enterprise

in: DIE ZEIT Nr.28-07.07.1995 S.20

Verlag und Redaktion DIE ZEIT
Pressehaus
Speersort 1
20095 Hamburg


Atzendorf, den 9. Juli 1995

Sehr geehrte Damen und Herren,


An Ihren Standard im Umgang mit globalen Problemen gewöhnt, bin ich erstaunt, wie leicht das Anliegen des jüngsten Berichtes an den Club of Rome - "Ist die Erde noch regierbar?" - in der Rezension von Jochen Paulus mit dem Hinweis auf einige - zugegeben fragwürdige - Wertungen und Vorschläge des Verfassers abgetan wird.

Seit die Meadows im Jahre 1972 in ihrem Bericht an den Club of Rome "Die Grenzen des Wachstums" auf das (exponentielle) Wachstum "der Weltbevölkerung, der Industrialisierung, der Umweltverschmutzung, der Nahrungsmittelproduktion und der Ausbeutung von Rohstoffen" und seine Konsequenzen hinwiesen, werden gewöhnlich diese Prozesse als globale Probleme charakterisiert.
Im Bericht des Rates des Club of Rome 1991 von Alexander King und Bertrand Schneider (deutsch: "Die Globale Revolution", Spiegel Spezial 2-91) wurden auch "das internationale Mißmanagement der Weltwirtschaft" und die "Governanz und die Fähigkeit zu regieren" als Weltprobleme thematisiert. Diese soziale und politische Sicht findet bei weitem nicht die gleiche Resonanz wie die Erörterung von Prozessen, die scheinbar mit "naturgesetzlicher Kraft" verlaufen ("Bevölkerungsexplosion", "Umweltzerstörung durch Technik").
Yehezkel Dror greift eben diese Aspekte auf.

Wenn Paulus das Niveau der Übersetzung kritisiert, ist ihm zuzustimmen.
Da ist auch die naturalistische Färbung interessant, die der Bertelsmann Verlag und der Übersetzer dem Bericht mit dem deutschen Titel geben. Aus dem englischen "The Capacity to Govern" wird nicht "Sind die Menschen / Sind die Staaten noch regierbar?" - gefragt wird nach der Regierbarkeit der "Erde". Ist das eine Verbeugung vor dem Erd-Kult, den Gerd Bergfleth in seinem Beitrag zur "Selbstbewußten Nation" für die Neue Rechte reklamierte?

Dror fordert u.a., die Vermittlung von Kenntnissen und die Befähigung zum Urteilen über Weltfragen zur Staatsangelegenheit zu machen.
Die Vernachlässigung politischer Bildung der Bürger überhaupt und besonders ihrer Aufklärung über globale Prozesse und Gefahren wird nach seiner Ansicht selbst zu einem globalen Problem: Regierungen demokratischer Staaten werden keine einschneidenden Maßnahmen zur Bewältigung von Menschheitsproblemen leisten können, wenn die Bürger (ihre Wähler) diese Maßnahmen nicht verstehen und billigen.
Im Vergleich zu Praktiken, die politische Bildung schon in der Schule zu den unwichtigen, also einsparungswerten öffentlichen Aufwendungen zu zählen und die Entscheidungen über Weltprobleme den Experten und politischen Eliten (z.B. Herrn Chirac) zu überlassen, ist das für mich eine recht sympathische Position.

Meinen Sie nicht auch, daß das Buch von Dror einen Kritiker verdient, der auf die angesprochenen Probleme eingeht und entweder auf bessere als die vorgeschlagenen Lösungen hinweist oder zugibt, daß er keine Lösungen für die Probleme sieht?

Mit freundlichen Grüßen


Homepage

e.imwinkel@ernst-herbst.de
Letzte Änderung 02.10.2007